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Hintergründe Störfälle

Nach Fukushima – 10 Kriterien für ein Ausstiegsszenario

Gastbeitrag von Dipl. Phys. Detlef zum Winkel und Thomas Kieseritzki, Rechtsanwalt, 10.4.2011

Angesichts der Katastrophe in Japan wird von einer Zäsur gesprochen, nach welcher der Betrieb von Atomanlagen nicht mehr so weiter gehen könne wie bisher. Der Sicherheitscheck, den die Bundesregierung durchführen lassen will und der auch auf europäischer Ebene, ebenso wie in den USA, angekündigt wurde, findet allerdings ohne die Kritiker der Atomenergie statt. So teilte EU-Kommissar Öttinger der Presse mit, er habe mit 120 Personen getagt, aus Unternehmen der Energieversorgung und des Kraftwerksbaus, und Einigkeit über eine Überprüfung erzielt. Diejenigen, die prüfen, und diejenigen, die geprüft werden sollen, sind also wieder einmal die Gleichen. Die Anderen allerdings, die den atomindustriellen Komplex bekämpfen, können ihre Unabhängigkeit geltend machen. Ihr Urteil und ihre Vorschläge sind umso wichtiger. Diese folgenden Thesen versuchen eine Vorlage zu machen, die der Verständigung unter denen dienen soll, die mit Ausstieg wirklich meinen, was der Begriff besagt.

Aus dem ersten Multi-GAU der Geschichte der Atomenergie werden 10 Schlussfolgerungen gezogen. Sie sind, mit Bedacht, so konkret gehalten wie möglich, weil die Lehren aus dem Unglück äußerst direkt sind. Wir wollen auch versuchen, europäischer als bisher zu denken. Obgleich der Bezug auf Europa meist mit leicht durchschaubarer Absicht eingebracht wird, ist es natürlich legitim zu fragen, was beispielsweise ein deutscher Atomausstieg bringt, wenn in Frankreich weiter 58 Atomreaktoren betrieben werden und in Tschechien Altmeiler, die vielleicht gerade noch einen Nutzen als Filmkulissen haben. Es sollen also Kriterien gefunden werden, die auch in Frankreich und anderswo mehrheitsfähig werden können und den Grundstein für ein Bündnis mit den französischen Atomkraftgegnern legen, die in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung erfahren haben.

Welche Faktoren und Umstände haben zu dem japanischen Atomdisaster in besonderer Weise beigetragen, was hat sich für die Bevölkerung als besonders verhängnisvoll erwiesen? Auch für nicht naturwissenschaftlich ausgebildete Menschen ist einsichtig, dass es um den Ort, den Typ, die Anzahl der Reaktoren, um Kühltürme, die Gebäudekonstruktion, das Alter der Anlagen, um den verwendeten Brennstoff, um dessen Zwischenlagerung, den Betrieb und um die Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit geht.

Im Einzelnen:

1. Ort. Atomanlagen dürfen nicht in Gegenden betrieben werden, die von schweren Naturerschütterungen, Erdbeben, Überschwemmungen, Vulkanausbrüchen oder Stürmen bedroht sind. Hier sind geologische Gutachten erforderlich, aber auch ohne diese ist klar, dass Portugal, Mittelitalien, der Balkan, Griechenland und weite Teile der Türkei (die hier genannt werden muss, auch wenn sie nicht zur EU gehört) als Standorte ausscheiden. Ebenso Sizilien und Island wegen der Gefahr von Vulkanausbrüchen. Wichtig ist zu begreifen, dass es hierbei nicht nur um AKWs geht, sondern um Atomanlagen aller Art, also auch um Lagerstätten für Atommüll. Salzbergwerke mit der erwiesenen Gefahr, dass sie mit Wasser zulaufen, scheiden als Deponien aus. Dies meint die endgültige Verabschiedung von den Plänen für Gorleben oder besser gesagt: gegen Gorleben.

2. Typ. Fukushima markiert das Ende einer Reaktorlinie. Der Siedewasserreaktor bietet nicht jene inhärente Sicherheit, die man von Atomkraftwerken verlangen muss, die auch von ihren Betreibern oftmals versprochen worden ist, die sich aber jetzt als Schimäre erwiesen hat. Sein einfach ausgelegtes Kühlsystem gibt im Schadensfall enorme Strahlenmengen an die Umwelt ab. Die Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente liegen außerhalb eines Containements. Die Möglichkeiten einer Schadensbegrenzung im Falle eines GAU sind gering. Ebenso wie nach Tschernobyl graphitmoderierte Reaktoren (die es nicht nur in der Sowjetunion gegeben hat) weitestgehend außer Betrieb genommen worden sind, so sind jetzt alle Siedewasserreaktoren stillzulegen. Das sind in Deutschland 6 Reaktoren: Brunsbüttel, Krümmel, Isar 1, Philippsburg 1, Gundremmingen B und C. Frankreich hat keine Siedewasserreaktoren.

3. Anzahl der Reaktoren. Vier oder wie im Fall von Fukushima sogar sechs Reaktoren in einem AKW können im Notfall nicht mehr beherrscht werden. Für solche Anlagen gibt es in der Praxis kein Krisenmanagement. Fehler der Betreiber sind vorprogrammiert, und sie sind natürlich auch gemacht worden. Ein GAU in einem Reaktor ist wahrlich schlimm genug. Ein weiterer Multi-GAU muss ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass nicht mehr als zwei Reaktoren pro Kraftwerk vorhanden sein dürfen. Zwei Reaktoren darf es nur noch dann geben, wenn sie baugleich sind. In Frankreich laufen mehrere AKWs mit 4 bis 6 Reaktoren. Ca. 20 französische Reaktoren müssen nach diesem Kriterium stillgelegt werden.

4. Kühltürme. In Fukushima ist eine bauliche Besonderheit auf den Bildern von der Anlage leicht zu erkennen, aber in den Berichten und Reportagen wird sie nicht erwähnt. Dort fehlen Kühltürme. Interessanterweise ist dies häufig an küstennahen Standorten der Fall. Wäre das AKW mit Kühltürmen ausgestattet gewesen, so hätte nicht – zwei Wochen zu spät – Süßwasser per Schiff aus den USA herangeschafft werden müssen. Die Chance, eine Kernschmelze im Ansatz zu verhindern, wäre höher gewesen. Bei AKWs mit Druckwasserreaktoren müssen mehrere Kühltürme vorhanden sein, die immer ein großes Wasserreservoir enthalten müssen. Mit ihrer Hilfe ist ein zusätzliches, rein mechanisches Notkühlsystem zu implementieren, das den Reaktorkern auch beim kompletten Ausfall jeglicher Stromversorgung noch tagelang kühlen kann. Diese Anforderung wird nicht erfüllt von den Druckwasserreaktoren Brokdorf (kein Kühlturm) sowie Neckarwestheim 1 und 2 (zu kleine Kühltürme).

5. Gebäude. Auch an das sog. äußere Containement, also an die Konstruktion des Reaktorgebäudes, sind definierte Mindestanforderungen zu stellen. Hier geht es nicht nur darum, gegen äußere Gewalteinwirkungen Vorsorge zu treffen, z.B. gegen einen Flugzeugabsturz. Es geht auch darum, dass das Reaktorgebäude mit entsprechenden Wandstärken und einem Kuppeldach versehen ist, damit es im Falle eines GAU seine Rückhaltefunktion erfüllt und als weitere Barriere gegen die Freisetzung von Radioaktivität dient. Anders als in Fukushima muss das Reaktorgebäude Knallgasexplosionen standhalten. Gleich hohe Maßstäbe sind an die Unterbringung der verbrauchten Brennelemente anzulegen.

6. Alter. Atomkraftwerke kann man mit noch so vielen Nachrüstungen nicht beliebig lang betreiben. Nicht nur wegen der Schlampereien von Tepco, sondern auch wegen des schlichten Alters der Anlage, der Gebäude, der Containements, der Rohre und Ventile, der Baustoffe, der Steuerungen, der Konstruktion, der Sicherheitssysteme musste das Werk dem Erdbeben und dem Tsunami zum Opfer fallen. Der Reaktor 1 in Fukushima ist 40 Jahre alt. Die Reaktoren 2, 3 und 4 sind nur 3 Jahre jünger. Das ist zuviel. Atomreaktoren wurden ursprünglich für eine Lebensdauer von ca. 25 Jahren konzipiert. Es zeigt sich jetzt, welches Gefahrenpotential die Altreaktoren und Auslaufmodelle bergen. Statt einer Verlängerung ist eine Laufzeitverkürzung geboten. Daher müssen außer den schon genannten AKWs in Deutschland die Atomkraftwerke Unterweser und Biblis (A und B) stillgelegt werden.

7. Brennstoff. Als grausamer Fehler erweist sich, dass in Reaktor 3 von Fukushima MOX-Elemente eingesetzt wurden, die neben Uran auch Plutonium als Spaltstoff enthalten. Dies ist in den meisten deutschen AKWs ebenso der Fall und muss sofort unterbunden werden. Man möge auch einen Moment innehalten und überlegen, was passiert wäre, wenn in Fukushima Hochtemperaturreaktoren oder Schnelle Brüter gestanden hätten. Dann erkennt man, warum es für Brutreaktoren und für die Plutoniumwirtschaft keine Kompromisse und keinen Verhandlungsspielraum geben darf. Es kann auch nicht mehr geduldet werden, dass die Nuklearunternehmen versuchen, diese hochriskanten Technologien ins Ausland zu exportieren.

8. Zwischenlager. Die Anwesenheit verbrauchter Brennelemente in sog. Abklingbecken hat die Situation in Fukushima verschlimmert und die Folgen vervielfacht. Sie enthalten ein höheres Strahlenpotenzial, als es in den Reaktorkernen vorhanden ist. Auch der Reaktor 4 des AKW Fukushima, der zum Zeitpunkt des Erdbebens gar nicht aktiv war, geriet zum gefährlichen Krisenherd. Abklingbecken müssen außerhalb der Reaktoren in eigenen Gebäuden untergebracht werden, an welche nicht die gleichen, aber gleich hohe Sicherheitsanforderungen zu richten sind. Ähnliche Aufmerksamkeit und Anforderungen müssen den Zwischenlagern von Castor-Behältern an den Atomkraftwerken gelten; letztere könnten allerdings in den Gebäuden von stillgelegten Reaktoren untergebracht werden. Das meint, dass wir die Stillegung alter Reaktoren auch deswegen brauchen, um das Problem der Zwischenlagerung anders zu lösen – und zwar unverzüglich. Es meint auch, dass die Arbeitsplätze in stillgelegten Reaktoren ziemlich sicher sind, wobei zu bezweifeln ist, ob dies wirklich ein Vorteil für die Beschäftigten ist.

9. Betrieb. Nach dem 11. März wurden schier unglaubliche Versäumnisse und Fehler des Betreibers Tokyo Electric Power Company bekannt. Es ist evident, dass dieses Unternehmen den gesetzlichen Anforderungen, welche an die Betreiber von Atomanlagen gestellt werden, sei es in Japan oder in Europa, nicht genügt. Nur noch Befürchtungen, das Krisenmanagement und die Katastrophenschutzmaßnahmen noch weiter zu erschweren, halten die japanische Regierung von der sofortigen Verstaatlichung Tepcos ab.

Die deutsche Erfahrung besagt, dass grundsätzlich alles, was jetzt über Tepco berichtet wird, bereits von Vattenfall bekannt ist. Das trifft ebenso auf die anderen Betreiber von Atomkraftwerken zu, auch in Frankreich. Wartungen werden mangelhaft durchgeführt; Zertifikate sind nicht zuverlässig, Auskünfte immer verharmlosend und immer unvollständig; Qualitätssicherung wird vernachlässigt, durch Outsourcing finden wichtige Arbeiten nur noch auf dem Papier statt. Subunternehmen, Leiharbeiter und unqualifizierte Hilfskräfte erledigen die gefährlichsten Arbeiten. Diese Anlagen werden nicht nach Maßstäben besonderer Sicherheit und Zuverlässigkeit betrieben, sondern nach den Regeln des Profits.

Es ist an der Zeit, Energieversorgung wieder als öffentliche Aufgabe zu erkennen. Die Energieversorger sind der Gesellschaft gegenüber in die Pflicht zu nehmen, nicht ihren Aktionären gegenüber. Die Besitz- und damit die Machtfrage muss gegen den Atomstaat und für das Gemeinwohl entschieden werden. Ungewollt hat die alte Landesregierung von Baden-Württemberg kurz vor ihrer Abwahl etwas Richtiges getan, indem sie einen der vier großen Energiekonzerne, EnBW, zurückgekauft hat, d.h. dass sie eine Anteilsmehrheit erworben hat. Ähnlich ist mit E.on und RWE zu verfahren. Vattenfall ist die Genehmigung zum Betrieb von Nuklearanlagen zu entziehen.

10. Rechtsstaatlichkeit. Ein einziger Fall ist in Deutschland zu verzeichnen, wo einem Unternehmen der Betrieb einer Atomanlage untersagt wurde. Das betraf 1988 (zeitweise) die Hanauer Brennelementeproduktion von NUKEM und (dauerhaft) deren Tochter Transnuklear. Ursache waren falsche Angaben über den Transport und die Lagerung von Fässern mit radioaktivem Inhalt. Vorausgegangen war ein dubioser Bestechungsskandal, in welchem sich Transnuklear Aufträge von Atomkraftwerken mit Provisionen erkauft hatte. Die Firma mit dem zweifelhaften Ruf existiert heute noch, sie ist im weltweiten Uran-Handel aktiv, und ansonsten vermarktet NUKEM, neben zwei anderen westlichen Unternehmen, Uran aus dem Atomwaffenprogramm der ehemaligen Sowjetunion. Diese erstaunliche Karriere ist ein Aufruf an die nukleare Gemeinde, es mit den gesetzlichen Vorschriften nicht so ernst zu nehmen. Kein Wunder, dass sie sich entsprechend gebärden. Der RWE-Chef Jürgen Großmann zieht mit einer Kampagne gegen das dreimonatige Moratorium der Bundesregierung zu Felde und droht erpresserisch mit Stromausfällen. Dass ein Atomgesetz tatsächlich einmal gegen ihre Interessen angewendet werden kann, liegt völlig außerhalb der Vorstellungswelt dieser Leute.

Hier gibt es einen Nachholbedarf. Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften, Unterlassungen, Fehlinformationen und die Verweigerung von Verantwortung dürfen nicht mehr großzügig toleriert, sondern müssen angemessen, unter Berücksichtigung der möglichen Folgen solchen Handelns, bestraft werden, damit sich überhaupt ein Unrechtsbewusstsein einstellt. Von späteren Entschuldigungen hat niemand etwas.

Zusammengefasst dürfen die acht Reaktoren, die von der Bundesregierung zunächst für 3 Monate abgeschaltet wurden, nicht wieder ans Netz gehen. Vier weitere Reaktoren, Gundremmingen B und C, Neckarwestheim 2 und Brokdorf, sind sofort abzuschalten und stillzulegen. Die Erkundung des Gorlebener Salzstocks ist zu beenden, der Plan Gorleben ist aufzugeben. Vattenfall scheidet als AKW-Betreiber aus. E.on und RWE sind einer wirksamen öffentlichen Kontrolle zu unterstellen. Im Management der großen Energiekonzerne müssen umfangreiche Umbesetzungen stattfinden. Dann sehen wir weiter.

Thomas Kieseritzky und Detlef zum Winkel sind AKW-Gegner seit 35 Jahren.Detlef zum Winkel publiziert im Monatsmagazin konkret. Thomas Kieseritzky war früher Mitglied der Frankfurter Grünen.

(*** Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht die Meinung der Redaktion wieder***)

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Update 29. / 30.03.2011

Das Chaos nimmt weiter zu, die Versuche, die Katastrophe in Griff zu bekommen werden immer hilfloser … „Abdecken mit Folie“[1] oder „Besprühen mit Kunstharz“ oder „Verbringungen des radioaktiven Wassers per Tankschiffen auf hohe See“[2] werden offenbar ernsthaft diskutiert, als könne dies auch nur irgendwas an grundlegender Besserung oder Verhinderung der finalen Katastrophe bewirken. Eine Ausweitung der Evakuierung auf 40 km[3] ist da schon seriöser, aber da sperrt sich offenbar immer noch die Regierung. Selbst die jetzige 20 km-Zone wird offenbar nicht ernsthaft durchgesetzt, mit dem Ergebnis, dass die verbliebenen AnwohnerInnen mit ernsthaften Gesundheitsschäden rechnen müssen aufgrund der Strahlenbelastung.

Zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre, sind die Meldungen der JAIF (und die Übersetzung durch GRS) über den Zustand der Reaktoren:

 

Block  1  2  3 
Druck / Temperatur im Reaktordruck-behälter   schrittweise steigend / leicht gesunken nach Anstieg über 400°C am 24.03.   unbekannt / stabil   unbekannt  

Die GRS meldet um 09:00 Uhr (MESZ), abgerufen um 24:00 Uhr

Zustand Sicherheitsbehälter
unbeschädigt
Schaden und Leck vermutet
unbeschädigt
 

In der JAIF-Tabelle geht es um 21:00 Uhr (Ortszeit) ehrlicher zu (estimation = Schätzung, Vermutung):

 

Containment Vessel Integrity   Not Damaged (estimation)  Damage and Leakage Suspected  Not damaged (estimation) 

Immerhin wird die Beschädigung des Reaktordruckbehälters mittlerweile zugegeben …

Auf Deutsch: „Wir wissen zwar nicht, was im Reaktordruckbehälter 2 abgeht, aber stabil ist es …“ (es fehlt wohl das „hoffentlich“?)

Das Wirrwarr über die um das 10-millionenfache oder „nur“ 100.000-fache gestiegene Radioaktivität am Wochenende klärt sich etwas. Hintergrund waren offenkundig unterschiedliche Bezugswerte, einmal das normale Leitungswasser (hoher Wert), zum andern das ohnehin auch schon im Normalbetrieb belastete Kühlwasser.[4] Was so ganz nebenbei die Information liefert, dass das Kühlwasser im Fukushima „normalerweise“ mit einer 100-fachen Radioaktivität belastet wird …

Die mehrfach heiß diskutierten einer „geordneten Entsorgung“ des radioaktiv stark belasteten Kühlwassers (vom Besprühen der Abklingbecken und Reaktoren) wird ad absurdum geführt mit einer Meldung im Kleingedruckten in der SZ vom 28.3.20111 (Verseuchtes Wasser im Kraftwerk, Angst in der Luft): „Seit rund zehn Tagen pumpen die Techniker Tausende Tonnen in die zum Teil aufgerissenen Reaktorgebäude, offenbar ohne sich darum zu Kümmern, wohin das viele Wasser letztlich fließt.

 

Reaktordruckbehälter in Block 2 und 3 defekt

(BMU) 30.03.2011: Anhand der niedrigen Druckwerte in Block 2 und 3 schlussfolgert die NISA auf einer Pressekonferenz, dass die Reaktordruckbehälter defekt sein könnten. Es wird jedoch ausgeschlossen, dass größere Schäden am Reaktordruckbehälter aufgetreten sind.[5]

 

Tepco baut AKWs in der Türkei

(Tagesthemen, 30.03.2011, 22:46) Bei Mersin, in einem hochgradig erdbeben-gefährdeten Gebiet soll ein russisches AKW gebaut werden. Insgesamt sollen hier vier Rektoren gebaut werden. An der ebenfalls erdbeben-gefährdete Schwarzmeerküste sollen ebenfalls mehrere Reaktoren gebaut werden, hier soll ausgerechnet Tepco die Anlagen erstellen.

IAEA rät zu weiteren Evakuierungen

(Tagesschau) 30.03.2011: Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) rät Japan zur weiteren Evakuierung eines Ortes in der Nähe des zerstörten Atomkraftwerks Fukushima. In dem 7000-Einwohner-Ort Iitate hätten Teams der Atombehörde die höchsten Strahlungswerte gemessen, sagte der IAEA-Experte für nukleare Sicherheit, Denis Flory. „Eine erste Beurteilung deutet darauf hin, dass eine der IAEA-Kriterien für die Evakuierung überschritten wurde.“ Man habe Japan geraten, sich die Situation dort genau anzusehen, sagte Flory. Iitate liegt etwa 40 Kilometer nordwestlich von den Unglücksreaktoren entfernt.

(Spon) 30.03.2011:  Unterdessen hat die Umweltorganisation Greenpeace ebenfalls Messungen vor Ort durchgeführt: In dem 7000-Einwohner-Ort Iitate, 40 Kilometer nordwestlich des Kraftwerks, gab es demnach eine Strahlenbelastung von bis zu zehn Mikrosievert in der Stunde. Um Tsushima seien sogar 100 Mikrosievert pro Stunde gemessen worden. Das teilte die Organisation am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Tokio mit. Zum Vergleich: 2,1 Millisievert – also 2100 Mikrosievert – im ganzen Jahr ist jeder Mensch in Deutschland durchschnittlich ausgesetzt.

Wind dreht auf Tokio

(FTD) 30.03.2011: Der Wind drehte am Mittwoch in Richtung Tokio. Mit ihm könnten radioaktive Partikel den Ballungsraum mit 35 Millionen Bewohnern für einige Stunden erreichen.

Rauch über dem AKW Fukushima II (Daini)

(MoPo) Am eigentlich stabilen Kernkraftwerk Fukushima II ist am Mittwoch etwa eine Stunde lang Rauch aufgestiegen. Das meldete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf die Betreiberfirma Tepco. Der Rauch kam laut Tepco von einer Stromverteiler-Einheit in einem Turbinenraum im ersten Stock. Er sei dann wieder verschwunden. Genaue Angaben zur Ursache des Rauchs gab es zunächst nicht.

Tepco gerät außer Kontrolle

(FTD) Dem Betreiber des außer Kontrolle geratenen Atomkraftwerks in Japan droht das außerordentlich schwierige Krisenmanagement vollends zu entgleiten. Tokyo Electric Power (Tepco) bekommt die technischen Probleme der verheerenden Katastrophe nicht in den Griff. Management und Finanzkraft des Konzerns sind bereits jetzt vollkommen überstrapaziert: Die vor wenigen Tagen gewährten Notkredite in Milliardenhöhe reichen nicht aus, teilte Tepco am Mittwoch mit. Zudem musste die Konzernführung umorganisiert werden, da Präsident Masataka Shimizu krankheitsbedingt ausfällt. …
Das Management ist zunehmend handlungsunfähig. Die umgerechnet gut 17 Mrd. Euro Notkredit, die japanischen Banken gerade gewährt haben, reichten nicht aus, um den Firmenbetrieb und alle sonstigen Kosten finanzieren zu können, räumte Tepco am Mittwoch ein. Wie groß der weitere Finanzbedarf sein wird, bleibt unklar. Der mit einem Umsatz von 38,3 Mrd. Euro sechstgrößte Energieversorger der Welt war bereits vor dem Atom-GAU hoch verschuldet. …
Das Ausmaß der Schäden ist immens: Vier der sechs Reaktoren in Fukushima werden endgültig stillgelegt und verschrottet. Um die ausgefallene Energiekapazität künftig wettzumachen muss Tepco nach Analystenschätzung monatlich mehr als 1 Mio. Dollar aufwenden. Über die verbleibenden Reaktoren soll nach Gesprächen mit Regierung und Anwohnern entschieden werden. Zudem drohen hohe Kosten für Reparaturen, Entschädigungen, Kraftwerksneubauten und mögliche Klagen. Im Umkreis des Atomkraftwerks Fukushima mussten bislang 70.000 Menschen evakuiert werden.

 

Plutonium im Boden um Atomkraftwerk Fukushima

(Spon) 29.03.2011: Tokio – Mehr als zwei Wochen nach der ersten Explosion im Atomkraftwerk Fukushima I hat der Betreiber die Situation immer noch nicht unter Kontrolle. Aus dem beschädigten japanischen Atomkraftwerk tritt offenbar weiterhin hochgiftiges Plutonium aus. Das Schwermetall sickere ins Erdreich ein, hieß es am Dienstag aus Behördenkreisen. Nach Angaben der Betreibergesellschaft Tepco wurde an mehreren Stellen außerhalb des Meilers Plutonium entdeckt.
Es gebe Hinweise darauf, dass die Radioaktivität von beschädigten Brennstäben stamme, sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Dienstag. „Die Situation ist sehr ernst“, so Edano. „Wir tun unser Möglichstes, um den Schaden zu begrenzen.“
Es sei bedauerlich, dass es nicht gelungen sei, einen Austritt radioaktiver Substanzen aus dem Kraftwerk zu verhindern, sagte Hidehiko Nishiyama, ein Sprecher der Atomsicherheitsbehörde. Am Montag war erstmals gemeldet worden, dass im Boden um das Kraftwerk hochgiftiges Plutonium entdeckt worden sei. Die Dosierung war nach Angaben von Tepco für Menschen nicht gefährlich.

 

Info Plutonium
Plutonium (Pu) ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 94 (Nuklide 238, 239, 240, 241, 242, 244) und gehört zu den Schwermetallen wie Blei oder Quecksilber. Daher ist es für den menschlichen Körper auch ähnlich giftig wie diese Schwermetalle. Plutonium ist zusätzlich radioaktiv, das heißt die verschiedenen Nuklide (238, 240 und so weiter) zerfallen unter Aussendung von Strahlung. Die Halbwertszeit der Plutoniumnuklide ist relativ groß, zum Beispiel bei Plutonium-239 dauert es 24.110 Jahre bis die Hälfte der vorhandenen Atomkerne zerfallen ist. Beim radioaktiven Zerfall werden hauptsächlich Alphateilchen und mit wesentlich geringerer Intensität Gammastrahlung freigesetzt.
(mehr … / Quelle: https://www.bfs.de/ion/wirkungen/plutonium.html )

 

Regierung erwägt Verstaatlichung von Tepco

(Spon) Täglich meldet Tepco neue Hiobsbotschaften aus dem Kraftwerk an der Nordostküste des Landes. Nun erwägt die Regierung offenbar eine Verstaatlichung der Betreibergesellschaft. Das sei eine Option, sagte der Minister für die nationale Politik, Koichiro Gemba, laut der Nachrichtenagentur Kyodo am Dienstag. Auch die japanische Tageszeitung „Yomiuri“ berichtete unter Berufung auf Regierungskreise von derartigen Überlegungen. Die Regierung könnte die Mehrheit übernehmen und in das Management des Stromkonzerns eingreifen.

 

EU erhöht Grenzwerte für radioaktive Belastung von Lebensmitteln
+++ Umweltinstitut fordert Einfuhrverbot[6]

EU gestattet Einfuhr radioaktiv belasteter Lebensmittel aus Japan. Um das sicherzustellen, hat die EU Kommission die Katastrophengrenzwerte für Lebensmittel in Kraft gesetzt. Das heißt, dass Nahrungsmittel jetzt deutlich höher radioaktiv belastet sein dürfen als im Normalfall. Die Grenzwerte für Cäsium wurden zum Teil verdoppelt, für Lebensmittel wie Fischöl und Gewürze sogar verzwanzigfacht.

Ursprünglich waren diese Grenzwerte nach der Tschernobyl-Katastrophe eingeführt worden, um die Ernährung der Bevölkerung trotz eines Super-GAUs sicher zu stellen. Von einem Ernährungsnotstand kann bei einem Lebensmittelimportanteil aus Japan von unter 0,05 Prozent jedoch kaum eine Rede sein. Das Umweltinstitut München fordert die Bundesregierung deshalb auf, diese Grenzwerterhöhung unverzüglich zu revidieren und stattdessen ein sofortiges Einfuhrverbot von Lebensmitteln aus Japan zu erlassen!

Grenzwerte für nuklearen Unfall in Kraft gesetzt

In der EU gilt für die Cäsium-Gesamtaktivität in Milch, Milchprodukten und Säuglingsnahrung ein Grenzwert von 370 Bq/kg. Alle anderen Lebensmittel dürfen einen Wert von 600 Bq/kg nicht überschreiten. Diese nach Tschernobyl deutlich erhöhten „Normalwerte“ (z.B. lag Milch zuvor bei 50 Bq/L)  können allerdings laut Europarat im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation durch höhere Radioaktivitätsgrenzwerte für Nahrungsmittel und Futtermittel ersetzt werden (siehe Verordnung Euratom[7]). Diese Regelung sollte die Ernährung der Bevölkerung im Falle eines Supergaus sicherstellen.

Tabelle: Höchstwerte für Nahrungsmittel im Falle eines nuklearen Unfalls (in Bq/kg)

Nahrungs-
mittel für Säuglinge
Milch-
produkte
Andere Nahrungs-
mittel
Nahrungs-
mittel geringerer Bedeutung
Flüssig-
nahrungs-
mittel
Strontiumisotope
(bes. sr-90)
75 125 750 7500 125
Jodisotopge
(bes. J-131)
150 500 2000 20.000 500
Alphateilchen emittierende Plutoniumisoptope
u. Transplutonium-elemente

(bes. Pu-239, Am-241)
1 20 80 800 20
Alle übrigen Nuklide mit Halbwertzeit > 10 Tagen (bes. Cs-134, Cs-137 ohne C-14, H-3) 400 1000 1250 12.500 1000

 

Höhere Grenzwerte für Lebensmittel aus Japan

In ihrer Verordnung vom 25. März 2011[8](siehe Seite 2) legte die EU-Kommission nun fest, dass Nahrungsmittel auch aus radioaktiv belasteten Präfekturen Japans eingeführt werden dürfen. Diese Lebens- und Futtermittel müssen dabei nicht die üblichen Grenzwerte einhalten, sondern nur noch die Höchstwerte, die für den nuklearen Notstand festgelegt wurden.

Dieses Vorgehen ist absurd. Denn von einem Ernährungsnotstand kann bei einem Lebensmittelimportanteil von 0,05 Prozent aus Japan wohl kaum die Rede sein. Die EU-Kommission nimmt also völlig unnötig eine gesundheitsgefährdende radioaktive Belastung ihrer Bevölkerung in Kauf. Statt die Verbraucher zu schützen, werden diese bewusst gefährdet. Darüber hinaus muss lediglich die Einhaltung der Grenzwerte für Jod 131, Cäsium 134 und Cäsium 137 bescheinigt werden. Strontium und Plutonium werden in der aktuellen Verordnung nicht erwähnt.

Das Umweltinstitut München und andere unabhängige Experten empfehlen seit Langem strengere Grenzwerte: 30 bis 50 Bq/kg bei Nahrung für Erwachsene und 10 bis 20 Bq/kg für Kinder, Stillende und Schwangere. Babynahrung sollte 5 Bq/kg nicht überschreiten. Die aufgenommene Strahlung sollte soweit möglich minimiert werden. Pressemitteilung des Umweltinstitut München und Foodwatch.

Quellen:

https://www.tagesschau.de/ausland/fukushima362.html

https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Plutonium-im-Boden-Radioaktivitaet-in-Seoul-und-den-USA-id14487116.html

https://www.mopo.de/news/panorama/japan/katastrophen-akw-soll-mit-planen-abgedeckt-werden/-/8235776/8284086/-/index.html

https://www.ftd.de/politik/international/:fukushima-tepco-geraet-ausser-kontrolle/60033031.html

https://www.grs.de/sites/default/files/Status%20KKW%20Fukushima%20Daiichi%20Uhr%20am%2030-03-2011_0900.pdf

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/atomarer_notstand_in_japan_teil_2/

https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,753592,00.html

https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,753933,00.html

Süddeutsche Zeitung vom 30.3. (Rätselhaftes Plutonium),

Süddeutsche Zeitung vom 28.3.20111 (Verseuchtes Wasser im Kraftwerk, Angst in der Luft)


[3] ebenda

[4] Süddeutsche Zeitung vom 30.3. (Rätselhaftes Plutonium)

[7] VO zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation
https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31987R3954:DE:HTML

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Update 24.03.2011, 24:00 Uhr

Verstrahlte Arbeiter

Nach Stunden in kontaminiertem Wasser sind drei Arbeiter im Reaktor 3 der havarierten Atomkraftwerke in Fukushima Daiichi verstrahlt worden. Mehrfach wurde der Verdacht laut, dass die „Helden von Fukushima“ nicht ganz freiwillig dort Dienst tun.
Nach Angaben der japanischen Atomaufsichtsbehörde Nisa haben die drei Arbeiter eine Ortsdosis zwischen 170 und 186 Millisievert aufgenommen. Der Grenzwert für Arbeiten zur Abwendung einer atomaren Katastrophe liegt in Japan – wie auch in Deutschland – bei 250 Millisievert. Die Weltgesundheitsorganisation hält sogar 500 Millisievert in einer Krisensituation noch für vertretbar.
Die drei Arbeiter sollten von einem bereits verlegten Starkstromkabel am Block 3 weitere Kabel in das zerstörte Reaktorgebäude verlegen. Sie standen nach Informationen der Internationalen Atomenergieorganisation rund drei Stunden lang in kontaminiertem Wasser.
Vermutlich stammt das Wasser aus dem Brennelementebecken, in dem wie im Reaktorkern MOX-Brennelemente lagern, die einen höheren Plutoniumanteil haben als abgebrannte Uran-Brennelemente. [1] (Tagesspiegel)

24.03.2011, 17.45 Uhr: 17 Arbeiter haben laut Kyodo eine Strahlenbelastung von mehr als 100 Millisievert erlitten. Rund zwei Millisievert beträgt der Wert, den ein Mensch in Deutschland jährlich an natürlicher Hintergrundstrahlung abbekommt. (dpa, zitiert nach GP)
Zuvor waren mehrfach Fälle von Verstrahlungen von „zwei oder drei Arbeitern“ gemeldet worden …

Trinkwasserprobleme

24.03.2011, 17.45 Uhr: Wie Kyodo meldete ist zwar in Tokio die Belastung des Leitungswassers mit radioaktivem Jod wieder gesunken, dennoch wird in den Geschäften das Wasser knapp. Auch wurde eine erhöhte radioaktive Belastung in anderen Wasseraufbereitungsanlagen außerhalb von Tokio festgestellt. Dort sollen Babys das Wasser nicht trinken. (dpa, zitiert nach GP)

Weitere Evakuierung?

24.03.2011, 17:21 Uhr: Außerhalb der Evakuierungszone rund um das havarierte japanische Atomkraftwerk Fukushima I wächst die Angst vor radioaktiver Strahlung. Regierungssprecher Yukio Edano empfiehlt den Bewohnern in Windrichtung des Atomkraftwerks auch außerhalb eines Radius von 30 Kilometern, sich nicht im Freien aufzuhalten und die Fenster von Gebäuden geschlossen zu halten.
23 Abgeordnete aus dem Ober- und Unterhaus des Parlaments unterschrieben eine Petition, in der sie fordern, auch außerhalb des bisherigen Radius rund um das Kraftwerk die Evakuierung „drastisch voranzutreiben“. (FTD)

24.03.2011, 13:46 Uhr: Auch außerhalb der Sicherheitszone um das Atom-Wrack in Fukushima könnte nach Schätzungen der Regierung stark erhöhte radioaktive Strahlung auftreten. An manchen Orten, die weiter als 30 Kilometer von dem Kraftwerk entfernt seien, könnte die Strahlung zeitweise womöglich bei mehr als 100 Millisievert pro Stunde liegen, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Er bezog sich auf eine Computerprognose. Die natürliche Hintergrundstrahlung liegt bei etwa 2 Millisievert pro Jahr. (FTD)

Atom-Aus für die VAE?

24.03.2011, 15.59 Uhr: Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen ihre Pläne für das erste Atomkraftwerk im Land nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima überprüfen. Das sagte der Generaldirektor der staatlichen Atomaufsichtsbehörde, William Travers. Das Land plant sein erstes Kernkraftwerks im Jahr 2017 in Betrieb zu nehmen. Nun sollen Erkenntnisse aus dem Unglück in Japan berücksichtigt werden. Außerdem werde intensiv über Sicherheitsstandards gesprochen. „Damit wird die Sicherheit in der friedlichen Nutzung der Atomenergie in den Emiraten erhöht“, sagte Travers. (Spon)

Jetzt auch Probleme an Block 5

24.03.2011, 13.58 Uhr: Heute gab es zum ersten Mal auch am bisher unversehrten Reaktor 5 Probleme. Auch dort ist nun das Pumpsystem des Reaktors nach Angaben der NISA defekt. Die Kühlung sei ausgefallen. Die Situation sei momentan stabil, es müsse aber mit steigenden Temperaturen sowohl im Reaktor als auch im Abklingbecken gerechnet werden.[2] (Blick)

Radioaktive Verseuchung des Meeres steigt

24.03.2011, 19:10 Uhr: Japanische Wissenschaftler haben 30 Kilometer vor der Küste Japans eine „nachweisbar“ erhöhte Konzentration von radioaktivem Jod und Cäsium 137 gemessen. Das bestätigte ein IAEA-Experte. „Die Jodkonzentration hat das von den japanischen Behörden vorgegebene Limit erreicht. Der Cäsiumwert liegt darunter,“ teilt die Atomaufsichtsbehörde mit. (FTD)

24.03.2011, 14.55 Uhr: Wie der Stromkonzern Tepco mitteilt steigt die Strahlenbelastung im Meer weiter an. An den Abflussrohren der Reaktorblöcke 1 bis 4 seien die Werte von radioaktivem Jod-131 etwa um das 150-fach erhöht, was jedoch keine Gefahr für den Menschen bedeute. (FOKUS online/dpa, zitiert nach GP)

Tepco pleite?

23. März 2011: Tepco hat sieben japanische Großbanken aufgefordert, ihm etwa 2 Billionen Yen (17,4 Milliarden Euro) an Krediten zur Verfügung zu stellen. Mit dem Geld will Tepco unter anderem die Aufräumarbeiten beim schwer beschädigten Atomkraftwerk Fukushima bezahlen. Zudem braucht das Unternehmen auch Geld für die Reparatur weiterer beschädigter Kraftwerke. Außerdem könnten Schadensersatzforderungen auf das Unternehmen zukommen.
Ende Dezember verfügte das Energieunternehmen über Barreserven in Höhe von 670 Milliarden Yen. Da die Gefahr noch nicht gebannt ist, dass sich die atomare Krise in Fukushima verschärft, der Börsenwert des Unternehmens dramatisch eingebrochen ist und Schlampereien bei der Sicherheit sowie falsche oder verspätete Informationen das Vertrauen in Tepco zerstört haben, befürchtet das Unternehmen die Kosten anders nicht aufbringen zu können.
Die Finanzinstitute, die große Aktienpakete an Tepco halten, haben durch den Kurssturz an der Börse bereits Milliardenverluste erlitten. Als Rettungsanker stünde notfalls die öffentliche Hand bereit.
Der Tepco-Kurs unterlag extremen Schwankungen. Am 10. März, dem Tag vor dem Erdbeben, das das Atomkraftwerk Fukushima zerstörte, stand Tepco bei 2153 Yen. Den niedrigsten Stand gab es am 17. März, auf dem Höhepunkt der Ängste vor einer atomaren Katastrophe, mit 715 Yen.
Tepco ist das größte Energieunternehmen Japans und das viertgrößte der Welt. Das private Energieunternehmen betreibt insgesamt 17 atomare Reaktorblöcke und produziert damit in etwa den jährlichen Strombedarf eines Landes wie Italien.
Tepco hatte bereits vor der Katastrophe in Fukushima den Ruf, Pannen in seinen Atomanlagen zu vertuschen. 2002 gab es Sonderprüfungen bei allen 17 Tepco-Reaktoren, weil das Unternehmen Reaktordaten und Schadensberichte gefälscht hatte. Der Vorstandsvorsitzende und die verantwortlichen Manager mussten damals gehen. Doch auch in Fukushima hat Tepco bei den Kontrollen unmittelbar vor der Katastrophe geschlampt und Informationen nicht weitergegeben, wie in dieser Woche bekannt wurde.[3] (Quelle: FAZ.NET)

 


[1] https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/drei-arbeiter-in-fukushima-verstrahlt/3987204.html

[2] https://www.blick.ch/news/ausland/japan/japan-liveticker-168383

[3] https://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc~E8A36604547834F3581BB21E028C7B438~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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Hintergründe Störfälle

Update 20.3.2011, 16:00 Uhr und Bewertung

Einschätzung der aktuellen Lage aufgrund der geg. Informationslage:

Bezeichnend für die japanische und weltweite (auch deutsche) Informationspolitik ist die folgende Meldung:

(Focus) 20.03.2011, 15:01 Uhr: Verantwortliche des Atomkomplexes Fukushima haben bekannt gegeben, dass in zwei von sechs Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente in dem Kernkraftwerk die Lage wieder unter Kontrolle sei. Die Temperatur in den Becken sei in einen normalen Bereich abgekühlt. In den anderen Blöcken wird an der Kühlung der Reaktoren und Abklingbecken weiter mit Hochdruck gearbeitet.

Übersetzen wir mal in verständliches Deutsch: 1. In allen sechs Reaktoren war die Lage in den Abklingbecken außer Kontrolle und in vier von sechs ist sie es immer noch!

Lage der Reaktoren:

Reaktor 1: Vermutlich kein Kühlmittel im Reaktordruckbehälter. Schmelze oder Explosion des Reaktorcontainments jederzeit möglich.

Reaktor 2: Das Gleiche, vermutlich Schäden am Reaktorcontainment.

Reaktor 3: Vermutlich Schäden am Reaktorcontainment. Gefahr einer erhöhten Freisetzung von Plutonium durch den Einsatz von MOX-Brennelementen.

Reaktor 4: War außer Betrieb, daher keine Brennstäbe mehr im Reaktorcontainment. Alle Brennelemente liegen im Abklingbecken. Dort ist offenbar zumindest teilweise eine Kenschmelze eingetreten, die Strahlenbelastung ist dadurch extrem hoch.

Da es in allen vier Reaktoren schwere Explosionen gegeben hat und offenbar alle vier bereits hochgradig verstrahlt sind, ist nicht zu erwarten, dass sich durch den Stromanschluss die Lage irgendwie bessert. Pumpen etc. dürfte weitgehend zerstört sein. Reparaturarbeiten vor Ort aufgrund der extrem hohen Strahlung wären unmöglich.

Reaktor 5 und 6: Beide waren ebenfalls außer Betrieb, die Abklingbecken scheinen noch intakt zu sein, die Kühlung allerdings ist auch hier fraglich. Da es keine Explosionen gab, könnte diese wieder ein Gang gesetzt werden durch Wiederanschluss an das Stromnetz. Das allerdings hängt davon ab, ob die Kühlpumpen noch intakt sind und mit Strom betrieben werden können.

Bewertung: Zumindest in den Rektorcontainments 1 bis 3 und im Abklingbecken vier laufen seit längerem Kernschmelzen. Entweder werden diese die Bodenbehälter bzw. Containments zerschmelzen (vermutete Temperatur der „Atomsuppe“ ca. 2.000°C, Schmelzpunkt der Stahlbehälter ca. 1.500 °C!) und dadurch wird dann extrem viel Radioaktivität freigesetzt oder es kommt in den Reaktorcontainments 1 bis 3 zu Wasserstoff/Knallgas-Explosionen mit derselben Folge. Eine Explosion des Reaktorcontainments 3 wurde vermutlich nur durch Anbohren und Freisetzen des Knallgasgemisches (und Radioaktivität) verhindert (s.u. (ARD) 20.03.2011 05:39 Uhr).

Die Freisetzung von Radioaktivität aus dem Abklingbecken in Reaktor 4 läuft seit der Explosion (Becken, KEIN Containment!) und ist nicht mehr zu verhindern.

 

Radioaktivität:

Hier eine Seite zur Ausbreitung der Radioaktivität in Japan und Messwerte von TEPCO in Fukushima.

Bewertung: Wie vorher gesehen wird die Westküste Nord- und Mittelamerikas von der radioaktiven Wolke erreicht werden. Die entscheidenden Fragen werden sein: 1. Regnet es auf dem Transportweg und wird so Radioaktivität ausgewaschen und 2. wie konzentriert/wie weit verfechernd ist die Strömung und somit wie konzentriert bleibt die Strahlung?

Diese Meldungen (s.u.) sind alarmierender als befürchtet. Nimmt man die Meldung zu den Bohnen von der Südspitze Japans einmal aus (die m.E. nicht durch Fukushima verursacht ist), bleiben die Werte besorgniserregend. Bis Radioaktivität ins Trinkwasser (hat da wer Erfahrungswerte? 24 – 36 h?) oder in die Nahrung gelangt, dauert einige Zeit. Das heißt, die JETZT gemessenen Werte stammen aus den ersten Tage der Katastrophe und berücksichtigen noch nicht die hohen Werte der letzten Tage …

 

Zu der Lage im Einzelnen

Tepco: Block 3 und 4 noch Tage ohne Strom

(ARD) 20.03.2011 14:26 Uhr: Nach Angaben des Fukushima-Betreibers Tepco wird es noch Tage dauern, bis auch die Reaktorblöcke 3 und 4 wieder mit Strom versorgt werden können.

Reaktordruckbehältern 4, 5 und 6 sicher

(GP) 20.03.2011, 13:09 Uhr: Das Japan Atomic Industrial Forum (JAIF) schätzt Wasserstand und Druck in den Reaktordruckbehältern 4, 5 und 6 im Augenblick als sicher ein. In den Reaktordruckbehältern der Blöcke 1, 2 und 3 soll der Wasserstand dagegen weiterhin besorgniserregend niedrig sein. In den Abklingbecken der Reaktoren 3 (MOX-Brennstäbe) und 4 ist der Wasserstand ebenfalls zu niedrig. Beide werden mit Wasser von außen gekühlt. Im Becken von Reaktor 4 soll es eine Wasserstoffexplosion gegeben haben.

(GP) 20.03.2011, 10:30 Uhr: Derzeitiger Stand: Die Mannschaft in Fukushima 1 will versuchen, Reaktor 1 und 2 ans Stromnetz anzuschließen. In Reaktor 3 hatte sich die Lage zwischenzeitlich wieder verschärft, so dass Tepco erneut Druck ablassen wollte. Da dann eine Stabilisierung eintrat, ist dies nicht geschehen. Jetzt soll wieder Wasser auf das Abklingbecken gespritzt werden. Auch Reaktor 4 soll weiterhin mit Wasser von außen gekühlt werden. Da hier noch mehr von Wänden und Dach steht, ist es schwieriger, das Abklingbecken zu treffen.

Druck am Block 3 gestiegen

(ARD) 20.03.2011 05:39 Uhr: Im Anschluss an einen massiven Einsatz von Wasserwerfern am Block 3 des Atomkraftwerks Fukushima ist der Druck im Reaktorkern wieder gestiegen. Die japanische Nachrichtenagentur Kyodo meldete am Sonntag unter Berufung auf die Atomsicherheitsbehörde, es würden zügig Maßnahmen eingeleitet, um den Druck zu verringern. Zuvor war dieser Reaktor 13 Stunden lang unter Wasser gesetzt worden, um das Abklingbecken für abgebrannte Kernelemente zu füllen.

 

Radioaktivität:

hoch radioaktiver Spinat in der Region Tokio

(FTD) 20.03.201, 14:55: Laut Nachrichtenagentur Kyodo ist in der japanischen Präfektur Tochigi Spinat mit hoch radioaktiven Substanzen entdeckt worden. Auch in der Provinz Gunma, nördlich von Tokio, wurde nach Angaben der Agentur Jiji Press verstrahlter Spinat gefunden. Die Präfektur Tochigi liegt nördlich von Tokio, die Provinzhauptstadt Utsuomiya ist nur 100 Kilometer von der japanischen Metropole entfernt. Wie hoch der Spinat belastet ist, wurde nicht gesagt.

Radioaktiv belastete Bohnen in Taiwan entdeckt

(ARD/FTD) 20.03.2011 10:00 Uhr: In Taiwan sind 14 Kilogramm radioaktiv belastete Bohnen aus Japan entdeckt worden. Bei der Lieferung aus Kagoshima, im Süden Japans (Anm.: ca. 1.000 km Luftlinie von Fukushima entfernt), seien erhöhte Strahlenwerte gemessen worden, teilten die taiwanesischen Behörden mit. Genauere Angaben machten sie nicht.

Radioaktiv verseuchte Milch in 45 Kilometer Entfernung

(ARD) 20.03.2011 00:10 Uhr: Auch 45 Kilometer nordwestlich des Atomkraftwerks Fukushima, in der Stadt Kawamata, übersteigt Japans Gesundheitsministerium zufolge die Belastung von Milch mit radioaktivem Jod den zugelassenen Grenzwert. Das teilte die Nachrichtenagentur Kyodo mit.

Leitungswasser I

(GP) Samstag, 19. März 2011, 16.30 Uhr: Japanische Behörden haben im Leitungswasser nahe des Kraftwerks Fukushima erhöhte Werte von Radioaktivität nachgewiesen. Die Werte sollen den empfohlenen Wert übersteigen, über dem man das Wasser nicht mehr trinken sollte. Der Kontakt mit radioaktivem Jod kann zu einem -erhöhten Krebsrisiko führen.

Erhöhte Radioaktivität im Trinkwasser Tokios

(ARD) 19.03.2011 13:57 Uhr Im Trinkwasser der japanischen Hauptstadt Tokio sind laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Kyodo erhöhte Werte von radioaktivem Jod nachgewiesen worden. Erhöhte Strahlungswerte seien auch bei Trinkwasserkontrollen der Präfekturen Gunma, Tochigi, Saitama, Chiba und Niigata festgestellt worden.

Dazu: (Standard, Österreich) Die Messwerte reichten für radioaktives Jod von 0,27 bis 77 Becquerel (Bq) pro Kilogramm Wasser. Die bekannt geworden Caesiumwerte waren im einstelligen Bereich. Die Grenzwerte in Japan für Jod beträgt 300 Bq pro Kilogramm Wasser und für Cäsium 200 Bq/kg Wasser. Zum Vergleich: Die deutschen Grenzwerte für Milch und Säuglingsnahrung liegen bei 370 Becquerel (Cäsium 134/137) pro Liter beziehungsweise Kilogramm.

 

Quellen:

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/erdbeben_in_japan_regierung_ruft_atomaren_notstand_aus/

https://www.tagesschau.de/nachrichtenticker/

https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,752037,00.html

https://www.ftd.de/politik/international/:live-ticker-zur-katastrophe-in-japan-hamburg-verteilt-jodtabletten-an-seeleute/60027914.html

https://www.eurad.uni-koeln.de/

https://www.bmu.de/files/bilder/allgemein/image/jpeg/japan_tepco_messung_07_gr.jpg

https://www.grs.de/informationen-zur-lage-den-japanischen-kernkraftwerken-fukushima-onagawa-und-tokai

https://derstandard.at/1297820865833/Live-Ticker-von-Samstag-Tote-und-Vermisste-auf-mehr-als-20000-angestiegen

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Störfalle

Update 18.3.2011 MIT Hintergründen

TEPCO verurteilt Arbeiter zum Tod!

„Tepco erhöht Grenzwerte“

(TAZ, NTV, SpON) Der AKW-Betreiber Tepco erhöht den Grenzwert der Strahlenbelastung für die Arbeiter auf 100 Millisievert pro Stunde.

(Anm.: Wenn diese Meldung stimmt, ist der Skandal perfekt: Falls die Arbeiter in 12 Stunden-Schichten im Einsatz sind, haben sie nach 3 Tagen eine Strahlung von 3,6 Sievert aufgenommen und erkranken an der Strahlenkrankheit! Etwa 50 % von ihnen wird dann in den nächsten Tagen sterben. Beruflich exponierte Personen dürfen in Deutschland in Einzelfällen mit bis zu 50 Millisievert pro Jahr belastet werden.)

 

Kommentar:

Hilfloses Anrennen gegen die unvermeidbare Katastrophe

An dieser Stelle ist eine deutliche Distanzierung – auch zu den Medienberichterstattungen in Deutschland – erforderlich. Hier wird ein Optimismus verbreitet, der durch nichts gerechtfertig ist. Schon das Gerede „der Super-GAU ist noch nicht eingetreten“ ist falsch. „GAU“ ist der größte, noch beherrschbare „Auslegungsstörfall“, und DER ist in mindest vier, wahrscheinlich in mehr Reaktoren schon lange ÜBERSCHRITTEN. Um in den Terminus zu bleiben, stellt sich derzeit die Frage, ob der vierfache Super-GAU noch durch einen Mega-GAU getoppt wird!

Die Kühlversuche mit Hubschraubern und Wasserwerfern waren – wie von vorneherein klar – nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Die Zielgenauigkeit in beiden Fällen ist gering, vor allem die die Hubschrauber aufgrund der Strahlung NICHT über den Reaktoren stehen bleiben können. Zudem zerstäuben ca. 90 % des Wassers VOR dem Auftreffen, wenn sie denn wirklich auftreffen … Die gefeierte „Erfolgsmeldung“ „Dampf sei entstanden, somit sei offenbar der Reaktor getroffen worden“ zeigt den Grad der Verzweiflung! In die selbe Kategorie ist die Hoffnung-verbreitende Meldung einzuordnen, Stromleitungen würden wieder angeschlossen und die „Pumpen könnten dann wieder in Betrieb genommen werden“. Keiner, der die Bilder der zerstörten Gebäude gesehen hat, kann ernsthaft glauben, dass darin noch funktionsfähige Pumpen wären …

Die Entscheidungen der nächsten Tage fallen an anderer Stelle. Entscheidend werden die Windverhältnisse in den Tagen nach den kommenden Explosionen oder dem Durchschmelzen der Reaktor-Containments sein. Die Explosionen unterbleiben u.U. deshalb, weil die Containments bereits beschädigt sind (in Block 2 ist dies wohl der Fall). Wo nicht wird die Frage sein, ist der Druckanstieg schneller oder der Temperaturanstieg? Stahl hat einen Schmelzpunkt von 1.500 °C, die Temperatur der „Reaktorsuppe“ wurde mehrfach mit 2.000 °C gemeldet. Gleichzeitig entsteht bei dem Prozess Wasserstoff. Da noch Luft (Sauerstoff) im Containment sein dürfte, droht die Gefahr weiterer Knallgas-Explosionen, dieses Mal IM CONTAINMENT unter dessen Zerstörung. Eine weitere entscheidende Frage wird sein, wie viel Bor (Borsäure) dem Kühlungswasser in den ersten Tagen beigemischt war, da diese Menge Einfluss auf die radioaktive Reaktion der Brennstäbe hat und diese ggf. verlangsamt.

Ein Zuschütten mit Sand/Beton o.ä. kann erst nach einem Abklingen der Strahlung in dem Maß durchgeführt werden, dass die ausströmende Radioaktivität unterbunden wird. Vorher ist da nicht dran zu denken, es sei denn man würde Dutzende von Hubschrauberbesatzungen im wahrsten Sinn des Wortes „verheizen“. Das größte Problem ist das offenliegende Abklingbecken in Reaktor 4, in dem offenbar ebenfalls eine Kernschmelze läuft, da muss nichts mehr explodieren, da wird jetzt schon massiv Radioaktivität emittiert.

 

Anti-AKW-Bewegung in Frankreich

(Hartwig Berger): In Frankreich rufen 36 Organisationen zu einer landesweiten Demonstration zur Fukushima Katastrophe und gegen die französische Nuklearpolitik auf, Sonntag, 20.3., in Paris ab 15 Uhr. Hauptakteur ist das Netzwerk Sortir du Nucleaire, beteiligt sind u.a. Europe Ecologie und zwei Linksparteien (NPA und Parti du Gauche), nicht Sozialisten oder Kommunisten.

Die zentralen Forderungen sind:

1. Stop aller Neubauprojekte (wie EPR) in Frankreich

2. Sofortige Stilllegung alle mehr als 30 Jahre betriebenen Reaktoren. Das sind insgesamt 16 (der 58), darunter Fessenheim (2), Bugey (5), Tricastin(3).

3. Stop aller nuklearen Auslandsprojekte der frz. Industrie.

Gefordert wird eine breite gesellschaftliche Debatte zur Atomkraft in Frankreich. Sortir du Nucleaire, ein Netzwerk von mehreren 100 Gruppen, beruft sich auf die (unzureichenden)Schritte selbst der deutschen Bundesregierung, mit dem Argument, dass die Franzosen, wenn schon, das Recht zu demselben Sicherheitsniveau wie die Deutschen haben… .

 

Der ARD-Korrespondent in Japan untergräbt den Mythos von den 50 Helden[1]

Die Helden von Fukushima: Obdachlose, Gastarbeiter und Arbeitslose?

In den letzten Tagen war oft die Rede von den angeblich 50 noch am AKW Fukushima verbliebenen Arbeitern, die sich trotz der hohen Strahlenbelastung für das Wohl der Allgemeinheit opfern, um die Katastrophe noch abzuwenden. Die Betreibergesellschaft Tepco hatte Hunderte von Mitarbeitern abgezogen, weil die Strahlenbelastung zu groß wurde. Zurückgeblieben sollen nur wenige sein, so hieß es in allen Medien. Dazu sollen 20 „freiwillige Helfer“ gestoßen sein. In der FAZ war von Helden unter Beschuss von Gammastrahlen die Rede, die Bild tippte das natürlich und titelte: 50 Helden auf Himmelfahrtskommando.

Der ARD-Korrespondent in Japan, Robert Hetkämper, ist hingegen der Überzeugung, dass hier Menschen verheizt werden. Für gefährliche Arbeiten würden von Tepco gerne Obdachlose, Gastarbeiter, Arbeitslose und sogar Minderjährige ausgebeutet werden. Sie würden als „Wegwerfarbeiter“ bezeichnet, weil sie, wenn sie zu stark radioaktiv belastet sind, entlassen würden. Hetkämper habe mit einem Arzt gesprochen, der dies bestätigt habe. Diese „grausame Geschichte“ passiere nicht nur jetzt, sondern schon seit Jahrzehnten. Und sie erinnert, wie die WDR-Kommentatorin sagt, an die Hunderttausende von Liquidatoren, die in der Sowjetunion für den Bau des Sarkophags um den Tschernobyl-Reaktor eingesetzt und geopfert wurden.

 

Quellen (inkl. der in Fußnoten genannten Quellen):

https://www.heise.de/tp/blogs/2/149483

https://www.wdr.de/mediathek/html/regional/rueckschau/2011/03/17/aktuelle_stunde.xml?noscript=true&offset=991&autoPlay=true&#flashPlayer

https://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/liveticker-japan/


[1] https://www.heise.de/tp/blogs/2/149483