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Seriosität der Deutschen Presse? Strahlungsbelastung für Schulkinder

Keine eigene Recherche, keine Fachleute, die nochmals prüfen und Korrekturlesen, blindes Vertrauen … Peinlich ist zu sehen, wie offenbar deutschlandweit von einander abgeschrieben oder ungeprüft von Agenturen Fehler übernommen werden. So melden etliche Zeitungen und Nachrichtenagenturen aktuell (Sa, 30.4.2011, 19:00 Uhr) Folgendes:

Aus Protest gegen seiner Ansicht nach zu hoch angesetzte Grenzwerte nach der Atomkatastrophe von Fukushima ist ein Berater der japanischen Regierung zurückgetreten. Er könne es nicht vertreten, dass die Regierung den seiner Einschätzung nach unangemessenen Grenzwerte von 20 Millisievert pro Stunde für Grundschulen in der Nähe von Fukushima festgesetzt habe, erklärte Toshiso Kosak.

https://www.welt.de/politik/ausland/article13309847/Japans-Atomberater-tritt-unter-Traenen-zurueck.html
https://m.ftd.de/artikel/60045746.xml?v=2.0
https://www.focus.de/panorama/welt/tsunami-in-japan/japan-atomberater-tritt-weinend-zurueck_aid_622785.html
https://www.nachrichten.de/panorama/Japan-Atomberater-tritt-weinend-zurueck-aid_5451979271135442520.html
https://www.sueddeutsche.de/karriere/japanischer-atomberater-tritt-zurueck-traenen-der-wut-1.1091388
https://www.taz.de/1/politik/asien/artikel/1/atomberater-tritt-zurueck/
https://www.handelsblatt.com/politik/international/japans-atomberater-schmeisst-das-handtuch/4117970.html
https://www.mainpost.de/ueberregional/politik/brennpunkte/33-Milliarden-Euro-fuer-Wiederaufbau-verabschiedet;art112,6121777
https://www.bild.de/news/ausland/fukushima/ruecktritt-atomberater-17661298.bild.html

Richtig gab dagegen der Spiegel an:

Das Kabinett habe seinen Rat zum Umgang mit der Krise von Fukushima ignoriert. Und weil niemand auf ihn höre, habe es „keinen Sinn, dass ich auf meinem Posten bleibe“, sagte Kosako. So sei der von der Regierung eingeführte Grenzwert von 20 Millisievert pro Jahr für die Strahlenbelastung von Schülern in der Nähe von Fukushima inakzeptabel. „Ich kann das als Wissenschaftler nicht zulassen“, sagte Kosako.

Zum Vergleich: Der Wert entspricht der Höchstdosis für einen deutschen Atomkraftwerksmitarbeiter.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,759906,00.html
sowie
https://nachrichten.t-online.de/atomkatastrophe-in-japan-atomberater-wirft-regierung-rechtsbruch-vor-/id_46102650/index

Ärgerlich ist, dass z.T. in den gleichen  Meldungen von der Belastung von Arbeitern mit 250 mSv pro Jahr die Rede ist …
https://www.mainpost.de/ueberregional/politik/brennpunkte/33-Milliarden-Euro-fuer-Wiederaufbau-verabschiedet;art112,6121777
und der Fehler trotzdem NICHT gemerkt wird. Eine Belastung von Kindern mit 20 Millisievert pro Stunde wurde unweigerlich nach ca. 100 Stunden = 2,5 Wochen Unterricht zum Strahlentod führen!!!

Um richtig verstanden zu werden, das macht das grundlegende Problem nicht besser: Auch die 20 Millisievert pro Jahr sind ein unglaublicher Skandal, gesundheitliche Belastungen und Spätschäden sind damit wahrscheinlich, von der psychischen Belastung völlig abgesehen. „Verstrahlte“ sind in Japan nach Hiroshima und Nagasaki über Jahrzehnte als Aussätzige der Gesellschaft geächtet und diskriminiert worden …

Ein ausgesprochen guter Beitrag zum Thema war in der Zeit zu finden:

(Danke an Ronald Maltha) Der Wissenschaftler Toshiso Kosako will Japans Regierung nicht mehr zur Atomkatastrophe beraten. Vor allem der Streit über Strahlen-Grenzwerte trieb ihn aus dem Amt. Der Wissenschaftler Toshiso Kosako verkündet seinen Rücktritt als Atomberater  Erst Mitte März war Toshiso Kosako zu einem Sonderberater des Kabinetts ernannt worden. Der Professor der University of Tokyo kündigte nun den Rücktritt von seinem Posten an. Er begründete die Entscheidung  damit, dass die Behörden und das Büro des Ministerpräsidenten in der Krise unzureichend handelten. Ministerpräsident  Naoto Kan begründete den Rücktritt Kosakos mit Meinungsverschiedenheiten unter Fachkollegen. „Wir begrüßen unterschiedliche Sichtweisen unter unseren Beratern“, sagte Kan. Differenzen hatte es vor allem um die Grenzwerte für die Strahlenbelastung für Kinder
gegeben.

Die Regierung halte sich nicht an geltende Gesetze, sagte Kosako unter Tränen bei einer Pressekonferenz, in der er seinen Rücktritt erläuterte. Für ihn sei der Eindruck entstanden, dass sie sich nur um eine Notlösung bemühe und mit Provisorien über die Zeit rette, anstatt eine wirkliche Lösung für die Atomkrise zu suchen. Die Regierung habe den seiner Einschätzung nach unangemessenen Grenzwert für Grundschulen in der Nähe von
Fukushima festgesetzt, sagte Kosako. Dies könne er als Wissenschaftlicher nicht zulassen. Zudem habe das Kabinett seine Vorschläge ignoriert. Und da niemand auf ihn höre, habe es „keinen Sinn, dass ich auf meinem Posten
bleibe“, sagte Kosako weiter. Die Regierung hatte vor wenigen Tagen einen Strahlengrenzwert für Grundschulen festgelegt, bei dem sich die Belastung auf 20 Millisievert im Jahr summiert.

Das Erziehungsministerium berief sich dabei auf Bestimmungen der International Commission on Radiological Protection, die bei einem Atomunfall eine jährliche Strahlendosis von bis zu 20 Millisievert sowohl für Erwachsene als auch für Kinder zulasse. Beobachter werteten die Entscheidung des Wissenschaftlers als einen Rückschlag für Japans Ministerpräsidenten. Einer Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo zufolge verliert er wegen der Atomkrise von Fukushima an Zustimmung. Drei von vier Japanern (76 Prozent) sagten, dem Regierungschef fehle es an Führungskraft. In der Kyodo- Telefonumfrage hatten Ende März noch 63,7 Prozent Kan mangelnde Führungskraft bescheinigt.  Weiter

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Hintergründe Störfälle

Update 24.03.2011, 24:00 Uhr

Verstrahlte Arbeiter

Nach Stunden in kontaminiertem Wasser sind drei Arbeiter im Reaktor 3 der havarierten Atomkraftwerke in Fukushima Daiichi verstrahlt worden. Mehrfach wurde der Verdacht laut, dass die „Helden von Fukushima“ nicht ganz freiwillig dort Dienst tun.
Nach Angaben der japanischen Atomaufsichtsbehörde Nisa haben die drei Arbeiter eine Ortsdosis zwischen 170 und 186 Millisievert aufgenommen. Der Grenzwert für Arbeiten zur Abwendung einer atomaren Katastrophe liegt in Japan – wie auch in Deutschland – bei 250 Millisievert. Die Weltgesundheitsorganisation hält sogar 500 Millisievert in einer Krisensituation noch für vertretbar.
Die drei Arbeiter sollten von einem bereits verlegten Starkstromkabel am Block 3 weitere Kabel in das zerstörte Reaktorgebäude verlegen. Sie standen nach Informationen der Internationalen Atomenergieorganisation rund drei Stunden lang in kontaminiertem Wasser.
Vermutlich stammt das Wasser aus dem Brennelementebecken, in dem wie im Reaktorkern MOX-Brennelemente lagern, die einen höheren Plutoniumanteil haben als abgebrannte Uran-Brennelemente. [1] (Tagesspiegel)

24.03.2011, 17.45 Uhr: 17 Arbeiter haben laut Kyodo eine Strahlenbelastung von mehr als 100 Millisievert erlitten. Rund zwei Millisievert beträgt der Wert, den ein Mensch in Deutschland jährlich an natürlicher Hintergrundstrahlung abbekommt. (dpa, zitiert nach GP)
Zuvor waren mehrfach Fälle von Verstrahlungen von „zwei oder drei Arbeitern“ gemeldet worden …

Trinkwasserprobleme

24.03.2011, 17.45 Uhr: Wie Kyodo meldete ist zwar in Tokio die Belastung des Leitungswassers mit radioaktivem Jod wieder gesunken, dennoch wird in den Geschäften das Wasser knapp. Auch wurde eine erhöhte radioaktive Belastung in anderen Wasseraufbereitungsanlagen außerhalb von Tokio festgestellt. Dort sollen Babys das Wasser nicht trinken. (dpa, zitiert nach GP)

Weitere Evakuierung?

24.03.2011, 17:21 Uhr: Außerhalb der Evakuierungszone rund um das havarierte japanische Atomkraftwerk Fukushima I wächst die Angst vor radioaktiver Strahlung. Regierungssprecher Yukio Edano empfiehlt den Bewohnern in Windrichtung des Atomkraftwerks auch außerhalb eines Radius von 30 Kilometern, sich nicht im Freien aufzuhalten und die Fenster von Gebäuden geschlossen zu halten.
23 Abgeordnete aus dem Ober- und Unterhaus des Parlaments unterschrieben eine Petition, in der sie fordern, auch außerhalb des bisherigen Radius rund um das Kraftwerk die Evakuierung „drastisch voranzutreiben“. (FTD)

24.03.2011, 13:46 Uhr: Auch außerhalb der Sicherheitszone um das Atom-Wrack in Fukushima könnte nach Schätzungen der Regierung stark erhöhte radioaktive Strahlung auftreten. An manchen Orten, die weiter als 30 Kilometer von dem Kraftwerk entfernt seien, könnte die Strahlung zeitweise womöglich bei mehr als 100 Millisievert pro Stunde liegen, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Er bezog sich auf eine Computerprognose. Die natürliche Hintergrundstrahlung liegt bei etwa 2 Millisievert pro Jahr. (FTD)

Atom-Aus für die VAE?

24.03.2011, 15.59 Uhr: Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen ihre Pläne für das erste Atomkraftwerk im Land nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima überprüfen. Das sagte der Generaldirektor der staatlichen Atomaufsichtsbehörde, William Travers. Das Land plant sein erstes Kernkraftwerks im Jahr 2017 in Betrieb zu nehmen. Nun sollen Erkenntnisse aus dem Unglück in Japan berücksichtigt werden. Außerdem werde intensiv über Sicherheitsstandards gesprochen. „Damit wird die Sicherheit in der friedlichen Nutzung der Atomenergie in den Emiraten erhöht“, sagte Travers. (Spon)

Jetzt auch Probleme an Block 5

24.03.2011, 13.58 Uhr: Heute gab es zum ersten Mal auch am bisher unversehrten Reaktor 5 Probleme. Auch dort ist nun das Pumpsystem des Reaktors nach Angaben der NISA defekt. Die Kühlung sei ausgefallen. Die Situation sei momentan stabil, es müsse aber mit steigenden Temperaturen sowohl im Reaktor als auch im Abklingbecken gerechnet werden.[2] (Blick)

Radioaktive Verseuchung des Meeres steigt

24.03.2011, 19:10 Uhr: Japanische Wissenschaftler haben 30 Kilometer vor der Küste Japans eine „nachweisbar“ erhöhte Konzentration von radioaktivem Jod und Cäsium 137 gemessen. Das bestätigte ein IAEA-Experte. „Die Jodkonzentration hat das von den japanischen Behörden vorgegebene Limit erreicht. Der Cäsiumwert liegt darunter,“ teilt die Atomaufsichtsbehörde mit. (FTD)

24.03.2011, 14.55 Uhr: Wie der Stromkonzern Tepco mitteilt steigt die Strahlenbelastung im Meer weiter an. An den Abflussrohren der Reaktorblöcke 1 bis 4 seien die Werte von radioaktivem Jod-131 etwa um das 150-fach erhöht, was jedoch keine Gefahr für den Menschen bedeute. (FOKUS online/dpa, zitiert nach GP)

Tepco pleite?

23. März 2011: Tepco hat sieben japanische Großbanken aufgefordert, ihm etwa 2 Billionen Yen (17,4 Milliarden Euro) an Krediten zur Verfügung zu stellen. Mit dem Geld will Tepco unter anderem die Aufräumarbeiten beim schwer beschädigten Atomkraftwerk Fukushima bezahlen. Zudem braucht das Unternehmen auch Geld für die Reparatur weiterer beschädigter Kraftwerke. Außerdem könnten Schadensersatzforderungen auf das Unternehmen zukommen.
Ende Dezember verfügte das Energieunternehmen über Barreserven in Höhe von 670 Milliarden Yen. Da die Gefahr noch nicht gebannt ist, dass sich die atomare Krise in Fukushima verschärft, der Börsenwert des Unternehmens dramatisch eingebrochen ist und Schlampereien bei der Sicherheit sowie falsche oder verspätete Informationen das Vertrauen in Tepco zerstört haben, befürchtet das Unternehmen die Kosten anders nicht aufbringen zu können.
Die Finanzinstitute, die große Aktienpakete an Tepco halten, haben durch den Kurssturz an der Börse bereits Milliardenverluste erlitten. Als Rettungsanker stünde notfalls die öffentliche Hand bereit.
Der Tepco-Kurs unterlag extremen Schwankungen. Am 10. März, dem Tag vor dem Erdbeben, das das Atomkraftwerk Fukushima zerstörte, stand Tepco bei 2153 Yen. Den niedrigsten Stand gab es am 17. März, auf dem Höhepunkt der Ängste vor einer atomaren Katastrophe, mit 715 Yen.
Tepco ist das größte Energieunternehmen Japans und das viertgrößte der Welt. Das private Energieunternehmen betreibt insgesamt 17 atomare Reaktorblöcke und produziert damit in etwa den jährlichen Strombedarf eines Landes wie Italien.
Tepco hatte bereits vor der Katastrophe in Fukushima den Ruf, Pannen in seinen Atomanlagen zu vertuschen. 2002 gab es Sonderprüfungen bei allen 17 Tepco-Reaktoren, weil das Unternehmen Reaktordaten und Schadensberichte gefälscht hatte. Der Vorstandsvorsitzende und die verantwortlichen Manager mussten damals gehen. Doch auch in Fukushima hat Tepco bei den Kontrollen unmittelbar vor der Katastrophe geschlampt und Informationen nicht weitergegeben, wie in dieser Woche bekannt wurde.[3] (Quelle: FAZ.NET)

 


[1] https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/drei-arbeiter-in-fukushima-verstrahlt/3987204.html

[2] https://www.blick.ch/news/ausland/japan/japan-liveticker-168383

[3] https://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc~E8A36604547834F3581BB21E028C7B438~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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Hintergründe Störfälle

Korrektur zu Update 18.3.2011 MIT Hintergründen

Die vorliegenden Meldungen von immerhin TAZ, NTV, SpON müssen vermutlich korrigiert werden und damit auch die Schlussfolgerung:

TEPCO verurteilt Arbeiter zum Tod!

Ich hatte das damals bereits mit Skepsis gesehen und formuliert (s. die vorgeschaltete Zeile). Gemeint war vermutlich 100 mSv/a als Grenzwert, nicht 100 mSv/h. Allerdings dürfte die Werte dann wiederum unrealistisch und kaum einzuhalten sein … Meine Wertung bzgl. der Todesfolge war ausdrücklich auf den gemeldeten Wert (100 mSv/h!)  bezogen. (Anm. – Stand 23.3.2011: Mittlerweile ist der Grenzwert auf 250 mSv/a erhöht worden, s.a. hier)

Ursprüngliche Meldung

„Tepco erhöht Grenzwerte“

(TAZ, NTV, SpON) Der AKW-Betreiber Tepco erhöht den Grenzwert der Strahlenbelastung für die Arbeiter auf 100 Millisievert pro Stunde.

(Anm.: Wenn diese Meldung stimmt, ist der Skandal perfekt: Falls die Arbeiter in 12 Stunden-Schichten im Einsatz sind, haben sie nach 3 Tagen eine Strahlung von 3,6 Sievert aufgenommen und erkranken an der Strahlenkrankheit! Etwa 50 % von ihnen wird dann in den nächsten Tagen sterben. Beruflich exponierte Personen dürfen in Deutschland in Einzelfällen mit bis zu 50 Millisievert pro Jahr belastet werden.)

Einige Grenzwerte im Vergleich:

allgemeine Bevölkerung:
Europa:  1mSv/Jahr

beruflich strahlenexponierte Personen:
Europa:  20mSv/Jahr
USA:     50mSv/Jahr

Bei Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Personen (§59 StrlSchV)
Deutschland:  einmal im Jahr  > 100mSv
Deutschland:  einmal im Leben > 250mSv
Japan:        150-250mSv (je nach Quelle)

Insofern bewegt sich Japan mit diesem Grenzwert innerhalb des üblichen Rahmens.  Wenn die Grenzwerte eingehalten werden, ist nicht davon auszugehen, dass japanische Arbeiter in den nächsten Tagen sterben werden.  Aus einer Einzeldosis von 200mSv ergibt sich allerdings ein Risiko von etwa 2% für eine tödliche Krebserkrankung in der Zukunft.

Anbei noch die Quellen zu den Grenzwerten für die Arbeiter:

SF (Schweizer Fernsehen):
„03:10 – Höhere Strahlengrenzwerte für Arbeiter
Ein grosses Problem ist der Schutz der Arbeiter an den havarierten Reaktoren vor der radioaktiven Strahlung. Tepco erhöhte die Obergrenze auf 150 Millisievert für bestimmte Noteinsätze. Die neue Vorgabe gelte «für einige Arbeiter im Ausseneinsatz, weil die aktuellen Probleme beispiellos sind und sofortige Massnahmen erfordern», zitierte NHK die Begründung des Energieversorgers Tepco. 150 Millisievert sind so viel, wie in Deutschland verteilt über die Spanne von 150 Jahren als gerade noch verträglich gelten würde.
NHK zufolge kündigte Tepco an, keinen Arbeiter erneut in den Einsatz zu schicken, falls er zuvor mehr als 100 Millisievert ausgesetzt worden war. Die 50 Arbeiter, die bisher in dem AKW verblieben waren, hatten Verstärkung bekommen: Am Freitag waren dort etwa 120 Männer eingesetzt.“
Quelle: https://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2011/03/19/International/Katastrophe-in-Japan/Japan-intensiviert-Kampf-gegen-drohenden-GAU

N-TV:
„+++ 17.21 Sechs Helfer bekommen hohe Strahlendosis ab +++
Bei den Rettungsarbeiten am Atomkraftwerk Fukushima bekommen sechs Arbeiter zu viel radioaktive Strahlung ab. Bei den Männern wurden mehr als 250 Millisievert gemessen, berichtet die Nachrichtenagentur Kyodo. Erst vor wenigen Stunden war der Grenzwert auf 150 Millisievert erhöht worden.“
Quelle: https://www.n-tv.de/Spezial/Japan-weitet-Evakuierungsradius-aus-article2810866.html

Hamburger Abendblatt
„14.42 Uhr: Die japanische Regierung hat die maximal zulässige Strahlenbelastung für Mitarbeiter in Atomanlagen mehr als verdoppelt. Das Ministerium für Arbeitsgesundheit begründete dies mit der Notwendigkeit, eine Verschlimmerung der Lage im Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi zu verhindern. Die Erhöhung des Grenzwerts von 100 auf 250 Millisievert sei „unter den Umständen unvermeidbar“. Dennoch mussten wegen der hohen Strahlung in den nicht mehr ausreichend gekühlten Reaktoren in Fukushima-Daiichi die Arbeitskräfte zeitweise zurückgezogen werden.“
https://www.abendblatt.de/vermischtes/article1819934/AKW-Fukushima-Maximale-Grenzwerte-fuer-Mitarbeiter-erhoeht.html

Besten Dank an Thiemo Nagel, BAG Energie für die Rückmeldung

 

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Hintergründe

Hintergrund-Info: Strahlung

Tabelle:     Krankheitsbilder (akute Strahlenschäden) bei Belastungen durch Strahlung

Schwellendosis 250 mSv u. a. Veränderungen
im Blutbild
Subletale[1] Dosis 1.000 mSv Haarausfall,
Appetitlosigkeit,
Brechdurchfall
Mitteletale Dosis 4.000 mSv Bei Nichtbehandlung
50 Prozent Todesfälle
Letale Dosis 7.000 mSv Bei Nichtbehandlung
100 Prozent Todesfälle

[1] „Letal“ bedeutet: tödlich, klingt aber sympathischer

Quelle: Bayrisches Ministerium für Umweltfragen: Strahlenschutz, Radioaktivität und Gesundheit, München, 1986 / mSv = Millisievert

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Die Strahlendosis ist ein Maß für die Belastung durch Radioaktivität. Gemessen wird grundsätzlich die Energie der absorbierten Strahlung pro Kilogramm Körpergewicht.

Um die Gefährlichkeit zu erfassen, wird die sogenannte Äquivalentdosis angegeben. Sie berücksichtigt die biologische Wirksamkeit: Bei gleicher Energie ist Alpha-Strahlung deutlich schädlicher als Beta- oder Gamma-Strahlung, deshalb auch die Äquivalentdosis größer. Die Einheit für die Äquivalentdosis heißt Sievert (Sv). Genauer ist die sog. effektive Dosis (ebenfalls in Sievert). Dabei wird die Wirkung auf die einzelnen Organe erfasst. Hierauf beziehen sich die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung. Menschen, die nicht im Kernkraft-Bereichen arbeiten dürfen pro Jahr mit maximal einem Millisievert (1/1000 Sievert) zusätzlich zur natürlichen Strahlung belastet werden. Die natürliche Strahlenbelastung (durch Minerlaine und Höhenstrahlung) liegt mehr als doppelt so hoch. Beruflich exponierte Personen dürfen in Einzelfällen mit bis zu 50 Millisievert pro Jahr belastet werden. Gemessen wird mittels Dosimetern – kleinen Messgeräten am Körper.

Eine weitere Messeinheit ist die Einheit Becquerel (Bq). Hier wird die Aktivität, also die Anzahl der radioaktiven Zerfälle pro Sekunde. Dies entspricht der Zählrate eines Geigerzählers.

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Radioaktivität ist immer mit Strahlung verbunden, die Strahlung ist Teil des Geschehens. Es wird unterschieden in:

̶        α (Alpha)–Strahlung: positiv geladene Heliumkerne. Hochgefährlich, aber extrem leicht abzuschirmen (Blatt Papier). Schädlich bei der Aufnahme über die Atmung oder die Ernährung;

̶        ß (Beta)–Strahlung: negativ geladenen Elektronen. Ebenfalls hochgefährlich, schon schwerer abzuschirmen, z. B. durch einige Millimeter dickes Aluminium. Schädlich bei Aufnahme durch Atmung oder Nahrung, kann auch über die Haut eindringen;

̶        γ (Gamma)–Strahlung: elektromagnetische Strahlung, vergleichbar mit Licht, Radio- oder – am besten – Röntgenwellen. Durchdringt fast alles, zur Abschirmung wäre dickes Blei erforderlich. Stark schädigend;

̶        Neutronenstrahlung; ungeladene Atomkernteilchen, wiederum leichter abzuschirmen als Gammastrahlung, trotzdem stark schädigend aufgrund der hohen Bewegungsenergie. Wenn Neutronen lebendes Gewebe treffen, richten sie größeren Schaden an als α-, ß- oder γ-Strahlung.

α-, ß- und Neutronen-Strahlung sind „Teilchen“-Strahlen, bei denen Materie transportiert wird. γ-Strahlung dagegen ist materiefrei. Bei radioaktiven Prozessen werden immer eine oder mehrere Strahlungsarten freigesetzt.

Durch die Explosion der Rektorcontainments werden vor allem offenbar auch hier wie in Tschernobyl Cäsium und Iod freigesetzt. Die radioaktiven Teilchen werden durch Abluft und Abwasser als über die Haut oder durch die Aufnahme mit Nahrung, Trinkwasser oder Atemluft aufgenommen. Das Jod-131 wird auf beiden Wegen aufgenommen. Es schädigt vor allem die Schilddrüse durch Beta- und Gamma-Strahlung. Das Cäsium-137 betrifft den gesamten Körper, vor allem das Muskelgewebe und die Leber, ebenfalls durch Beta- und Gamma-Strahlung.[1] Ein großes Problem 1986 war der „Expositionspfad“ des Jod-131: Durch den Wind herantransportiert, vom Regen ausgewaschen,[2] in den Boden und damit ins Gras gelangt und von Kühen gefressen, landete es letztendlich in der Milch. Diese war in jenen Tagen so hoch belastet, dass fast alle Molkereien den Betrieb einstellten.


[1] Bayrisches Ministerium für Umweltfragen: Strahlenschutz, Radioaktivität und Gesundheit, München, 1986

[2] Außer offenbar in Frankreich, dort wurde kontinuierlich gemeldet, es gäbe keinen messbaren Anstieg der Radioaktivität

Quelle: Störfall Atomkraft, S. 223f. bzw. 227

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Hintergründe Laufzeitverlängerung Störfälle Terrorgefahr

Was wäre wenn … GAU in Biblis:

Angenommen wurde bei der interaktiven GAU-Simulations-Karte von Greenpeace eine Kernschmelze bei offener Reaktorhülle, mit großer frühzeitiger Freisetzung von Radioaktivität. Dies wäre vergleichbar der Katastrophe von Tschernobyl 1986. Eine vergleichbare Katastrophe drohte in Biblis A bei dem „legendären“ Bedienungsfehler Dezember 1987 (s.a. S.: 93), wäre aber auch durch einen Terroranschlag, bereits mit einer kleineren Passagiermaschine, erreichbar.

Besonders berücksichtigt wird von Greenpeace dabei das Isotop Caesium 137 (Cs-137), das auch nach Tschernobyl, neben Jod (J-131) die entscheidende Rolle bei der radioaktiven Belastung spielte. Problematisch ist hier die Menge der Freisetzung und die vergleichsweise lange Halbwertszeit (s.a. S.: 57) von 30 Jahren. Beim sogenannten Fallout, also den radioaktiven Niederschlägen, setzen sich diese Stoffe am Erdboden ab, werden dort aufgenommen und gelangen in den Pflanzenkreislauf (und damit in die Nahrungskette, bei Wildfleisch, Waldfrüchte und Pilzen letztlich auch des Menschen). Die Folge: Nach Tschernobyl wurde in Deutschland der behördliche Schwellenwert für radioaktive Kontamination durch Cs-137 stellenweise um das Achtfache überschritten. Andere radioaktive Teilchen wie das erwähnte Jod, das kurzzeitig (Halbwertszeit: 8 Tage) zu einer noch deutlich höheren Belastung führt, aber aufgrund der kurzen Halbwertzeit schnell wieder verschwindet, sowie mögliche lange wirksame Stoffe werden nicht berücksichtigt. Sie würden die Situation mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest kurzfristig weiter dramatisch verschärfen.

Bei einem GAU, d.h. bei einer Kernschmelze mit der Freisetzung von großen Mengen an Radioaktivität, in Biblis wären bei Südwestwind folgende Städte mit einer Radioaktivität von mehr als 2.500.000 Bq/m2 verseucht (vorausgesetzt, der Wind weht kontinuierlich mehrere Tage aus der selben Richtung): Bei Westwind wäre dies: Darmstadt, Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Nürnberg, Neustadt a.d.W., Ansbach, Amberg. Dieses Gebiet wäre selbst nach den alten sowjetischen Maßstäben auf Dauer unbewohnbar und muss entsiedelt werden.

Mit über 1.000.000 Bq/m2 belastet wäre: Kaiserslautern, Karlsruhe, Heilbronn, Würzburg, Bamberg und Klatovy in Tschechien. Das Gebiet in einem Sechseck mit den Eckpunkten: Kaiserlautern, Darmstadt, Karlsruhe Bamberg, Heilbronn und Tschechischer Grenze wäre auf Dauer unbewohnbar.

Mit über 555.000 Bq/m2 belastet ist die Fläche zwischen Kaiserslautern, Rastatt, Schweinfurt, Schwäbisch Hall, Regensburg, Bayreuth mit Verlängerung in die Tschechei bis Brno. Diese Fläche wurde in der Ukraine nach der Tschernobylkatastrophe dauerhaft evakuiert.

Ein Gebiet (Belastung über 37.000 Bq/m2, nach sowjetischer Behördendefinition: „Kontaminierte Fläche“) zwischen Franfurt, Stuttgart, Kulmbach und Ingolstadt, mit einer Verlängerung in Richtung Tschechei und Slowakei könnte nur unter stärksten Einschränkungen (wie keine Landwirtschaft, keine lange Aufenthalte im Freien, Filteranlagen für die Atemluft weiter bewohnt werden.

Zitat Erläuterungen Greenpeace: „Bei den Berechnungen für die Karte wurde eine schwerer Reaktorunfall mit Kernschmelze und offenem Containment bei fünfzigprozentiger Freisetzung des im Reaktor befindlichen Caesiums vorausgesetzt. Als Grundlage dienen reale Wetterdaten des Jahres 1995. Das Institut für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur in Wien hat anhand dieser Wetterdaten errechnet, wie sich die Wolke innerhalb von 10 Stunden an acht verschiedenen Tagen des Jahres ausgebreitet hätte. An jedem dieser Tage herrschte eine andere Hauptwindrichtung vor. Über Schaltflächen lässt sich das AKW auswählen und die Windrichtung einstellen. Die verschiedenen meteorologischen Bedingungen des jeweiligen Tages sorgen daher für ganz unterschiedliche Szenarien.“

Berücksichtigt man, dass in Tschernobyl etwa die dreifache Menge an Jod-131 im Vergleich zu Cs-137 freigesetzt wurde (3 · 1017 Becquerel Caesium-137, 2 . 1017 Becquerel Strontium-90 und 1 · 1018 Becquerel Iod-131; Quelle: https://www.chemievorlesung.uni-kiel.de/1992_umweltbelastung/radio1.htm),  es beim nächsten GAU vermutlich ähnlich sein wird  und  letztlich, dass für Jod-131 der Wirksamkeits-Umrechnungs-Faktor gilt: 1,3 bis 350 x 10-8 Sv/Bq Erwachsener bzw. Kleinkind, verschiedene Aufnahmepfade, (Quelle: https://www.mp.haw-hamburg.de/pers/Kaspar-Sickermann/kgs/dkgs10.html), so werden bei 1.000 Bq/m2 Strahlenbelastungen zwischen 13 mSv (Erwachsener, Einwirkung von außen) und 3.500 mSv (Kleinkind, über die Schilddrüse aufgenommen) wirksam. Zur Erinnerung, bis 500 mSv gibt es gesundheitliche Schädigungen (Änderungen im Blutbild), darüber hinaus bis 1.700 mSv starke gesundheitliche Beeinträchtigungen wie  die sog. Strahlenkrankheit (Erbrechen, Haarausfall, Müdigkeit), über 1.700 mSv sind häufig tödlich, ab 5.000 mSv sterben 50 % der Geschädigten innerhalb eine Monats.

Die zulässigen Grenzwerte für Arbeitnehmer, die beruflich Strahlenbelastungen ausgesetzt sind, liegen bei 20 mSv pro Jahr (= p.a.), max. sind in Ausnahmefällen bis zu 50 mSv/p.a. erlaubt.