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Abrüstung Atom und Politik Hintergründe

Nukleare Teilhabe beenden

Anfang August 2021 wurde von IPPNW und ICAN Deutschland ein Papier „Impulse für ein atomwaffenfreies Deutschland, Nukleare Teilhabe beenden, nukleare Abschreckung delegitimieren“ vorab veröffentlicht. [HIER der Link zum gesamten Papier].

Verfasser:innen / Beteiligte in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen:
(Die mit Autor:innen gekennzeichneten Texte sind von den Genannten verfasst, die nicht gekennzeichnete Texte entstanden im Team)
Anne Balzer, Inga Blum, Helmut Domke, Xanthe Hall, Leo Hoffmann-Axthelm, Karl-Wilhelm Koch, Christoph von Lieven, Johannes Mikeska,
Hans-J. Misselwitz, Lars Pohlmeier, Johannes Oehler, Jürgen Scheffran,
Thomas Schmidt, Ralph Urban

Nachfolgende finden Sie eine Zusammenfassung:

Zusammenfassung –
Impulse für ein atomwaffenfreies Deutschland
Nukleare Teilhabe beenden,
nukleare Abschreckung
delegitimieren

Die bisherige Rüstungskontrolle droht Geschichte zu werden. Die Atomwaffenstaaten, allen voran die USA und Russland, rüsten ihre Atomwaffensysteme auf, die Zahl der einsetzbaren Atomwaffen steigt wieder. Das Ende des INF-Vertrags zur Begrenzung von Mittelstreckenraketen in Europa und die Modernisierung der in Deutschland im Rahmen der nuklearen Teilhabe stationierten Atomwaffen verschärfen das Wettrüsten und erhöhen die Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen in Europa. Wer eine nuklearwaffenfreie Welt will, muss neue Wege beschreiten.
Eine Perspektive auf Abrüstung und Abschaffung der Atomwaffen bietet der am 22. Januar 2021 in Kraft getretene UN Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) – ein echter Schritt zur Demokratisierung der internationalen Nuklearwaffenpolitik.
Die Bundesregierung lehnt den Beitritt zum AVV und das dafür notwendige Ende der nuklearen Teilhabe bisher – ebenso wie die Atomwaffenstaaten – ab. Die Bundesregierung argumentiert, man müsse an der nuklearen Abschreckung festhalten, der AVV schwäche den Nichtverbreitungsvertrag (NVV) und der Beitritt zum AVV sei nicht mit der NATO Mitgliedschaft vereinbar. Dieses Papier gibt Antworten auf die Argumente der Bundesregierung zum Atomwaffenverbot, erläutert die nukleare Teilhabe in Deutschland und hinterfragt die vermeintlich sicherheitsstiftende Funktion nuklearer Abschreckung. Die umfassenden Belege zu den Risiken eines Atomwaffeneinsatzes und den humanitären Folgen von Atomwaffen müssen Grundlage eines verantwortungsbewussten politischen Handelns werden.
Der Atomwaffenverbotsvertrag ist die Reaktion der Staatengemeinschaft auf das Scheitern des alten Rüstungskontrollregimes. Auf jeder Überprüfungskonferenz des NVV appelliert die große Mehrheit der atomwaffenfreien Staaten an die Besitzer von Nuklearwaffen, ihrer dort eingegangenen Verpflichtung „zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.“ (Artikel VI, NVV) nachzukommen. Diese Appelle sind jedes Mal ungehört verhallt.
Der multilaterale Verbotsvertrag baut auf dem Nichtverbreitungsregime auf und verankert das Verbot von Atomwaffen ausdrücklich im Völkerrecht. Ein (rechtlicher) Widerspruch zum NVV kann dabei nicht festgestellt werden und das Überwachungsregime des NVV wird übernommen und gestärkt.
Wenn Deutschland dem AVV beitritt, müssten die im Rahmen der nuklearen Teilhabe in Büchel, Rheinland-Pfalz stationierten Atomwaffen abgezogen werden. Im Fall eines Beitritts zum AVV wären jedoch Deutschlands Mitspracherechte in der NATO nicht beeinträchtigt. Beispiele für NATO-Mitgliedsstaaten, die ihre einstige nukleare Teilhabe beendet haben, sind Kanada und Griechenland. Spanien, Litauen, Dänemark, Norwegen und Island haben sogar die Stationierung von Atomwaffen auf ihrem Gebiet ausgeschlossen und sind weiter in der NATO. Die Beendigung der nuklearen Teilhabe ist ein längst überfälliger Schritt, denn sie ist ein Relikt des Kalten Krieges – sie hat ihren militärischen und politischen Sinn verloren und das Festhalten daran ist ein fortwährendes Sicherheitsrisiko. Im Ernstfall wäre Rheinland-Pfalz erstes Angriffsziel.
Die ab 2022 geplante Modernisierung von Atomwaffen mit erweiterten Fähigkeiten wäre die erste nukleare Aufrüstung Deutschlands seit Anfang der 80er Jahre in Folge des NATO Doppelbeschlusses. Um die Fortsetzung der nuklearen Teilhabe zu gewährleisten, kündigte das Verteidigungsministerium im April 2020 an, neue atomwaffenfähige Trägerflugzeuge vom Typ F18 zu beschaffen. Dies führte zu einer breiten öffentlichen Debatte über die Zukunft der nuklearen Teilhabe. Daher wurde diese Entscheidung in die nächste Legislaturperiode vertagt.
Historisch betrachtet ist es eindeutig, dass sich das Verhalten von Staaten erst ändert, wenn der Besitz von Massenvernichtungswaffen klar geächtet wird. Das Inkrafttreten von früheren Abrüstungsverträgen etwa zu Nukleare Teilhabe beenden 43 Nukleare Abschreckung delegitimieren Landminen und Streumunition zeigt, dass sich auch das Verhalten von Staaten ändert, die nicht beitreten. Auch im Ächtungsprozess zu Landminen und Streumunition gab es anfangs allerdings entschiedenen Widerstand, insbesondere aus der NATO. Schon heute ist ein wichtiger Effekt des Verbots von Atomwaffen die nachhaltige Veränderung der Abrüstungsdebatte.
Die baltischen Staaten und die Ukraine, die diese Bomben angeblich vor Russland schützen sollen, sind durch sie eher bedroht. Es gibt kein militärisches Szenario, in dem Atomwaffen der nuklearen Teilhabe sinnvoll eingesetzt werden könnten.
Verfechter der nuklearen Abschreckung behaupten, Atomwaffen hätten über 70 Jahre lang einen Konflikt zwischen den Großmächten abgewendet. Belastbare Evidenz für diese Behauptung gibt es nicht. Die Geschichte der Beinah-Katastrophen lässt den Schluss zu, dass nicht wegen, sondern trotz der nuklearen Abschreckung ein großer Nuklearkrieg zwischen den USA und der UdSSR ausgeblieben ist. Die lange Liste von Missverständnissen, Unfällen und technischen Fehlern belegen, dass das Risiko eines Atomkrieges inakzeptabel hoch ist.
Das Festhalten am Konzept der nuklearen Abschreckung führt zu einem Sicherheitsdilemma und damit zu Wettrüsten sowie zur Weiterverbreitung von Atomwaffen.
Die künftige Bundesregierung steht in der Verantwortung, diesem Dilemma entgegenzuwirken. Dazu ist auch Deutschlands Rolle zu hinterfragen: Die künftige Bundesregierung muss mit konkreten Schritten die Beendigung der nuklearen Teilhabe und den Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag einleiten und eine offene und kritische Debatte in der NATO zur künftigen Rolle von Atomwaffen einfordern – und somit auf eine Reduktion der Bedeutung von Atomwaffen hinwirken. Erste konkrete Maßnahmen sollten die Teilnahme an der ersten Staatenkonferenz des AVV und eine klare Absage an die Beschaffung neuer Atomwaffenträgersysteme sein. Damit würde eine künftige Bundesregierung den Verpflichtungen Deutschlands aus dem Nichtverbreitungsvertrag gerecht werden. Sie würde auch den Bestimmungen zur deutschen Wiedervereinigung entsprechen, nach denen Deutschland erklärt hat, auf Herstellung, Besitz und Verfügungsgewalt von ABC Waffen zu verzichten.

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Atom und Politik Hintergründe

Parteibeschluss zur europäischen Atompolitik

Der Parteitag der grünen (BDK) beschloss am Freitag, 7.2.2014 mit geringfügigen Änderungen und einer Ergänzung zur Uranförderung und Verarbeitung von Stefan Boxler u.a. den von Karl-W. Koch erarbeiteten und vorgelegten Antrag:

Für ein Europa ohne atomare Bedrohung

Darin wird eine „grüne“ Atompolitik in Europa und weltweit für die nächsten Jahrzehnte skizziert und der Weg dorthin beschrieben. Die wesentlichen Forderungen dabei sind:

Wir werden uns daher dafür einsetzen, dass …

• die in Büchel gelagerten und im Widerspruch zum Atomwaffensperrvertrag (NVV) unter deutscher „Nuklearer Teilhabe“ stehenden Atombomben, endlich abgezogen und vernichtet werden, statt sie zu modernisieren.
• Europa atomwaffenfrei wird.
• Den Euratomvertrag wollen wir durch ein neues Vertragswerk zur Förderung Erneuerbarer Energie ersetzen. Dazu wollen wir die Dezentralisierung der Energieversorgung fördern und die intelligente Vernetzung vorbringen.
• die Aufnahme von multilateralen Verhandlungen der offiziellen Atommächte USA, Russland,
China, Großbritannien und Frankreich, der faktischen Atommächte Nordkorea, Indien und Pakistan sowie der inoffiziellen Atommacht Israel initiiert wird mit dem Ziel der vollständigen Abrüstung.
• Deutschland und die anderen europäischen Staaten die von Neuseeland eingebrachte und bisher von 125 Staaten (inkl. der NATO-Staaten Dänemark, Norwegen und Island) unterzeichnete Erklärung „UNGA 68: First Committee Joint Statement on the Humanitarian Consequences of Nuclear Weapons” unterstützt, in welcher der Einsatz von Atomwaffen unter allen Umständen verurteilt wird.
• die ausnahmslose „Ächtung“ des Besitzes von Atomwaffen durch die VN angestrebt wird.
• die Verarbeitung von Uran europaweit beendet wird.
• mit unseren europäischen Partnern verantwortbare Endlagerkonzepte entwickelt und in allen Ländern, wo Bedarf besteht, dauerhaft sichere Endlager unter frühzeitiger und umfassender Beteiligung der BürgerInnen der betroffenen Regionen geschaffen werden.
• der Abbau von Uran international geächtet wird.

Den vollständigen Beschluss finden Sie hier zum Download:

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Störfälle

Explosion in franz. Atomanlage Marcoule

nach ersten Recherchen ergibt sich folgendes Bild (12.9.2011, 15:30 Uhr)

Zusammenfassung

Heute erfolgte eine schwere Explosion in einer französischen Atomanlage mit 3 ehemaligen Reaktoren in der Nähe von Avignon. Dabei gab es mind.  4 Verletzte und einen Toten, offenbar alles Arbeiter der Anlage. Entgegen ersten Aussagen ist doch noch ein in Betrieb befindlicher Reaktor auf dem Gelände, der vom Militär genutzt wird. Die 3 konventionellen Reaktoren sind bereits seit längerem abgeschaltet. U.a. werden auf dem Gelände noch MOX-Elemente verarbeitet. Auch wird radioaktiver Abfall aufbereitet u.a. offenbar durch Verbrennung (zur verringerung der einzulagernden Menge). Bei diesem Prozess kam es offenbar in einem Öfen zu einer konventionellen Explosion, bei der jedoch vermutlich Radioaktivität freigesetzt wurde. Jedenfalls wurde sofort eine Sperrzone eingerichtet.

Die Arbeiter vor Ort sind in der Atomanlage eingeschlossen und bekommen keine Informationen zur aktuellen Lage, wie ein Freund eines Mitarbeiters auf „20minutes.fr“ berichtet. (Quelle Focus)

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SpON:

Auf dem Gelände des Atomkraftwerks Marcoule in Frankreich hat sich eine Explosion ereignet. Nach Angaben der Behörden besteht die Gefahr, dass radioaktives Material aus der Anlage bei Avignon freigesetzt wird. Paris – Am südfranzösischen Atomkraftwerk Marcoule gab es am Montag eine Explosion. Es bestehe die Gefahr, dass radioaktives Material aus der Anlage in der Nähe von Avignon im Rhônetal entweiche, teilten die örtlichen Behörden und die Feuerwehr mit. Demnach explodierte ein Ofen in dem Kernkraftwerk. Es habe vier Verletzte gegeben, teilte die französische Atomaufsicht mit.

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Süddeutsche Zeitung:

Strahlen sind der ASN und der örtlichen Polizei zufolge nicht ausgetreten. Allerdings bestehe die Gefahr, dass radioaktives Material aus der Anlage in der Nähe von Avignon entweiche, teilten die örtlichen Behörden und die Feuerwehr mit. Demnach soll ein Ofen in dem Kernkraftwerk explodiert sein.

Es sei eine Sicherheitszone eingerichtet worden. Noch seien durch die Explosion eines Ofens aber keine gefährlichen Stoffe in die Umwelt gelangt. Die Anlage wird zum Teil von dem staatlichen Atomkonzern Areva für die Aufarbeitung abgebrannter Uran-Brennstäbe genutzt, aus denen in Öfen das Uran-Plutonium-Gemisch MOX produziert wird. Der Vorfall habe sich nach Angaben der Atomaufsichtsbehörde im Zentrum der Gesellschaft Socodei ereignet, einer Tochtergesellschaft von Electricité de France (EDF), berichtet Le Figaro.

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Die FAZ meldet einen Toten

Explosion in französischem Atomkraftwerk – ein Toter

Auf dem Gelände des südfranzösischen Atomkraftwerks Marcoule hat sich eine Explosion ereignet. Ein Verbrennungsofen für schwach radioaktive Abfälle sei explodiert, meldet sagte eine Sprecherin der Atomanlage. Ein Arbeiter kam bei der Explosion ums Leben.

Bei der Explosion eines Ofens für radioaktive Abfälle auf dem Gelände einer Atomanlage in Südfrankreich ist ein Mensch ums Leben gekommen. Ob Radioaktivität in die Umwelt gelangt sei, wisse man nicht, sagte eine Sprecherin der Atomanlage in Marcoule am Montag. „Es handelt sich um einen Verbrennungsofen für schwach radioaktive Abfälle“, sagte sie. Die Ursache war zunächst nicht bekannt.

Es bestehe die Gefahr, dass radioaktives Material aus der Anlage in der Nähe von Avignon entweiche, teilten die örtlichen Behörden und die Feuerwehr mit. Deshalb sei eine Sicherheitszone eingerichtet worden. Die Anlage wird zum Teil von dem staatlichen Atomkonzern Areva für die Aufarbeitung abgebrannter Uran-Brennstäbe genutzt, aus denen in Öfen das Uran-Plutonium-Gemisch MOX produziert wird.

s.a. Wikipedia, das tatsächlich schon aktualisiert ist!!!!!!

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Hintergrund (Erg.: Dieter Kaufmann):

Das AKW Marcoule ist ein stillgelegtes Atomkraftwerk in Frankreich. Es liegt bei den Gemeinden Chusclan und Codolet etwa 30 Kilometer nördlich von Avignon in der französischen Region Languedoc-Roussillon im Département Gard an der Rhône. Das AKW, das aus drei UNGG-Reaktoren bestand, befindet sich auf dem Areal der Nuklearanlage Marcoule, auf dem sich ebenfalls die Atomanlage Phénix befindet.
Das AKW wurde von den französischen Gesellschaften Électricité de France (EDF) und Commissariat à l’énergie atomique (CEA) betrieben.
Der erste UNGG-Reaktor hatte eine Nettoleistung von zwei Megawatt (MW) und wurde nur militärisch genutzt. Die Nettoleistung der beiden anderen UNGG-Reaktoren lag bei jeweils 38 MW. Die Bruttoleistung lag bei 43 MW.
Der erste Reaktorblock (G1) ging am 7. Januar 1956 in Betrieb und wurde am 15. Oktober 1968 stillgelegt. Es war nach dem Reaktorblock im russischen Obninsk der zweite weltweit, der in ein kommerzielles Stromnetz ein speiste. Der Reaktor produzierte jedoch auch Plutonium für Atombomben. Baubeginn für den zweiten und dritten Reaktorblock (G2 und
G3) war am 1. März 1955. Der zweite ging am 22. April 1959 in Betrieb, der dritte am 4. April 1960. Der zweite Reaktorblock wurde am 2. Februar 1980 abgeschaltet und der dritte am 20. Juni 1984.
Das Gelände wird heute von Areva mit genutzt um Mox Brennelemente herzustellen. In einem Verbrennungsofen ist Explosion erfolgt.
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weitere Details (fr. Wikipedia)

(Dank an Heide v. Schütz) Hier aus dem französischen Wikipedia noch ein paar Details:
Genaue geographische Lage: an der Rhone zwischen Montelimar und Avignon, 45 km nordöstlich von Nimes in einer Region mit Weinbau, Landwirtschaft und Tourismus.
Nutzung/Geschichte: Ursprüngliche für militärische Zwecke erbaut (Forschungen zur Atombombe). Drei Reaktoren, in den Klammern die Laufzeiten):
G1 (1956-1968)
G2: (1958-1980)
G3: 1959-1984)
Dann gibt es noch den Reaktor Celestin, in Betrieb seit 1967, zur Tritium-Herstellung zur “Landesverteidigung”. Das Militär benutzt Tritium in den Atomsprengköpfen und auch zu Kernfusionsforschung. Die kurze Halbwertzeit des Tritium erfordert einen ständigen Austausch in den gelagerten Atomwaffen.
Produktionen auf dem Gelände: außer MOX-Herstellung gibt es ein atomares Zwischenlager, ein zentrales Forschungsinstitut zur Endlagerung, militärische Atomanlagen. 
 

 

 

 

 

Karl-W. Koch 06593 989261 www.stoerfall-atomkraft.de