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Hintergründe Störfälle

Atomunfälle, weltweit

Auszug aus der Chronik der weltweiten Anti Atom Bewegung von Dieter Kaufmann, Mitglied im Arbeitskreis gegen Atomanlagen Frankfurt am Main. Stand 21.04.2011
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12.12.1952 Kanada/Provinz Ontario/Chalk River: Die erste größere Reaktorkatastrophe der Welt. Rund 4,5 Millionen Liter Wasser, die etwa 10.000 Curie an radioaktiven Spaltprodukten enthalten, treten aus. In einem AKW im kanadischen Chalk River bei Ottawa kommt es zu einer schweren Explosion. Durch Fehleinschätzungen und falsche Messdaten kommt es zur teilweisen Kernschmelze in den Chalk River Laboratories. Eine Knallgasexplosion hebt eine vier Tonnen schwere Kuppel über den Reaktor hoch, große Mengen an Spaltprodukten gelangen in die Atmosphäre. Verseuchtes Wasser aus dem Reaktorsumpf wird später in eine Sickergrube gepumpt, es droht kurzfristig die Kontaminierung des nicht weit gelegenen Flusses Ottawa. Der Reaktorkern wird vergraben. (Der Montag, der die Welt veränderte von Claus Biegert 1996, Netzeitung, 09.08.2006. Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011, Seite 4)

29.09.1957 UdSSR/Ural/Majak/Kyschtym/Tscheljabinsk: Eine von vielen geheimen Städten, die für das Atomwaffenprogramm arbeiten. Schwerer Atomunfall in der Plutoniumfabrik; ein Behälter mit 80 Tonnen hochradioaktiven Abfällen -flüssige Rückstände der Plutoniumbombenproduktion – explodiert, auf einer Fläche von 23.000 Quadratkilometern auf der rund 272.000 Menschen leben, ging vorwiegend Strontium 90 nieder im Ausmaße des Supergaus in Tschernobyl von 1986. So begannen durch die radioaktive Hitze die flüssigen Abfälle zu trocknen und es sammelten sich Acetate sowie hochexplosive Nitratsalze – ähnlich denjenigen, die auch in Sprengstoffen verwendet werden – an der inneren Wandung des Tanks. Vermutlich durch einen Funken, den ein Kontrollgerät im Tank erzeugte, wurden dann im September 1957 die Salze zur Explosion gebracht. Die Detonation war so gewaltig, dass Trümmerstücke noch in über zwei Kilometer Entfernung gefunden wurden. Experten vergleichen sie mit der Kraft von 70 bis 100 Tonnen TNT. Dabei wurden große Mengen an radioaktivem Material, zumeist Strontium-90 und Caesium-137 – ganz ähnlich wie in Tschernobyl – in die Umwelt freigesetzt. Eintausend Menschen sterben. 120 Quadratkilometer sind bis heute gesperrt, die Umgebung ist mit 3.700 Becquerel pro Quadratmeter belastet. Der bis heute zweitgrößte Atomunfall wurde bis zum Ende der Sowjetunion geheim gehalten. (Der Tschernobyl Schock, 1996, FR 24.06.1997 und 01.10.1999, Wissenschaft und Technik vom 26.02.2006. Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011, Seite 4)

10.10.1957 England/Windscale: Ein schwerer Brand im luftgekühlten Gas-Graphitblock- Reaktor Pile No. 1 entsteht zuerst unbemerkt vom Leitstand. Der Versuch den Kern mit Luft herunterzukühlen beschleunigt den Brand noch. Radioaktivität gelangt ungehindert durch die Abluftkamine nach außen. Als letzter Versuch wird der Atomreaktor mit Wasser geflutet. Der beim Löschen entstehendem Dampf setzten weitere Mengen an Radioaktivität frei. (Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011, Seite 4) Der Brand konnte erst nach drei Tagen gelöscht werden. Es ziehen radioaktive Wolken über Europa. 500 Quadratkilometer wurden vor Ort verseucht. Dieser Unfall wurde 30 Jahre von den demokratischen Regierungen in London geheimgehalten. Die Öffentlichkeit erfuhr erst Ende 1987 von dem gesamten Ausmaß der atomaren Katastrophe. Nach offiziellen Angaben gab 35 Tote und mehr als 200 Fälle von Schilddrüsenkrebs. Es kann aber davon ausgegangen werden, das die tatsächlichen Zahlen weitaus höher liegen. Die Verseuchung durch die Radioaktivität in Europa war größer als der Unfall von Tschernobyl. Später wurde Windscale in den heutigen Namen Sellafield geändert. Bis zu 1000 Tote soll es bei dem Atomunfall gegeben haben. (Der Montag, der die Welt veränderte von Claus Biegert 1996 und FR, Ende 1987, Merkur online, 15.06.2007)

26.06.1959 USA/Kalifornien: Im Santa Susana Field Laboratory kommt es in einem Schnellen Brüter zu einer teilweisen Kernschmelze. Grund: verstopfte Kühlleitungen. Obwohl die Spaltprodukte weitgehend abgefiltert werden können, gelangen radioaktive Gase in die Umwelt. Der atomare Unfall wird von den US-Behörden lange geheim gehalten. (Das Parlament, Nr. 12, 21.03.12011, Seite 4)

22.01.1969 Schweiz/Lucens: Beim Versagen des Kühlsystems eines unterirdischen Versuchsreaktors in Lucens kommt es zu einer partiellen Kernschmelze. Das Kühlmittel Kohlendioxid und das als Moderator eingesetzte schwere Wasser treten aus, größere Menge Strahlung gelangen in die Felskaverne. Die stark kontaminierten Trümmer können erst Jahre später aus dem Stollen geräumt werden. (Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011, Seite  4)

28.03.1979 USA/Harrisburg: Schwerer Unfall im AKW „Three Mile Island“, der Reaktor ist außer Kontrolle geraten und für mehrere Wochen droht sowohl ein Schmelzen der Brennstäbe als auch eine Explosion des Atomkraftwerkes. Die Folgen sind bis heute nicht abzusehen. Rund 140.000 Menschen flüchteten damals aus der Region um Harrisburg. Es kommt zum Ausfall der Atomreaktorkühlung und zu einer teilweisen Schmelze des Atomkerns. Der Leitstand ist nicht zu jedem Zeitpunkt über die Vorgänge im Atomreaktor und Kühlsystemen im Bilde, Messsonden und Ventile versagen. Radioaktiver Dampf tritt aus, zum Teil gelangt kontaminiertes Gas nach dem Unfall durch kontrolliertes ablassen in die Atmosphäre. (Anti AKW Kalender 1981. Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011)

26.04.1986 UdSSR/Tschernobyl: Um 0.23 Uhr Ortszeit explodiert der vierte Reaktorblock des Atomkraftwerkes von Tschernobyl. (umweltschwung osteuropa 1997)

28.04.1986 UdSSR/Tschernobyl: Es kommen die ersten Nachrichten über den Ticker, dass in Skandinavien hohe radioaktive Strahlungen gemessen wurden. Die nicht aus dem örtlichen AKW stammen konnten. Die TASS gab um 19 Uhr Ortszeit Moskau bekannt gegeben, dass sich im AKW Tschernobyl (Reaktortyp RBMK-Reaktor Bolschoi Moschtnasti Kipjaschtschij) ein Unglück am 26.4.1986 ereignet hat. Supergau in Tschernobyl? Wo liegt der AKW Standort? Nie gehört! Durch das Zusammenspiel von Konstruktionsmängeln und Fehleinschätzungen im Kontrollraum bei einem Experiment kommt es zur Kernschmelze. Der 1.000 Tonnen schwere Reaktordeckel wird in die Luft geschleudert. Das radioaktive Material wird sehr hoch in Atmosphäre transportiert, verteilt sich über ganz Europa und wird durch den Regen in den Boden eingetragen. Es kommt zum bisher größte Supergau in der Geschichte der Menschheit, der nie zu Ende sein wird. Auch nach 25 Jahren ist Tschernobyl gefährlich. (Eigener Bericht. Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011)

11.03.2011 Japan/Ostküste/Fukushima: Ein schweres Erdbeben löst einen Tsunami aus. Alle Atomanlagen an der Ostküste sind betroffen und schalten sich ab. Wie viele Menschen umkamen ist zunächst unklar. Massive Schäden an der Infrastruktur. Es begann im japanischen AKW Fukushima eine Reaktorkatastrophe dramatischen Ausmaßes. Hunderttausende reagierten in den folgenden Tagen und Wochen mit Entsetzen und Trauer – und mit der entschlossenen Forderung nach der endgültigen Stilllegung der AKW in Deutschland und anderswo. (ausgestrahlt) Es kam zu einer Serie von Unfällen am AKW Standort Fukushima mit sechs AKW Blöcken. Explosionen beschädigen die Reaktorgebäude. Im Reaktorgebäude brechen Brände aus. Die japanische Regierung ruft den nuklearen Notstand aus und evakuiert die Bevölkerung im Umkreis von 30 Kilometer. Die Kettenreaktion wird versucht aufzuhalten. Der Vorgang ist noch nicht abgeschlossen. Die japanische Regierung stufte den Vorgang später auf 7 hoch, wie in Tschernobyl auch. Der Vorgang ist noch nicht abgeschlossen. Die japanische Regierung hofft es Ende 2011 in den Griff zu bekommen. (Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011, Seite 4. Eigener Bericht)

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Hintergründe Störfälle Unterschriftskampagnen gegen Atomenergie

jap. Petition gegen Grenzwerterhöhung für Kinder

Petition

Stichtag für die Petition ist Samstag, 30. April, und zwar 16 Uhr MESZ! Am Montag, 2. Mai, treffen sich in Japan VertreterInnen der Zivilgesellschaft mit der Regierung und übergeben die gesammelten Unterschriften. Die Petition kann online unterzeichnet werden.

Petition (hier die englische Version)

[Dringliche Erklärung und Forderungen]
Wir fordern dringlich die Rücknahme der unmenschlichen Entscheidung der japanischen Regierung, Kinder einer Strahlenbelastung von bis zu 20 mSv/a auszusetzen.
Am 19. April 2011 teilte das Ministerium für Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technology (MEXT) dem Bildungsausschuss und weiteren Institutionen der Präfektur Fukushima mit, dass die Strahlenschutznorm
für Schulen in der Präfektur Fukushima auf 20 Millisievert pro Jahr (mSv/a) festgesetzt wurde. Dieser Grenzwert ist für Schulgelände und -gebäude gültig. Die Regierung wies darauf hin, dass 20 mSv/a einer Strahlenbelastung von 3,8 Mikrosievert pro Stunde (3,8 µSv/h) im Freien entspricht.
3,8 µSv entspricht in etwa dem sechsfachen Wert für „Strahlenüberwachte Gebiete“, der bei 0,6 µSv/h oder mehr liegt. Das Arbeitssicherheitsgesetz verbietet unter 18-Jährigen, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. Kinder solchen Strahlendosen auszusetzen ist eine höchst unmenschliche Entscheidung, die wir mit Nachdruck verurteilen. 20 mSv/a ist vergleichbar mit der [juristisch] anerkannten Dosis, ab der Beschäftigte in Atomkraftwerken Leukämie entwickeln. Der Wert entspricht auch der maximalen Dosis, die in Deutschland für Mitarbeiter von Atomkraftwerken als Grenzwert festgelegt ist. Der Grenzwert von 20 mSv/a berücksichtigt weder, dass Kinder strahlensensibler sind als Erwachsene, noch die Belastung durch inkorporierte Strahlung.
Bei Strahlenmessungen, die an Grund- und Mittelschulen in der Präfektur Fukushima durchgeführt wurden, weisen momentan mehr als 75% der Schulen Strahlenwerte von „Strahlenüberwachten Gebieten“ auf (0,6 µSv/h oder mehr). Außerdem fallen etwa 20% der Schulen in die Kategorie „Gebiete mit Strahlenüberwachten Personen“ (2,3 µSv/h oder mehr) und befinden sich in einer äußerst gefährlichen Situation.
Der Wert, den die japanische Regierung jetzt festgelegt hat, zwingt den Kindern diese äußerst gefährliche Situation auf und kann Maßnahmen zur Verringerung der Strahlenbelastung behindern, die die Schulen auf eigene
Initiative ergreifen.
MEXT teilt mit, dass 20 mSv/a der Empfehlung der Internationalen Strahlenschutzkommission (International Commission on Radiological Protection, ICRP) in deren Publikation 109 [„Application of the Commission’s Recommendations for the Protection of People in Emergency Exposure Situations“] entsprechen sowie den Referenzwerten [Störfallplanwerten] im Bereich von 1 bis 20 mSv/a, die die ICRP in ihrer Mitteilung vom 21. März 2011 [„Fukushima Nuclear Power Plant Accident“] empfiehlt. Das bedeutet, dass MEXT sich am obersten Grenzwert orientiert hat.
Bis zum 21. April hat die japanische Regierung keine relevanten Informationen freigegeben, wie es zur Entscheidung über diese Grenzwerte kam. Überdies hat die Regierung auch nicht erklärt, warum weder die höhere Strahlensensibilität von Kindern noch inkorporierte Strahlung berücksichtigt wurden. Der Verlauf der Besprechung zwischen MEXT und der Nuklearen Sicherheitskommission (Nuclear Safety Commission, NSC) wurden
nicht offen gelegt und die Lage bleibt reichlich undurchsichtig.
Wir fordern von der japanischen Regierung folgendes:
– Rücknahme der Norm „20 mSv/a“ für Kinder.
– Offenlegung der Namen der Experten, die 20 mSv/a für Kinder für sicher
halten.

Anmerkung:
Bei der Verhandlung, die die Regierung am 21. April hielt, wurde offensichtlich, dass die Nukleare Sicherheitskommission (NSC) den Grenzwert von 20 mSv/a für Kinder ohne vorherige formale Konsultation
als „zulässig“ einstufte. Außerdem teilte die Kommission am 22. April dem Büro der japanischen Parlamentsabgeordneten Mizuho Fukushima mit, dass für die Beratungen der fünf Mitglieder der Nuklearen Sicherheitskommission, die in der Norm „20 mSv/a“ mündeten, kein Protokoll erstellt wurde.

Literaturhinweis:
SPIEGEL vom 21.4.2011, „Japan legt hohe Strahlengrenzwerte für Kinder
fest“ (https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,758410,00.html),
dort Zitate von Experten und Vergleich mit Grenzwerten für deutsche
AKW-Mitarbeiter.
Edmund Lengfelder vom Otto Hug Strahleninstitut: „Man nimmt damit ganz
bewusst zusätzliche Krebsfälle in Kauf. Durch den Grenzwert ist die
Regierung juristisch aus dem Schneider – moralisch aber nicht.“

Diese Petition wird organisiert von:
Green Action, Greenpeace Japan, Citizens‘ Nuclear Information Center, Citizens Against Fukushima Aging Nuclear Power Plants (Fukuro-no-Kai), Osaka Citizens Against the Mihama, Oi, and Takahama Nuclear Power Plants
(Mihama-no-Kai), Friends of the Earth Japan
Weitere Informationen bei:
Green Action
Suite 103, 22-75 Tanaka Sekiden-cho
Sakyo-ku, Kyoto 606-8203 Japan
Tel: +81-75-701-7223
info@greenaction-japan.org

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Hintergründe Laufzeitverlängerung

AKW-Betrieb verfassungswidrig?

Pressemitteilung vom 17.03.2011

Zu der aktuellen Debatte um das deutsche Atom-Moratorium und die künftige Energiepolitik erklärt Netzwerkmitglied Felix Ekardt, Professor für Umweltrecht an der Uni Rostock und Leiter der Forschungsgruppe Nachhaltigkeit und Klimapolitik:

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(1) Ein deutsches „Moratorium für die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken“ ist ohne eine Gesetzesänderung nicht möglich. Sehr wohl ohne Gesetzesänderung möglich ist entgegen vieler Stimmen allerdings ein dreimonatiges Abschalten einiger Atomkraftwerke. § 17 und § 19 Abs. 3 Nr. 3 Atomgesetz erlauben genau dies: Denn die Normen sind darauf ausgelegt, einen erweiterten Kenntnisstand zu möglichen Gefahren zu berücksichtigen. Die Möglichkeit einer solchen Berücksichtigung hat auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) seit dem Kalkar-Urteil stets verlangt. Das Atomgesetz ist im Lichte dieser Rechtsprechung verfassungskonform auszulegen.

(2) Die aktuelle Debatte lenkt jedoch vom eigentlichen Verfassungsproblem ab. Selbst wenn man die relativ atomfreundliche Verfassungsinterpretation des BVerfG zugrunde legt, ist die Atomkraft spätestens seit den Erkenntnissen aus Japan verfassungswidrig. Das BVerfG hat seit dem Kalkar-Urteil 1978 stets betont, dass die Atomenergie nur „derzeit“ noch verfassungskonform sei, da ihr Gefährdungspotenzial bisher nur theoretische Vorstellung sei. Dies hat sich jetzt ersichtlich geändert, da man bei den japanischen Erfahrungen mit den Folgen stromausfallbedingt ausfallender Kühlsysteme nicht (wie  bei Tschernobyl) sagen kann, derartiges könne in Deutschland nicht vorkommen. Vor diesem Hintergrund ist auch ein endgültiger Widerruf der Kraftwerksgenehmigungen nach § 17 Atomgesetz möglich. Ferner muss der Gesetzgeber einen zügigen Atomausstieg beschließen.

(3) Die Debatte um die künftige Energiepolitik ohne Atomenergie braucht keinen Aktionismus, sondern eine konsequente Umsetzung bisheriger Erkenntnisse. Mehr erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz allein genügen voraussichtlich nicht; es muss auch die absolute Energieverbrauchsmenge reduziert werden(Suffizienz), erst recht aus klimapolitischen Gründen. Die wirksamsten Instrumente dafür sind die Streichung schädlicher Subventionen und die Anhebung der Energiepreise über eine einschneidende Reform von Energieabgaben und EU-Emissionshandel, ergänzt durch eine reformierte Erneuerbare-Energien-Einspeisevergütungen. Auf Dauer ist dies bei weitem billiger und risikoärmer als der bisherige energiepolitische Weg. Dagegen ist die in der EU und Deutschland bisher praktizierte Konzentration auf eine Vielzahl kleiner energiepolitischer Maßnahmen oft wirkungslos, wenn nicht sogar kontraproduktiv.


Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A.
Ostseeinstitut für Seerecht, Umweltrecht und Infrastrukturrecht
Juristische Fakultät/ Universität Rostock
Richard-Wagner-Straße 31
D-18119 Rostock
Tel.+Fax +49-341-9260883

BRIEFPOSTADRESSE und Leipziger Büro:
Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A.
Forschungsgruppe Nachhaltigkeit und Klimapolitik
Könneritzstraße 41
D-04229 Leipzig
Tel.+Fax +49-341-9260883

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Hintergründe Störfälle

Update 29. / 30.03.2011

Das Chaos nimmt weiter zu, die Versuche, die Katastrophe in Griff zu bekommen werden immer hilfloser … „Abdecken mit Folie“[1] oder „Besprühen mit Kunstharz“ oder „Verbringungen des radioaktiven Wassers per Tankschiffen auf hohe See“[2] werden offenbar ernsthaft diskutiert, als könne dies auch nur irgendwas an grundlegender Besserung oder Verhinderung der finalen Katastrophe bewirken. Eine Ausweitung der Evakuierung auf 40 km[3] ist da schon seriöser, aber da sperrt sich offenbar immer noch die Regierung. Selbst die jetzige 20 km-Zone wird offenbar nicht ernsthaft durchgesetzt, mit dem Ergebnis, dass die verbliebenen AnwohnerInnen mit ernsthaften Gesundheitsschäden rechnen müssen aufgrund der Strahlenbelastung.

Zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre, sind die Meldungen der JAIF (und die Übersetzung durch GRS) über den Zustand der Reaktoren:

 

Block  1  2  3 
Druck / Temperatur im Reaktordruck-behälter   schrittweise steigend / leicht gesunken nach Anstieg über 400°C am 24.03.   unbekannt / stabil   unbekannt  

Die GRS meldet um 09:00 Uhr (MESZ), abgerufen um 24:00 Uhr

Zustand Sicherheitsbehälter
unbeschädigt
Schaden und Leck vermutet
unbeschädigt
 

In der JAIF-Tabelle geht es um 21:00 Uhr (Ortszeit) ehrlicher zu (estimation = Schätzung, Vermutung):

 

Containment Vessel Integrity   Not Damaged (estimation)  Damage and Leakage Suspected  Not damaged (estimation) 

Immerhin wird die Beschädigung des Reaktordruckbehälters mittlerweile zugegeben …

Auf Deutsch: „Wir wissen zwar nicht, was im Reaktordruckbehälter 2 abgeht, aber stabil ist es …“ (es fehlt wohl das „hoffentlich“?)

Das Wirrwarr über die um das 10-millionenfache oder „nur“ 100.000-fache gestiegene Radioaktivität am Wochenende klärt sich etwas. Hintergrund waren offenkundig unterschiedliche Bezugswerte, einmal das normale Leitungswasser (hoher Wert), zum andern das ohnehin auch schon im Normalbetrieb belastete Kühlwasser.[4] Was so ganz nebenbei die Information liefert, dass das Kühlwasser im Fukushima „normalerweise“ mit einer 100-fachen Radioaktivität belastet wird …

Die mehrfach heiß diskutierten einer „geordneten Entsorgung“ des radioaktiv stark belasteten Kühlwassers (vom Besprühen der Abklingbecken und Reaktoren) wird ad absurdum geführt mit einer Meldung im Kleingedruckten in der SZ vom 28.3.20111 (Verseuchtes Wasser im Kraftwerk, Angst in der Luft): „Seit rund zehn Tagen pumpen die Techniker Tausende Tonnen in die zum Teil aufgerissenen Reaktorgebäude, offenbar ohne sich darum zu Kümmern, wohin das viele Wasser letztlich fließt.

 

Reaktordruckbehälter in Block 2 und 3 defekt

(BMU) 30.03.2011: Anhand der niedrigen Druckwerte in Block 2 und 3 schlussfolgert die NISA auf einer Pressekonferenz, dass die Reaktordruckbehälter defekt sein könnten. Es wird jedoch ausgeschlossen, dass größere Schäden am Reaktordruckbehälter aufgetreten sind.[5]

 

Tepco baut AKWs in der Türkei

(Tagesthemen, 30.03.2011, 22:46) Bei Mersin, in einem hochgradig erdbeben-gefährdeten Gebiet soll ein russisches AKW gebaut werden. Insgesamt sollen hier vier Rektoren gebaut werden. An der ebenfalls erdbeben-gefährdete Schwarzmeerküste sollen ebenfalls mehrere Reaktoren gebaut werden, hier soll ausgerechnet Tepco die Anlagen erstellen.

IAEA rät zu weiteren Evakuierungen

(Tagesschau) 30.03.2011: Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) rät Japan zur weiteren Evakuierung eines Ortes in der Nähe des zerstörten Atomkraftwerks Fukushima. In dem 7000-Einwohner-Ort Iitate hätten Teams der Atombehörde die höchsten Strahlungswerte gemessen, sagte der IAEA-Experte für nukleare Sicherheit, Denis Flory. „Eine erste Beurteilung deutet darauf hin, dass eine der IAEA-Kriterien für die Evakuierung überschritten wurde.“ Man habe Japan geraten, sich die Situation dort genau anzusehen, sagte Flory. Iitate liegt etwa 40 Kilometer nordwestlich von den Unglücksreaktoren entfernt.

(Spon) 30.03.2011:  Unterdessen hat die Umweltorganisation Greenpeace ebenfalls Messungen vor Ort durchgeführt: In dem 7000-Einwohner-Ort Iitate, 40 Kilometer nordwestlich des Kraftwerks, gab es demnach eine Strahlenbelastung von bis zu zehn Mikrosievert in der Stunde. Um Tsushima seien sogar 100 Mikrosievert pro Stunde gemessen worden. Das teilte die Organisation am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Tokio mit. Zum Vergleich: 2,1 Millisievert – also 2100 Mikrosievert – im ganzen Jahr ist jeder Mensch in Deutschland durchschnittlich ausgesetzt.

Wind dreht auf Tokio

(FTD) 30.03.2011: Der Wind drehte am Mittwoch in Richtung Tokio. Mit ihm könnten radioaktive Partikel den Ballungsraum mit 35 Millionen Bewohnern für einige Stunden erreichen.

Rauch über dem AKW Fukushima II (Daini)

(MoPo) Am eigentlich stabilen Kernkraftwerk Fukushima II ist am Mittwoch etwa eine Stunde lang Rauch aufgestiegen. Das meldete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf die Betreiberfirma Tepco. Der Rauch kam laut Tepco von einer Stromverteiler-Einheit in einem Turbinenraum im ersten Stock. Er sei dann wieder verschwunden. Genaue Angaben zur Ursache des Rauchs gab es zunächst nicht.

Tepco gerät außer Kontrolle

(FTD) Dem Betreiber des außer Kontrolle geratenen Atomkraftwerks in Japan droht das außerordentlich schwierige Krisenmanagement vollends zu entgleiten. Tokyo Electric Power (Tepco) bekommt die technischen Probleme der verheerenden Katastrophe nicht in den Griff. Management und Finanzkraft des Konzerns sind bereits jetzt vollkommen überstrapaziert: Die vor wenigen Tagen gewährten Notkredite in Milliardenhöhe reichen nicht aus, teilte Tepco am Mittwoch mit. Zudem musste die Konzernführung umorganisiert werden, da Präsident Masataka Shimizu krankheitsbedingt ausfällt. …
Das Management ist zunehmend handlungsunfähig. Die umgerechnet gut 17 Mrd. Euro Notkredit, die japanischen Banken gerade gewährt haben, reichten nicht aus, um den Firmenbetrieb und alle sonstigen Kosten finanzieren zu können, räumte Tepco am Mittwoch ein. Wie groß der weitere Finanzbedarf sein wird, bleibt unklar. Der mit einem Umsatz von 38,3 Mrd. Euro sechstgrößte Energieversorger der Welt war bereits vor dem Atom-GAU hoch verschuldet. …
Das Ausmaß der Schäden ist immens: Vier der sechs Reaktoren in Fukushima werden endgültig stillgelegt und verschrottet. Um die ausgefallene Energiekapazität künftig wettzumachen muss Tepco nach Analystenschätzung monatlich mehr als 1 Mio. Dollar aufwenden. Über die verbleibenden Reaktoren soll nach Gesprächen mit Regierung und Anwohnern entschieden werden. Zudem drohen hohe Kosten für Reparaturen, Entschädigungen, Kraftwerksneubauten und mögliche Klagen. Im Umkreis des Atomkraftwerks Fukushima mussten bislang 70.000 Menschen evakuiert werden.

 

Plutonium im Boden um Atomkraftwerk Fukushima

(Spon) 29.03.2011: Tokio – Mehr als zwei Wochen nach der ersten Explosion im Atomkraftwerk Fukushima I hat der Betreiber die Situation immer noch nicht unter Kontrolle. Aus dem beschädigten japanischen Atomkraftwerk tritt offenbar weiterhin hochgiftiges Plutonium aus. Das Schwermetall sickere ins Erdreich ein, hieß es am Dienstag aus Behördenkreisen. Nach Angaben der Betreibergesellschaft Tepco wurde an mehreren Stellen außerhalb des Meilers Plutonium entdeckt.
Es gebe Hinweise darauf, dass die Radioaktivität von beschädigten Brennstäben stamme, sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Dienstag. „Die Situation ist sehr ernst“, so Edano. „Wir tun unser Möglichstes, um den Schaden zu begrenzen.“
Es sei bedauerlich, dass es nicht gelungen sei, einen Austritt radioaktiver Substanzen aus dem Kraftwerk zu verhindern, sagte Hidehiko Nishiyama, ein Sprecher der Atomsicherheitsbehörde. Am Montag war erstmals gemeldet worden, dass im Boden um das Kraftwerk hochgiftiges Plutonium entdeckt worden sei. Die Dosierung war nach Angaben von Tepco für Menschen nicht gefährlich.

 

Info Plutonium
Plutonium (Pu) ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 94 (Nuklide 238, 239, 240, 241, 242, 244) und gehört zu den Schwermetallen wie Blei oder Quecksilber. Daher ist es für den menschlichen Körper auch ähnlich giftig wie diese Schwermetalle. Plutonium ist zusätzlich radioaktiv, das heißt die verschiedenen Nuklide (238, 240 und so weiter) zerfallen unter Aussendung von Strahlung. Die Halbwertszeit der Plutoniumnuklide ist relativ groß, zum Beispiel bei Plutonium-239 dauert es 24.110 Jahre bis die Hälfte der vorhandenen Atomkerne zerfallen ist. Beim radioaktiven Zerfall werden hauptsächlich Alphateilchen und mit wesentlich geringerer Intensität Gammastrahlung freigesetzt.
(mehr … / Quelle: https://www.bfs.de/ion/wirkungen/plutonium.html )

 

Regierung erwägt Verstaatlichung von Tepco

(Spon) Täglich meldet Tepco neue Hiobsbotschaften aus dem Kraftwerk an der Nordostküste des Landes. Nun erwägt die Regierung offenbar eine Verstaatlichung der Betreibergesellschaft. Das sei eine Option, sagte der Minister für die nationale Politik, Koichiro Gemba, laut der Nachrichtenagentur Kyodo am Dienstag. Auch die japanische Tageszeitung „Yomiuri“ berichtete unter Berufung auf Regierungskreise von derartigen Überlegungen. Die Regierung könnte die Mehrheit übernehmen und in das Management des Stromkonzerns eingreifen.

 

EU erhöht Grenzwerte für radioaktive Belastung von Lebensmitteln
+++ Umweltinstitut fordert Einfuhrverbot[6]

EU gestattet Einfuhr radioaktiv belasteter Lebensmittel aus Japan. Um das sicherzustellen, hat die EU Kommission die Katastrophengrenzwerte für Lebensmittel in Kraft gesetzt. Das heißt, dass Nahrungsmittel jetzt deutlich höher radioaktiv belastet sein dürfen als im Normalfall. Die Grenzwerte für Cäsium wurden zum Teil verdoppelt, für Lebensmittel wie Fischöl und Gewürze sogar verzwanzigfacht.

Ursprünglich waren diese Grenzwerte nach der Tschernobyl-Katastrophe eingeführt worden, um die Ernährung der Bevölkerung trotz eines Super-GAUs sicher zu stellen. Von einem Ernährungsnotstand kann bei einem Lebensmittelimportanteil aus Japan von unter 0,05 Prozent jedoch kaum eine Rede sein. Das Umweltinstitut München fordert die Bundesregierung deshalb auf, diese Grenzwerterhöhung unverzüglich zu revidieren und stattdessen ein sofortiges Einfuhrverbot von Lebensmitteln aus Japan zu erlassen!

Grenzwerte für nuklearen Unfall in Kraft gesetzt

In der EU gilt für die Cäsium-Gesamtaktivität in Milch, Milchprodukten und Säuglingsnahrung ein Grenzwert von 370 Bq/kg. Alle anderen Lebensmittel dürfen einen Wert von 600 Bq/kg nicht überschreiten. Diese nach Tschernobyl deutlich erhöhten „Normalwerte“ (z.B. lag Milch zuvor bei 50 Bq/L)  können allerdings laut Europarat im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation durch höhere Radioaktivitätsgrenzwerte für Nahrungsmittel und Futtermittel ersetzt werden (siehe Verordnung Euratom[7]). Diese Regelung sollte die Ernährung der Bevölkerung im Falle eines Supergaus sicherstellen.

Tabelle: Höchstwerte für Nahrungsmittel im Falle eines nuklearen Unfalls (in Bq/kg)

Nahrungs-
mittel für Säuglinge
Milch-
produkte
Andere Nahrungs-
mittel
Nahrungs-
mittel geringerer Bedeutung
Flüssig-
nahrungs-
mittel
Strontiumisotope
(bes. sr-90)
75 125 750 7500 125
Jodisotopge
(bes. J-131)
150 500 2000 20.000 500
Alphateilchen emittierende Plutoniumisoptope
u. Transplutonium-elemente

(bes. Pu-239, Am-241)
1 20 80 800 20
Alle übrigen Nuklide mit Halbwertzeit > 10 Tagen (bes. Cs-134, Cs-137 ohne C-14, H-3) 400 1000 1250 12.500 1000

 

Höhere Grenzwerte für Lebensmittel aus Japan

In ihrer Verordnung vom 25. März 2011[8](siehe Seite 2) legte die EU-Kommission nun fest, dass Nahrungsmittel auch aus radioaktiv belasteten Präfekturen Japans eingeführt werden dürfen. Diese Lebens- und Futtermittel müssen dabei nicht die üblichen Grenzwerte einhalten, sondern nur noch die Höchstwerte, die für den nuklearen Notstand festgelegt wurden.

Dieses Vorgehen ist absurd. Denn von einem Ernährungsnotstand kann bei einem Lebensmittelimportanteil von 0,05 Prozent aus Japan wohl kaum die Rede sein. Die EU-Kommission nimmt also völlig unnötig eine gesundheitsgefährdende radioaktive Belastung ihrer Bevölkerung in Kauf. Statt die Verbraucher zu schützen, werden diese bewusst gefährdet. Darüber hinaus muss lediglich die Einhaltung der Grenzwerte für Jod 131, Cäsium 134 und Cäsium 137 bescheinigt werden. Strontium und Plutonium werden in der aktuellen Verordnung nicht erwähnt.

Das Umweltinstitut München und andere unabhängige Experten empfehlen seit Langem strengere Grenzwerte: 30 bis 50 Bq/kg bei Nahrung für Erwachsene und 10 bis 20 Bq/kg für Kinder, Stillende und Schwangere. Babynahrung sollte 5 Bq/kg nicht überschreiten. Die aufgenommene Strahlung sollte soweit möglich minimiert werden. Pressemitteilung des Umweltinstitut München und Foodwatch.

Quellen:

https://www.tagesschau.de/ausland/fukushima362.html

https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Plutonium-im-Boden-Radioaktivitaet-in-Seoul-und-den-USA-id14487116.html

https://www.mopo.de/news/panorama/japan/katastrophen-akw-soll-mit-planen-abgedeckt-werden/-/8235776/8284086/-/index.html

https://www.ftd.de/politik/international/:fukushima-tepco-geraet-ausser-kontrolle/60033031.html

https://www.grs.de/sites/default/files/Status%20KKW%20Fukushima%20Daiichi%20Uhr%20am%2030-03-2011_0900.pdf

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/atomarer_notstand_in_japan_teil_2/

https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,753592,00.html

https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,753933,00.html

Süddeutsche Zeitung vom 30.3. (Rätselhaftes Plutonium),

Süddeutsche Zeitung vom 28.3.20111 (Verseuchtes Wasser im Kraftwerk, Angst in der Luft)


[3] ebenda

[4] Süddeutsche Zeitung vom 30.3. (Rätselhaftes Plutonium)

[7] VO zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation
https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31987R3954:DE:HTML

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Hintergründe Störfälle

Update 28.03.2011, 15:30 Uhr

Regierung bestätigt: Kernschmelze in Reaktor 2

Die GRS meldet am 28.3. zu den Reaktordruckbehältern:

Zustand Sicherheitsbehälter unbeschädigt Schaden und Leck vermutet nicht beschädigt

Diese Einschätzung ist zumindest bzgl. auf Reaktor 3 nicht nachvollziehbar. Den gesamten Bericht finden Sie hier. Dabei im „Kleingedruckten“ u.a. die Meldung: „Nach Angaben von TEPCO wurde am 21.03.2011 Kobalt, Jod und Cäsium im Auslaufkanal der Blöcke 1 bis 4 detektiert“ die wiederum belegt, dass in allen vier Reaktoren (vermutlich in den Reaktordruckbehältern 1 bis 3 und im Abklingbecken 4) Brennstäbe offen liegen und Lecks vorhanden sind. Der unwissende Laie würde von „Kernschmelzen“ sprechen …

Für Block 2 wird gemeldet: „Eine Explosion im Block 2 ist am 15.03.2011 um 06:20 Uhr aufgetreten. Nach IAEA wurden auf dem Anlagengelände bis zu 400 mSv/h gemessen. JAIF berichtet von 30 mSv/h zwischen Block 2 und 3, 400 mSv/h neben Block 3 und 100 mSv/h neben Block 4. Nach Pressemeldungen geht man aufgrund eines Druckabfalls im Sicherheitsbehälter von einer Beschädigung der Kondensationskammer aus.“ Die hohen Radioaktivitätswerte lassen vermuten, dass bereits damals eine Kernschmelze lief und der Reaktordruckbehälter beschädigt wurde.

 

Kernschmelze bestätigt, die 2.

(MoPo) 28.03.2011: Dass, was viele bereits befürchtet haben, ist jetzt eingetreten: Im Reaktor 2 hat nach Einschätzung der japanischen Regierung vorübergehend eine Kernschmelze eingesetzt.
Das sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Montag. Die im dortigen Turbinengebäude im Wasser entdeckte hochgradige Radioaktivität sei auf die teilweise Kernschmelze zurückzuführen, sagte der Sprecher. Dort waren mehr als 1.000 Millisievert pro Stunde gemessen worden.

 

Radioaktives Wasser in allen 4 Reaktoren

(Spon) 28.03.2011: Zum ersten Mal wurde am Montag auch außerhalb des Gebäudes von Reaktor 2 stark radioaktives Wasser entdeckt. In mehreren Kontrollschächten eines unterirdischen Kanals, der aus dem Turbinengebäude des Reaktors hinausführt, habe sich verstrahltes Wasser angesammelt, teilte ein Tepco-Sprecher mit. Die Radioaktivität betrage 1000 Millisievert pro Stunde.
Die Kontrollschächte, in dem Kabel und Abwasserleitungen verlaufen, befinden sich demnach rund 60 Meter vom Meer entfernt. Möglicherweise sei auf diese Weise verseuchtes Wasser in den Ozean gelangt. Bereits am Sonntag war ähnlich stark radioaktiv verseuchtes Wasser im Untergeschoss des Turbinengebäudes entdeckt worden, insgesamt stand in vier Reaktoren radioaktives Wasser.

 

Doch „Weg-Werf-Helfer“?

(GP) 28. März 2011, 15:03 Uhr: Das Wall Street Journal hat E-Mails eines Angestellten im AKW Fukushima Daini vom 23. März veröffentlicht. Aus ihnen geht hervor, dass im AKW überwiegend Menschen aus der Umgebung arbeiten. Sie sind Opfer des Erdbebens und des Tsunamis, haben ihr Zuhause und Angehörige verloren und arbeiten seit Beginn der Katastrophe pausenlos, um die Reaktoren unter Kontrolle zu halten

Neues Strahlungsmaximum

(FTD) 28.03.2011, 14:46 Uhr: Die japanischen Behörden warnen vor einem Einsickern von Radioaktivität in den Erdboden. Arbeiter hätten radioaktives Wasser in den tiefen Gräben vor drei Blöcken entdeckt. Die Strahlung in der Luft vor Block 2 übersteige 1.000 Millisievert pro Stunde – mehr als das Vierfache dessen, was die Regierung für die Einsatzkräfte für sicher hält, teilte Tepco mit. Die Gräben dienen als Wege für Arbeiter, die dort Entwässerungsrohre oder Elektrokabel verlegen. Die fünf Arbeiter, die im Einsatz waren, wurden laut Tepco nicht verletzt.

 

Hohe Radioaktivität im Meer

(FTD, Tagesschau) 28.03.2011, 14:13 Uhr: Neue Messwerte legen nach Behördenangaben nahe, dass in Fukushima ausgetretenes hoch radioaktives Jod 131 viel weiter nach Norden ins Meer gelangt ist als zunächst angenommen. Die Kontamination erstreckt sich demnach etwa 1,6 Kilometer weiter nach Norden als zuvor. An der Küste vor den AKW-Blöcken 5 und 6 seien Werte von Jod 131 gemessen worden, die 1.150 mal höher als normal liegen, sagte Hidehiko Nishiyama von der NISA. Nach Angaben der Atomsicherheitsbehörde stammt das radioaktive Wasser vermutlich aus der Sicherheitshülle des Reaktors 2.

 

… und im Wasser

(GP) 28. März 2011, 13.05 Uhr: An der Atomruine in Fukushima tritt erneut stark erhöhte Radioaktivität auf. In einem Wassergraben am Reaktorblock 2 wurden Strahlenwerte von mehr als 1000 Millisievert pro Stunde gemessen. Das japanische Gesundheitsministerium hat Wasseraufbereitungsanlagen im ganzen Land angewiesen, kein Regenwasser mehr zu verwenden und Becken mit Plastikplanen abzudecken. Auch aus Flüssen darf kein Trinkwasser mehr entnommen werden. (n-tv)

 

Eine gute Darstellung zum Aufbau von Brennstäben findet sich hier

 

Quellen:

https://www.mopo.de/news/panorama/japan/regierung-bestaetigt–kernschmelze-in-reaktor-2/-/8235776/8274344/-/index.html

https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,753592,00.html

https://www.ftd.de/politik/international/:live-ticker-zur-katastrophe-in-japan-regierung-warnt-vor-radioaktiver-erde/60031641.html#gmap-0-Fukushima%20Daiichi%20%28Reaktor%201%29

https://www.tagesschau.de/ausland/fukushima332.html

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/atomarer_notstand_in_japan_teil_2/

https://www.grs.de/sites/default/files/Radiation-Data_20110328-1000-Daiichi.pdf

https://www.grs.de/aktuelles/radioaktive-stoffe-im-brennstab-und-gef%C3%A4hrdungspotenzial-von-strahlung

https://www.grs.de/informationen-zur-lage-den-japanischen-kernkraftwerken-fukushima-onagawa-und-tokai

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Hintergründe Störfälle Störfalle

Update 23.03.2011, 23:00

Update 23.03.2011, 23:00
Plutonium tritt vermutlich aus!

(Tagesthemen 23:00 Uhr) Der Brand am Reaktor 3 setzt offenbar auch Plutonium frei. Die Trinkwasserbelastung mit Iod und Cäsium in Tokio hat deutlich zugenommen. Angeblich sei das Wasser „nur“ für Säuglinge gefährlich.

 

Die Lage in Fukushima I

zeigt sich am Mittwoch, 23.3.2011, 21:00 Uhr wie folgt[1]:

Die Tabelle finden Sie hier

Tabelle wird bei Änderungen fortgeschrieben, die Informationen findet man
unter https://www.jaif.or.jp/english/.

Bewertung: Langsam wird zugegeben, wie schlimm es wirklich ist … Alle drei Reaktordruckbehälter (= Containments) sind beschädigt, es gibt keinerlei Information über sie bzgl. Wasserstand (vermutlich Null) und Druck (vermutlich hoch, immer noch steigend). Kernschmelzen laufen vermutlich in allen drei Reaktoren. Gelingt es nicht, die Reaktoren unter Kontrolle zu bekommen (m.E. besteht dazu keine Chance), so tritt in absehbarer Zeit (in den nächsten Tagen) eine Schmelze oder eine Explosion der Stahl-Druckbehälter ein. In beiden Fällen wird dann eine wesentlich größere Menge Radioaktivität freigesetzt werden, wobei eine Explosion verhängnisvoller wäre.


Vermutlich alle vier Abklingbecken sind beschädigt, in dem Block 4 hat es eine Wasserstoffexplosion gegeben. Dies legt nahe, dass auch hier eine zumindest teilweise Kernschmelze eingetreten ist. Die Kühlungen erfolgen nur durch Besprühen von außen.

Hohe Radioaktivität am AKW

Die selbe Quelle (https://www.jaif.or.jp/english/.) meldet Radioaktivitäts-Messwerte. Messwerte von 2 Millisievert pro Stunde am Atomkraftwerk sind mit Sicherheit nicht übertrieben.

Es handelt sich um Auskünfte des „Japan Atomic Industrial Forums“. Viele Zeitungen beziehen sich darauf, genauso wie das BMU. Spon meldete am 15.3. morgens 400 mSv/h in Fukushima I  (Zeitpunkt der Explosion und des Brandes an Block 4) und am 23. März 2011, 500 mSv Fukushima-Daiichi, an Reaktor 2 Kyodo News (zitiert nach: DER SPIEGEL)[3]

Das Japanische Gesundheitsministerium setzte die zulässige Gesamt-Äquivalentdosis für die im Kernkraftwerk tätigen Arbeiter von 100 auf 250 mSv/a herauf.[4] Bei zehn 12-Stunden-Schichten vor Ort treten erste Krankheitssymptome auf. Bei dieser Menge treten Veränderungen im Blutbild, eine Erkrankung an Leukämie droht.

Aus aktuellem Anlass soll nochmals auf den 16.03.2011 21:09 Uhr hingewiesen werden:

US-Regierung rät US-Bürgern im Umkreis von 80 KM um AKW Fukushima zur Evakuierung

Die US-Regierung rät US-Staatsbürgern, die sich im Umkreis von 80 Kilometern um das japanische Unglücks-Atomkraftwerk Fukushima befinden, das Gebiet zu verlassen. Zumindest sollten die Menschen in ihren Häusern bleiben. Die japanische Regierung hat dagegen zum Schutz vor radioaktiver Strahlung bisher nur Gebiete im Umkreis von 20 Kilometern evakuiert.[5]

Bewertung: Die Meldungen der letzten Tage zeigen, dass eine Evakuierung in dieser Zone sinnvoll wäre. Der einzige Grund, weshalb sie nicht durchgeführt liegt vermutlich in den wirtschaftlich verheerenden Folgen, es wäre ca. 1,9 Mio. Menschen – vermutlich dauerhaft oder zumindest für längere Zeit – zu evakuieren.

 

Zum Vergleich:

Die Anzahl der zu evakuierenden Personen bei einer schweren Störung im Kernkraftwerk Cattenom/Frankreich wie folgt:

Radius von 20 km:           9.386 Menschen in Deutschland,

Radius von 30 km:         58.881 Menschen in Deutschland,

Radius von 40 km:       173.182 Menschen in Deutschland,

Radius von 80 km:    1.363.169 Menschen in Deutschland.

(Dank an Stephanie Nabinger, LAG Ökologie Rheinland-Pfalz)


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Demonstration

Montags-Demos in RLP

An folgenden Orten finden am Montag nach unserem Kenntnisstand Veranstaltungen statt:

  • Bad Neuenahr, Treffpunkt: Platz an der Linde (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Bad Kreuznach, Treffpunkt: Am Netzwerk am Turm, Wassersümpfchen 23 (Beginn: 17:00 Uhr)
  • Betzdorf, Treffpunkt: Busbahnhof, Abschlusskundgebung an der Stadthalle (Beginn: 17:30 Uhr)
  • Bingen, Treffpunkt Speisemarkt (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Bitburg, Treffpunkt: Postplatz (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Frankenthal, Treffpunkt: Rathausplatz, (Beginn: 17:30 Uhr)
  • Ingelheim, Treffpunkt: Bahnhof (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Kaiserslautern, Treffpunkt: Stiftskirche (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Kastellaun, Treffpunkt: Marktplatz (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Koblenz, Treffpunkt: am MdB-Büro von Michael Fuchs, Bahnhofstr., Mahnwache auf dem Jesuitenplatz (Start: 17:30 Uhr)
  • Landau, Treffpunkt: Marktplatz (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Ludwighafen, Treffpunkt: Lichttor (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Mainz, Treffpunkt: Gutenbergplatz (Beginn:17:30 Uhr)
  • Montabaur, Treffpunkt: Konrad-Adenauer-Platz (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Neustadt, Treffpunkt: Marktplatz, Brunnen (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Simmern, Treffpunkt: Schlossplatz (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Speyer, Treffpunkt: Altpörtel (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Trier, Treffpunkt: Kornmarkt (Beginn: 18:00 Uhr)
  • Worms, Treffpunkt: Hauptbahnhof Osteingang (Beginn: 17:30 Uhr)
  • Zweibrücken, Treffpunkt: vor der Alten Feuerwache (Beginn: 17:30 Uhr)

In Hillesheim zeigt die Eifel Film Bühne, Aachenerstr. 15 an der B421, 54576 Hillesheim den Film „Yello Cake – Die Lüge von der sauberen Energie“ mit anschließender Diskussion, Beginn: 19 Uhr. Dabei werden Regisseur Joachim Tschirner sowie der Fachbuchauor Karl-Wilhelm Koch (Störfall Atomkraft) anwesend sein.

In Zweibrücken zeigen die GRÜNEN vor Ort den Film: „DIE 4. REVOLUTION – ENERGY AUTONOMY“ im GRÜNEN Fahrradkino. Der Film von Carl-A. Fechner zeigt, wie die Welt-Gemeinschaft ihre Energieversorgung komplett aus erneuerbaren Quellen decken kann – für jeden erreichbar, bezahlbar und sauber.
Beginn: 19.00 Uhr, Ort: „Erdgeschoss“ des Gasthauses Sutter (Pirmasenser Straße 114). Der Eintritt ist frei.

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Störfälle

Update 15.3.2011, 0:45 Uhr

Kommt jetzt die MEGA-Katastrophe?

ZDF: Wieder Explosion in Akw Fukushima

Drohende Kernschmelze in drei Reaktoren

Am Reaktor 2 der japanischen Atomanlage Fukushima I hat sich eine Explosion ereignet. Zuvor hatte ein Regierungssprecher bekannt gegeben, dass ein Teil des Schutzmantels des Reaktors beschädigt worden sei. Es ist die dritte Explosion in einem Akw.
Nach Informationen von ZDF-Korrespondent Johannes Hano soll es sich nicht um eine weitere Wasserstoffexplosion handeln, sondern um eine Explosion, die möglicherweise zu einer größeren radioaktiven Verseuchung führen könnte. Im Unterschied zu den ersten beiden Explosionen am Samstag und Montag sei diesmal nicht nur das äußere Reaktorgebäude, sondern auch der innere Druckbehälter beschädigt worden.

NTV 00.05 Uhr+++ Explosion an Atomreaktor in Fukushima +++

Nach dem schweren Erdbeben und weiteren heftigen Nachbeben wächst die Angst vor einer atomaren Katastrophe in Japan. Das Kernkraftwerk Fukushima 1 ist stark beschädigt, einige Kühlsysteme sind ausgefallen. Die Behelfskühlung mit Meereswasser kann das nicht ausgleichen. Der Schutzmantel von Reaktor 2 ist offenbar brüchig, im Innern ist eine Explosion zu hören. In drei Reaktoren droht eine Kernschmelze. Die Zahl der Opfer steigt immer weiter. Hunderttausende sind obdachlos.

Dazu muss gesagt werden, dass der Reaktor 2 derjenige war, der im Moment als am kritischsten eingestuft wurde, die Brennstäbe waren mehrfach trocken, zuletzt war es nicht mehr gelungen Meerwasser zur Kühlung des Reaktors in das Containment zu pressen. Nach den ersten Meldung (ZDF u.a.) steht zu befürchten dass der Reaktor selbst bereits schwer beschädigt ist und das Containment ebenfalls zumindest teilweise zerstört wurde. Die Explosion wurde als „schwerer“ und „keine Wasserstoffexplosion wie bisher“ eingestuft.

Gleichzeitig hat der Wind gedreht und weht jetzt nach Süden Richtung Tokio. Falls sich die Aussagen bewahrheiten und Radioaktivität in großem Maß freigesetzt wurde, ist das die befürchtete MEGA-Katastrophe … Hoffen und beten wir …

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Hintergründe Laufzeitverlängerung Störfälle Terrorgefahr

Warum wird aktuelle Risikostudie nicht veröffentlicht?

Eine neu erstellte Risikostudie österreichischer Experten („FLAB DID II“-) über die alten deutschen Atomreaktoren wird nicht veröffentlicht, sondern als „Verschlusssache“ eingestuft. Die zuständigen deutschen Regierungsstellen haben einer Veröffentlichung widersprochen. Das brachte der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober am 24.2.2011 in einem Gespräch mit den Oberösterreich-Nachrichten an die Öffentlichkeit. Die Österreicher regt besonders auf, dass auch das bayrische AKW Isar 1 betroffen ist, das im Fall eines GAUs verheerende Auswirkungen auf Österreich hätte.

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Hintergründe Störfälle

Film Restrisiko – SAT1 – Nachtrag

Die Website zum Film gibt es hier https://www.sat1.de/filme_serien/restrisiko/ mit einer Menge Material.

Unter anderem ist die Doku anscheinen noch 7 Tage vollständig vorhanden zum Online-Ansehen. Für die die es im TV verpasst haben.

Übrigens; Da gibt es auch noch eine Online-Abstimmung pro und kontra Atomkraft. Klickt doch hier mal an der richtigen Stelle:
https://www.sat1.de/filme_serien/restrisiko/voting/content/48017/

Mit anti-atomaren Grüßen

(Dank an Jörg Haas)