Kategorien
Hintergründe Störfalle Störfälle

Update 23.03.2011, 23:00

Update 23.03.2011, 23:00
Plutonium tritt vermutlich aus!

(Tagesthemen 23:00 Uhr) Der Brand am Reaktor 3 setzt offenbar auch Plutonium frei. Die Trinkwasserbelastung mit Iod und Cäsium in Tokio hat deutlich zugenommen. Angeblich sei das Wasser „nur“ für Säuglinge gefährlich.

 

Die Lage in Fukushima I

zeigt sich am Mittwoch, 23.3.2011, 21:00 Uhr wie folgt[1]:

Die Tabelle finden Sie hier

Tabelle wird bei Änderungen fortgeschrieben, die Informationen findet man
unter https://www.jaif.or.jp/english/.

Bewertung: Langsam wird zugegeben, wie schlimm es wirklich ist … Alle drei Reaktordruckbehälter (= Containments) sind beschädigt, es gibt keinerlei Information über sie bzgl. Wasserstand (vermutlich Null) und Druck (vermutlich hoch, immer noch steigend). Kernschmelzen laufen vermutlich in allen drei Reaktoren. Gelingt es nicht, die Reaktoren unter Kontrolle zu bekommen (m.E. besteht dazu keine Chance), so tritt in absehbarer Zeit (in den nächsten Tagen) eine Schmelze oder eine Explosion der Stahl-Druckbehälter ein. In beiden Fällen wird dann eine wesentlich größere Menge Radioaktivität freigesetzt werden, wobei eine Explosion verhängnisvoller wäre.


Vermutlich alle vier Abklingbecken sind beschädigt, in dem Block 4 hat es eine Wasserstoffexplosion gegeben. Dies legt nahe, dass auch hier eine zumindest teilweise Kernschmelze eingetreten ist. Die Kühlungen erfolgen nur durch Besprühen von außen.

Hohe Radioaktivität am AKW

Die selbe Quelle (https://www.jaif.or.jp/english/.) meldet Radioaktivitäts-Messwerte. Messwerte von 2 Millisievert pro Stunde am Atomkraftwerk sind mit Sicherheit nicht übertrieben.

Es handelt sich um Auskünfte des „Japan Atomic Industrial Forums“. Viele Zeitungen beziehen sich darauf, genauso wie das BMU. Spon meldete am 15.3. morgens 400 mSv/h in Fukushima I  (Zeitpunkt der Explosion und des Brandes an Block 4) und am 23. März 2011, 500 mSv Fukushima-Daiichi, an Reaktor 2 Kyodo News (zitiert nach: DER SPIEGEL)[3]

Das Japanische Gesundheitsministerium setzte die zulässige Gesamt-Äquivalentdosis für die im Kernkraftwerk tätigen Arbeiter von 100 auf 250 mSv/a herauf.[4] Bei zehn 12-Stunden-Schichten vor Ort treten erste Krankheitssymptome auf. Bei dieser Menge treten Veränderungen im Blutbild, eine Erkrankung an Leukämie droht.

Aus aktuellem Anlass soll nochmals auf den 16.03.2011 21:09 Uhr hingewiesen werden:

US-Regierung rät US-Bürgern im Umkreis von 80 KM um AKW Fukushima zur Evakuierung

Die US-Regierung rät US-Staatsbürgern, die sich im Umkreis von 80 Kilometern um das japanische Unglücks-Atomkraftwerk Fukushima befinden, das Gebiet zu verlassen. Zumindest sollten die Menschen in ihren Häusern bleiben. Die japanische Regierung hat dagegen zum Schutz vor radioaktiver Strahlung bisher nur Gebiete im Umkreis von 20 Kilometern evakuiert.[5]

Bewertung: Die Meldungen der letzten Tage zeigen, dass eine Evakuierung in dieser Zone sinnvoll wäre. Der einzige Grund, weshalb sie nicht durchgeführt liegt vermutlich in den wirtschaftlich verheerenden Folgen, es wäre ca. 1,9 Mio. Menschen – vermutlich dauerhaft oder zumindest für längere Zeit – zu evakuieren.

 

Zum Vergleich:

Die Anzahl der zu evakuierenden Personen bei einer schweren Störung im Kernkraftwerk Cattenom/Frankreich wie folgt:

Radius von 20 km:           9.386 Menschen in Deutschland,

Radius von 30 km:         58.881 Menschen in Deutschland,

Radius von 40 km:       173.182 Menschen in Deutschland,

Radius von 80 km:    1.363.169 Menschen in Deutschland.

(Dank an Stephanie Nabinger, LAG Ökologie Rheinland-Pfalz)


Kategorien
Hintergründe Störfälle

Mega-Erdbeben in Japan – Probleme bei den AKWs

Mega-Erdbeben in Japan – Probleme bei den AKWs

Als größte Gefahr kristallisiert sich die Störung in Fukushima I (=Daiichi) heraus. Nach dem Erdbeben in Japan läuft das Notkühlsystem des Atomkraftwerks Fukushima nach japanischen Informationen nur noch im Batteriebetrieb. Das Kühlwasser sei abgesunken – die Brennstäbe zum Teil sichtbar. Die Batterien lieferten nur noch Energie für wenige Stunden, erklärte die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln unter Verweis auf japanische Angaben.[1] Fukushima I (=Daiichi) besteht aus sechs Siedewasser-Reaktor-Blöcken. Ob nur einer der Blöcke oder alles sechs betroffen sind, ist bisher völlig unklar. Bei weiteren Problemen mit der Kühlwasserversorgung droht eine Kernschmelze!

Stunden nach dem schweren Erdbeben in Japan ist die Lage auch bezüglich Schäden in Atomkraftwerken noch völlig unübersichtlich. Zwar unterliegen die Bauvorschriften vor japanische AKWs strengsten Bestimmung in Punkto Erdbebenschutz, sie sind jedoch maximal nur für ein Beben der Stärke 7,75, in besonders gefährdeten Regionen für Beben bis 8,25 auf der Richter-Skala ausgelegt. Das Beben vom 11.3.2011 hatte eine allerdings Stärke von 8,8 bis 8,9.[2]

Der japanische Regierungschef Naoto Kan hatte nach dem verheerenden Erdbeben Atomalarm ausgerufen. Angeblich „seien jedoch keine radioaktiven Lecks in oder in der Nähe von Atomkraftwerken festgestellt worden, hieß es zunächst. Der Regierungschef habe den atomaren Notfall deswegen ausgerufen, damit die Behörden leicht Notfallmaßnahmen ergreifen können“, sagte Regierungssprecher Yukio Edano.[3]

Die FAZ meldet: Fünf (??) Reaktoren in der am schwersten betroffenen Region im Nordosten der Hauptinsel Honshu wurden automatisch heruntergefahren. [Anm. der Red.: Hier gibt es 14 Reaktoren!] Das Atomkraftwerk Onagawa besteht aus drei Reaktoren, die von 1984 bis 2002 an der Ostküste von Honshu gebaut wurden. Dabei handelt es sich um Siedewasserreaktoren. In Onagawa kam es in der Vergangenheit mehrmals zu Störfällen. … Die Anlagen könnten von der Flutwelle und den Erschütterungen erheblich beeinträchtigt worden sein.[4]

WELT u.a. melden: Es sind im Nordosten Japans mindestens vier Kernkraftwerke beschädigt worden. Mehrere Tausend Anwohner eines der beiden Atomkraftwerkblöcke in der Provinz Fukushima wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Grund sei die Angst vor einem möglichen radioaktiven Leck, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Jiji Press unter Berufung auf lokale Behörden. In mindestens einem Reaktor ist die Kühlung ausgefallen. Wegen des Bebens hatten sich nach Angaben der Regierung in Tokio elf japanische Atomkraftwerke automatisch abgeschaltet. Am Atomkraftwerk Onagawa brach ein Feuer in einem Turbinengebäude aus, konnte aber inzwischen gelöscht werden.[5] [6] [7]

Das Risiko einer Kernschmelze mit anschließender radioaktiver Verstrahlung ist durch die automatische Schnellabschaltung von Reaktoren NICHT gelöst. Aufgrund der unkontrolliert freigesetzten Nachwärme besteht weiterhin eine hohe Gefahr,vor allem, wenn die Kühlung, wie offenbar zumindest in einem Block in der Region  Fukushima geschehen, ausfällt. Das wesentlich geringere Erdbeben der Stärke 6,6 im Juli 2007 in der Provinz Niigata führte in der aus sieben Reaktoren bestehenden weltgrößten Atomanlage Kashiwazaki-Kariwa zu etwa 50 technische Defekte registriert, die der Betreiber zunächst nicht gemeldet hatte.[8]

 

Als besonderes Problem könnte sich zeigen, dass alle betroffenen Reaktoren als Siedewasserreaktoren ausgeführt sind. Bei diesen wird der Wasserdampf zum Antrieb der Turbinen direkt radioaktiv erhitzt, während bei den in Europa gebräuchlicheren Druckwasserreaktoren ein weiterer Kreislauf dazwischen geschaltet ist, über den per Wärmetauscher der Wasserdampf erzeugt wird. Der radioaktive Kreislauf ist somit nicht auf den Sicherheitsbehälter beschränkt. Somit die die Gefahr einer Freisetzung von Radioaktivität bei Siedewasserreaktoren wesentlich höher!

 

 

Die japanischen AKWs in der am stärksten betroffenen Region:

Fukushima Daiichi: sechs Blöcke, Siedewasser-Reaktoren, ab Baujahr 1971

https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Fukushima_Daiichi

 

Fukushima Daini: vier Blöcke, Siedewasser-Reaktoren, ab Baujahr 1982

https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Fukushima_Daini

 

Onagawa: drei Blöcke, Siedewasser-Reaktoren, ab Baujahr 1984

https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Onagawa

 

Tōkai: ein Block, Siedewasser, Baujahr 1966

https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_T%C5%8Dkai

 

 

 

 

 

 

 


[1] https://www.tagesschau.de/ausland/erdbebenjapan110.html

[2] https://www.tagesschau.de/ausland/akwsicherheit104.html

[3] https://www.focus.de/panorama/welt/erdbeben-angst-vor-radioaktivem-leck-anwohner-auf-flucht_aid_607508.html

[4] https://www.faz.net/s/RubB08CD9E6B08746679EDCF370F87A4512/Doc~EE85CC7C71A9A4FCDA6B01FBC0B97E9AA~ATpl~Ecommon~Scontent.html

[5] Quelle: u.a. https://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article12776626/Japanische-Regierung-ruft-atomaren-Notstand-aus.html

[6] https://www.focus.de/panorama/welt/erdbeben-angst-vor-radioaktivem-leck-anwohner-auf-flucht_aid_607508.html

[7] https://www.sueddeutsche.de/panorama/erdbeben-zehn-meter-tsunami-trifft-japans-kueste-1.1070525

[8] https://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article12776626/Japanische-Regierung-ruft-atomaren-Notstand-aus.html