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Hintergründe

Marianne Fritzen, Franz Alt und Henrik Paulitz für „Vollständiger Atomausstieg bis 2017“

Marianne Fritzen, Franz Alt und Henrik Paulitz äußern sich für den Antrag „Vollständiger Atomausstieg bis 2017“, den Karl-W. Koch zur Sonder-BDK der Grünen am Samstag stellen wird!

Henrik Paulitz, Energie- und Atomexperte der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW: „Der geplante Teil-Atomausstieg wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht verfassungsfest und entschädigungssicher geregelt, so dass dieser scheitern kann bzw. milliardenschwere Entschädigungsklagen Aussicht auf Erfolg haben. Die Regierung möchte zudem die Stilllegung von neun Atomkraftwerksblöcken auf die lange Bank verschieben und künftigen Mehrheiten die Option für erneute Laufzeitverlängerungen offen halten. Eine Absicherung des Atomausstiegs über eine Grundgesetz-Änderung lehnt sie daher vehement ab. Die Pläne der Bundesregierung beinhalten keine Energiewende, da der dezentrale Ausbau der erneuerbaren Energien (Photovoltaik, Onshore-Windenergie, dezentrale Energiespeicher in Bürgerhand) weiterhin systematisch bekämpft wird. Die Regierung setzt vielmehr zugunsten der Energiekonzerne auf ein weiterhin zentralisiertes Energiesystem mit neun Atomkraftwerken, zahlreichen neuen Kohle-Großkraftwerken, auf einen überflüssigen Verbundnetzausbau und auf Offshore-Windparks. Die Bevölkerung soll dieses teure Energiesystem über drastisch steigende Energiepreise bezahlen, statt selbst von einer dezentralen Energiewende zu profitieren. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung dieses Antrags vollkommen richtig, die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen aufzufordern, alle vorliegenden Gesetzesvorlagen der Regierung Merkel abzulehnen.

Unterstützt wird der Antrag, “ mit sonnigen Grüßen“ von Franz Alt und mit dem Komentar:

„Atom-Risiko bis 2022? Nicht mit uns!“ von Marianne Fritzen, Mitbegründerin und langjährigen Vorsitzenden der Bürgerinitiative Umweltschutz, Petra-Kelly-Preisträgerin

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Störfälle

AKW Isar-1 – Kühlwasserpegel sank – Reaktorschnellabschaltung

IPPNW-Presseinformation vom 23. März 2011

Reaktorschnellabschaltung im Atomkraftwerk Isar-1
Kühlwasserpegel in Reaktordruckbehälter sank

Dass die deutsche Atomindustrie ihre Anlagen noch nicht einmal beim Abschalten im Griff hat, demonstrierte E.On beim Herunterfahren des bayerischen Atomkraftwerks Isar-1. Am vergangenen Donnerstag (17. März) kam es offenbar gegen 16 Uhr beim Abschalten des Atommeilers zu einem Absinken des Kühlwasserpegels im Reaktordruckbehälter. Das löste ein Reaktorschutzsignal aus, infolge dessen kam es zu einer Reaktorschnellabschaltung.
„Obwohl das Vorkommnis schon mehrere Tage zurückliegt, beschränkt sich E.On auf eine dürre Pressemitteilung. Die Ursache für den Füllstandsabfall im Kern wird bislang verschwiegen“, kritisiert Henrik Paulitz von der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW. „Dabei hat die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf, umgehend zu erfahren, warum Atomkraftwerksbetreiber in Deutschland noch nicht einmal dazu in der Lage sind, ein Atomkraftwerk stillzulegen, ohne den Reaktorschutz auszulösen und ein Sicherheitssystem in Anspruch zu nehmen.“
Unabhängig davon, dass die Anlage auslegungsgemäß reagiert haben soll, ist dieses Vorkommnis für die IPPNW ein weiterer Beleg dafür, dass man diese Risikotechnologie nicht vollständig in den Griff bekommt. Isar-1 muss allein deswegen dauerhaft stillgelegt werden, weil sich das Brennelement-Lagerbecken außerhalb des Sicherheitsbehälters befindet.

Hintergrund:

Isar-1 gehört neben den Anlagen Philippsburg-1, Brunsbüttel und Krümmel zu den Siedewasserreaktoren der Baulinie 69. Die Kernnotkühlung im Hochdruckbereich besteht bei diesen Anlagen aus nur zwei einsträngigen Systemen. Bei Kühlmittelverluststörfällen (Leck-Störfällen) kann aufgrund der unterschiedlichen Förderleistung beider Systeme offenbar nur das eine der beiden Systeme den Reaktorkern ausreichend kühlen.
Der Reaktordruckbehälter dieser Atommeiler ist eine gefährliche Fehlkonstruktion. In Österreich wurde bei einem baugleichen Atomkraftwerk moniert, dass noch nicht einmal den Vorschriften der „Dampfkesselverordnung“ entsprochen wurde.(Anm.: Gemeint ist vermutlich das AKW Zwentendirf, das nach einer Volksabstimmung allerdings nie ans Netz gegangen ist.)

Ein „Schwachstellenbericht“ vom Oktober 2010 im Auftrag dreier österreichischer Landesregierungen vom Oktober 2010 bestätigt, dass an der kritischen Bodenschweißnaht des Reaktordruckbehälters Spannungen auftreten können, die mit 326 Newton/mm2 den genehmigten und zulässigen Wert von 177 N/mm2 weit überschreiten. Schon im Normalbetrieb können gefährliche Ermüdungsrisse entstehen, ohne dass dies durch Prüfungen vorhersehbar wäre.
Käme es in Isar-1, Philippsburg-1, Brunsbüttel oder Krümmel auf diese Weise zu einem Leck direkt am Reaktordruckbehälter, dann stünde die Kühlfähigkeit des Reaktorkerns grundsätzlich in Frage.
Eine Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) von 2006 kam zum Ergebnis, dass die Kernschmelzfestigkeit von Isar-1, Philippsburg-1 und Brunsbüttel katastrophal schlecht ist. In mehr als 50 Prozent der Kernschmelz-Fälle ist mit einer sehr großen und frühzeitigen Freisetzung von Radioaktivität zu rechnen, weil es bei einem Versagen des Reaktordruckbehälters auch zum Versagen des Stahl-Containments im Bereich der Steuerstabantriebe kommt. Die Folgen eines schweren Atomunfalls in Deutschland wären wegen der größeren Bevölkerungsdichte weitaus schlimmer als nach Tschernobyl.
Kontakt: Henrik Paulitz (Atomexperte), Tel. 0032-485-866 129