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Atom und Politik Hintergründe Störfälle

Meteoriten-Panik

(Zitat): „Ein Lichtblitz, eine Explosion, die Häuser wanktenIn der russischen Region Tscheljabinsk ist ein Meteorit auf die Erde gestürzt. Es gab Explosionen, etwa 1000 Menschen wurden verletzt. Gerüchte über erhöhte Strahlung dementieren die Behörden. Von Julia Smirnova. Im weiteren Text heißt es dann: Atomanlagen sind nicht betroffen

Es ist schon faszinierend zu sehen, welche Reflexe da in der (Pseudo-)Presse losgetreten werden.
Zunächst: Die gefährlichsten „Atomanlagen der Region“ – d.h. genauer Atommüll-Lager – liegen in Majak (Majak (russisch производственное объединение «Маяк» „Produktionsverbund ‚Majak‘“, von russ. Majak für „Leuchtturm“; auch als Chemiekombinat Majak oder Tscheljabinsk-65 bezeichnet) ist eine kerntechnische Anlage in Russland in der Oblast Tscheljabinsk bei Osjorsk. s.a. hier). Sie wurde zwar zu Sowjetzeiten zu der (damals „geheimen“, d.h. für Ausländer gesperrten) Stadt Tscheljabinsk gerechnet, liegt aber ca. 60 km nordöstlich und wird von dem „Einschlag“ (?), genauer von der Explosion des Meteoriten außer dem Knall und dem Blitz nicht allzuviel mitbekommen haben. Die Panikmache der „Welt“ ist etwa dem vergleichbar, wenn in Köln eine größere Bombe explodiert und in Russland darüber berichtet würde, die Menschen in Düsseldorf wären jetzt nicht verstahlt, weil die Ruine des Forschungsreaktor in Jülich nicht zerstört sei … Seriöser Journalismus sieht anders aus …

Einige Teile des Meteoriten schlugen in einem Stausee in der Nähe der Stadt Tschebarkul ein, einer riss nach Angaben der Regionalbehörden einen acht Meter grossen Krater ins Eis.“ meldet dagegen die Berner Zeitung. D.h. selbst WENN der Einschlag direkt in Majak stattgefunden hätte, wäre die Freisetzung an Radioaktivität überschaubar und weitaus geringer als Z.B. in Fukushima und wahrscheinlich noch geringer als seinerzeit in Harrisburg gewesen. Tschebarkul liegt wiederum ca. 60 km südlich von Majak, ca. 50 km westlich von Tscheljabinsk.

Die Schäden und Verletzten resultieren offenbar fast ausschließlich von Glassplittern der zerborstenen Fenster in Tscheljabinsk. Wo da die „Strahlung“ („Gerüchte über erhöhte Strahlung dementieren die Behörden.„) herkommen soll, erschließt sich nicht. Ein Dementi russischer Behörden dürfte selten richtiger gewesen sein. 😉 Zwar gibt es Meteoriten mit radioaktiven Bestandteilen, diese sind aber eher selten, wie ja auch bei den Gesteinen  auf der Erde. Häufiger Bestandteil sind „gängige“ Metalle wie Esen und Nickel, die eben nicht radioaktiv sind.

Wer sich übrigens über Majak informieren will, dem sei statt der „Welt“ der sehenswerte Film: „Verseuchtes Land – Die Atomfabrik Majak“ empfohlen … oder zumindest seriösere Quellen …

 

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Entsorgung

Verseuchtes Land – Die Atomfabrik Majak

Russland 2009, 31 min, russisch mit dt. oder engl. UT, 5.00 €   OEK013

Majak war die erste Anlage zur industriellen Herstellung spaltbaren Materials in der Sowjetunion. Im dem geheimen kerntechnischen Kombinat Mayak wurde waffenfähiges Plutonium produziert und nukleare Brennstäbe wiederaufbereitet. Während der über 60 Betriebsjahre gab es in Majak mehrere Unfälle, viele tausend Quadratkilometer Land wurden durch radioaktiven Abfall verseucht und in eine Ödnis verwandelt. Hunderttausende Menschen wurden und werden Opfer der radioaktiven Kontamination.

Im Zentrum des Leidens liegt das Dorf Musljumowo, 30 Kilometer vom Atomkomplex entfernt. Kaum einer hier ist gesund. Die Menschen leiden an chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck, Herzproblemen, Arthritis und Asthma. Jeder zweite Frau  ist unfruchtbar, jedes dritte Neugeborene kommt mit Missbildungen zur Welt, jedes zehnte Kind wird zu früh geboren. Die Zahl der Krebserkrankungen ist drastisch erhöht.

Den Link gibt es HIER

Deutsche Bearbeitung:

autofocus Videowerkstatt e.V. in Zusammenarbeit mit der Heinrich Böll Stiftung

Produktion: Greenworld Russia

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Entsorgung

Röttgen lehnt Atomtransport nach Russland ab

Bonn (dpa) – Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat die Genehmigung für den umstrittenen Atomtransport aus dem westfälischen Zwischenlager Ahaus nach Russland verweigert. Das teilte Röttgen am Montag in Bonn mit. Insgesamt sollten per Castor-Transport 951 Brennelemente, die ursprünglich aus einem DDR-Forschungsreaktor stammen, in das russische Atomkombinat Majak gebracht werden.

Montag, 6. Dezember 2010 10:46:00

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Mehr dazu mit weiteren guten Links findet sich hier. Einen Campact-Aufruf gegen den Transport können Sie hier unterzeichnen.

Voruasgegangen war eine Initiative der Grünen im Bundestag:

Auf Initiative von Bündnis 90/DIE GRÜNEN hin unterrichtete die Regierung am Mittwoch den Umweltausschuss über den geplanten Atommüllexport nach Russland.

Die wichtigsten Ergebnisse der Unterrichtung waren, dass die Regierung selbst erste Zweifel an der Verantwortbarkeit dieser Billiglösung hegt und eine für den 1.12. geplante Unterzeichnung des betreffenden Staatsabkommens mit Russland vorerst ausgesetzt hat. Zweitens wurde dem Ausschuss ein Gutachten der GRS vorgelegt, das Ihr im Anhang erhaltet. Das Wichtigste daraus in Kürze hier, weitere Stellen sind im Gutachten markiert:
1. Die GRS zählt ausführlich die gravierenden Probleme in und um Majak auf, zieht ganz am Ende (S.31) aber unverständlicherweise das Fazit, eine „schadlose Verwertung“ des Atommülls sei in Majak trotzdem gegeben. Dabei räumt sie auf Seite 29 ein, dies gelte nur, wenn man die Tatsache außer Acht lässt, dass Majak die am stärksten kontaminierte Gegend der Welt ist.

2. Die GRS stellt fest, dass ein innerdeutscher Entsorgungsweg ebenfalls weiter gangbar ist (S.30) und widerspricht damit der bisherigen Regierungslinie.

Wir werden den geplanten Atommüllexport weiter konsequent bearbeiten, um ihn zu verhindern – unter anderem mit unserem ebenfalls beigefügten Antrag.

Sylvia Kotting-Uhl MdB, Atompolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Das Gutachten finden Sie hier, den Antrag hier

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Demonstration Termine

Ahaus Demo gegen Russen-Castor

am 12. Dezember wird es eine größere Demo gegen die unverantwortbare Atommüll-Verschieberei von Ahaus ins radioaktiv verseuchte, russische Majak geben, zu der wir NRW-GRÜNEN gemeinsam mit den Anti-Atom-Initiativen aufrufen. Den GRÜNEN Aufruf findet ihr unten angefügt. Wir GRÜNEN wollen am 12. Dezember in Ahaus in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis für den Ausstieg aus der Atomkraft, für einen konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien und gegen internationalen Atommülltourismus demonstrieren. Die Demo wird um 14 Uhr am Ahauser Atommüll-Zwischenlager beginnen. Es ist geplant, das Zwischenlager mit einer Menschenkette in die Zange zu nehmen.

Bitte kommt zahlreich zur Demo nach Ahaus. Aus einigen Orten NRWs sind bereits Busse unter GRÜNER Beteiligung in Planung (u.a. Düsseldorf, Duisburg, Münster, Schwerte). Einen Überblick gibt es (in kürze) unter www.gruene-nrw.de. Weitere Einzelheiten zur Demo werden nach und nach auf www.kein-castor-nach-ahaus.de zu finden sein.

Auf zum Anti-Atom-Advent nach Ahaus!
12. Dezember um 14 Uhr am Atommüll-Zwischenlager

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Akualisierungen des Buches

Aktualisierung S. 87 neu: Majak, Sowjetunion, 1957

Von Anfang an war Majak eine einzige Umweltsauerei! Von Anfang an wurden die Abwässer der Anlage direkt und „ungefiltert“ in den Fluss Tetscha geleitet wurden. In der Folge stieg in der umliegenden Bevölkerung des weiteren Flusslaufs die Zahl an Erkrankungen durch Strahlungsschäden sprunghaft an. Natürlich wurden die Menschen nicht darüber informiert, dass der Aufenthalt in der Flussnähe gesundheitsgefährdend ist. Stattdessen wurde „zum Schutz der Bevölkerung“ (?) ab 1951 damit begonnen, die kontaminierten Abfälle in den Karatschai-See umzuleiten. Ab 1953 füllte man Teile der Abfälle in Tanks um und lagerte diese.[1]

Auf dem Gebiet der Fabrik ereigneten sich mehrere Unfälle, bei denen große Mengen an radioaktivem Material freigesetzt wurden, darunter auch der Unfall in Kyschtym im Jahr 1957, die bisher vom Schadensausmaß gravierendste nukleare Havarie, die weit mehr Schaden anrichtete als die Tschernobyl-Katastrophe.

Die aufzuarbeitenden Rückstände enthalten einen hohen Anteil an radioaktiven Nukliden. Diese wurden in Kyschtym in großen Tanks zwischengelagert. Dabei entsteht durch den radioaktiven Zerfall der Stoffe Wärme – die Tanks müssen deshalb gekühlt werden. Nachdem im Laufe des Jahres 1956 die Kühlleitungen eines dieser 250 Kubikmeter fassenden Tanks undicht geworden waren und deshalb die Kühlung abgestellt wurde, begannen die Inhalte dieses Tanks zu trocknen. Am 29. September 1957 explodierten die auskristallisierten Nitratsalze, ausgelöst durch einen Funken eines internen Kontrollgeräts (also eine chemische, keine nukleare Explosion), und große Mengen an radioaktiven Stoffen wurden freigesetzt – darunter langlebige Isotope wie Strontium-90, Cäsium-137 und Plutonium-239 (Halbwertszeiten[2] 29, 30, bzw. 24.110 Jahre, s. a. S. 225).

Insgesamt wurde durch den Unfall nach Angaben der Produktionsfirma Majak und der Behörden Materie mit einer Radioaktivität von 4 x 1017 Becquerel (400 PBq) [3] über einen Bereich von etwa 20.000 Quadratkilometer verteilt. Der Unfall ist damit von der Menge der freigesetzten Strahlung her vergleichbar mit der Tschernobyl-Katastrophe. Andere Quellen sprechen von deutlich höheren Mengen freigesetzter Radioaktivität. Etwa 90 Prozent der freigesetzten Radioaktivität verblieben auf dem Betriebsgelände, zehn Prozent wurde durch Winde bis zu 400 Kilometer in nordöstliche Richtung verteilt. In der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse stellt der Unfall von 1957 ein Ereignis der Kategorie sechs, der zweithöchsten, dar. (Tschernobyl ist das einzige Ereignis der Kategorie sieben, der höchsten Kategorie). Nach Angaben des Helmholtz Zentrums München wurden die Auswirkungen des Unfalls lange Zeit unterschätzt.

Im Unterschied zur Tschernobyl-Katastrophe wurde das Material nur lokal und regional verteilt. Entscheidend dafür war, dass der heftige Graphitbrand in Tschernobyl einen Großteil der Radionuklide hoch in die Atmosphäre hinauf beförderte, während hier aufgrund geringerer Thermik eine eher bodennahe Wolke entstand. Durch die infolgedessen hohe Konzentration der Radioaktivität, aber auch durch mangelnde Aufklärung, die nicht flächendeckende Evakuierung der Gegend und unzureichende Entseuchung entstand ein hohes Maß an Schäden und insbesondere Folgeschäden in der betroffenen Region.[4] Etwa 200 Menschen starben sofort durch die Strahlung, über 200.000 wurden verstrahlt, eine Fläche von 800 Quadratkilometer ist heute noch wegen der Strahlung gesperrt. 30.000 Menschen werden bis heute regelmäßig auf Strahlenbelastung untersucht, erfahren aber nicht ihre Ergebnisse. Die zuständige Gesundheitsbehörde wertet dies offen als „Langzeitversuch“.[5] Die Bevölkerung litt und leidet bis heute an einer hohen Zahl strahlungsbedingter Krankheiten, wie Leukämie. Selbst vor den westlichen Ländern wurde dieser Unfall geheim gehalten – erst 1976 gelangten erste Informationen darüber an die westliche Öffentlichkeit!


[1] https://wasgeschahwirklich.wordpress.com/2009/11/24/der-kyschtym-unfall-wie-menschen-verstrahlt-und-unfreiwillig-zu-versuchskaninchen-wurden/
(Anm.: Hier ist übrigens auch in elf Teilen der unten erwähnte ARTE-Film „Albtraum Atommüll“ verlinkt.)

[2] Die Zeit, in der die Hälfte des strahlenden Materials zerfällt

[3] Einheit für die Strahlungsmenge: 1 Bq = 1 Zerfall pro Sekunde, entspricht dem „Knattern“ des Geigerzählers, der jeden Zerfall akustisch anzeigt; PBq = Petabecquerel = 1015 Becquerel = 1 Billiarde Becquerel

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Kerntechnische_Anlage_Majak bzw.
https://www.akw-unfaelle.de/1957/09/29/geheimakte-majak-russland-1948-heute/

[5] ARTE, 13.10.2009, 21:00 Uhr: „Albtraum Atommüll“,