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Endlagersuchgesetz – Partizipation nur als Schmalkost

Ich kann, denke ich parteiübergreifend, folgendes voraussetzen:

  • Die Endlagerung stellt ein immenses, allein wegen der astronomischen Zeiträume kaum abzuschätzendes Großrisiko dar
  • Sie führt zu enormen Einschnitten in der von einer Endlagerung betroffenen Region. Riesiges Bauvorhaben, Hunderte von CASTOR-Transporten, möglicher Ruf, die Atommüllkippe der Nation zu werden
  • Zugleich wissen im Kern alle, die sich damit beschäftigen: Die Gesellschaft, damit ihre Bürgerinnen, haben die Verantwortung, in der nächsten Zeit die am wenigsten riskante Lösung einer Endlagerung zu finden.

Und ich dachte bisher, man hätte aus den drei skizzierten Gründen folgendes gelernt:

Man wird die von einem Endlager direkt oder indirekt betroffenen Menschen weitaus tiefgreifender in Planung und Entscheidung  einbinden müssen, als das bisher bei Großvorhaben der Fall gewesen ist. Wenn man dass unterlässt, riskiert man, dass die Endlagersuche eben gegen den Willen der Betroffenen von der Staatsgewalt (im hoffentlich nur metaphorischen Sinn) durchgeknüppelt wird. Zumindest den Parlamentariern unterstelle ich, dass sie mit ihrem anstehenden Gesetzesbeschluss nicht eine autoritäre Erzwingung des Endlagers vorprogrammieren wollen.

Genau das aber, fürchten wir, tun sie mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag. Sicher, es soll  in den einzelnen Phasen der Endlagersuche eine frühzeitige und umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden , Dialoge geführt werden, Bürgerkonferenzen einberufen, Bürgerbüros eingerichtet, Mediation zugesichert werden. Dennoch: Die faktische Entscheidungsgewalt im Suchverfahren weisen das Gesetz einer Zentralbehörde zu, die es überhaupt noch nicht gibt und die in den kommenden Jahren hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt sein wird.

Der Dialog, der im Such- und Planungsverfahren vorgesehen ist, findet wie im klassischen Planverfahren zwischen gänzlich ungleichen Partnern statt. Entscheidungen werden, trotz  erklärter Dialogbereitschaft, ausschließlich von der Behörde getroffen. Diese Ungleichheit schafft kein Vertrauen, sondern generiert Ablehnung, Verdrossenheit, Konflikte. Die beteiligten BürgerInnen können vorschlagen, argumentieren, Expertenmeinungen einholen, diskutieren. Wenn es aber um die Wurst, nämlich die Entscheidungen geht, sind sie außen vor, entschieden wird von der Behörde, weitergereicht an die Bundesregierung und abgesegnet vom Bundestag..

Wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten oft erlebt, wohin eine solche Art von Bürgerbeteiligung bei Großvorhaben führt. Wirkliche Akzeptanz wird so nicht erreicht, im besseren Fall Resignation, im schlimmeren Verbitterung und Dauerproteste der Betroffenen und derjenigen, die sich mit ihnen solidarisieren. Bei einem Großprojekt von solchen Ausmaßen und solchen Langzeitrisiken, mit dem wir es hier zu tun haben, ist das erst recht zu erwarten.

In puncto Bürgerbeteiligung bei der Endlagerplanung waren wir vor 10 Jahren schon weiter und es ist bedauerlich, dass dieses Gesetz gegenüber den Konzepten, die seinerzeit der „AK End“ erarbeitet hat, einen Rückfall darstellt. Ich hätte im Übrigen gerne gewusst, ob und inwieweit das BFS an der Ausarbeitung des Standortgesetzes beteiligt war. Denn mich wundert, weshalb das damals erarbeitende Konzept der mitgestaltenden Bürgerbeteiligung nicht in das Gesetz eingegangen ist. Kann das erklärt und geklärt werden?

Nach dem AK End Konzept wir der Bevölkerung und den kommunalen Gremien in den betroffenen Regionen glaubhaft das Angebot gemacht, in den Recherchen, Planungen, Entscheidungsvorbereitungen mitzuwirken, mit zu gestalten und so auch mit zu entscheiden – und zwar von Beginn an. Der Vorschlag war aus guten Gründen, es in der Endlagersuche mit einem Planungsprozess auf Augenhöhe ernsthaft zu versuchen. Zu recht, denn die Menschen sind doch nicht blöd. Natürlich wissen sie, welchen riesigen und in vielfacher Hinsicht höchst unerfreulichen Eingriff ein Endlager in ihrer Region darstellt. Aber gleichzeitig wissen sie doch auch, dass es schlicht notwendig und unausweichlich ist, die nuklearen Abfälle in den zumindest relativ gesehen deutlich höheren Schutz einer unterirdischen geologisch abgedichteten Lagerung zu verbringen. Wir sollten mutig und selbstbewusst auch auf das Verantwortungsgefühl der Menschen setzen. Dann aber müssen wir sie gleichwertig beteiligen.

Mitwirkung in diesem Sinn bedeutet auch Mit den Menschen und kommunalen Gremien gemeinsam Zukunftskonzepten für ihre Region zu erarbeiten. Was tun, damit ihr nicht der Stempel der Atommüllkippe aufgedrückt wird? Wie kann das kompensiert werden? Welche Potentiale und Chancen bietet die betroffene Region, die genutzt und ausgebaut werden können?

Nach diesem Konzept der partizipatorischen Mitgestaltung, die das seinerzeit im AK End entwickelt worden ist, muss man auch bereit sein, über die Einleitung  wie über Teilschritte der Endlagersuche Bürgerentscheide und mehrheitliche Zustimmungen der kommunalen Parlamente zuzulassen. Nur so wird klar, dass es mit dem Angebot der Partizipation ernst gemeint ist.

Der vorliegende Gesetzentwurf bietet das alles nicht. Wenn er so beschlossen wird, ist eine Schmalkost der Bürgerbeteiligung faktisch festgeschrieben und damit ein Scheitern der Endlagersuche vorprogrammiert. Sie könnte dann nur autoritär durch die Staatsgewalt durchgesetzt werden.

Dass die einzusetzende Bund-Länder Kommission bis 2015 Vorschläge für Veränderungen im Gesetz macht, welche die Öffentlichkeitsbeteiligung erweitert, halten wir für sehr unwahrscheinlich. Denn zum einen steht es der Mehrheit im neu zu wählenden Bundestag frei, diese Vorschläge anzunehmen oder sie zu verwerfen. Und zweitens spricht die Zusammensetzung der Kommission dagegen. Wenn jede/r Zweite ein Bundestagsabgeordneter oder Regierungsvertreter ist, ist das keine Einbeziehung der Zivilgesellschaft sondern eine Misstrauenserklärung an diese. Das Übergewicht von Politik und Regierung schafft weder Vertrauen noch Teilnahmebereitschaft, sondern Distanz, Befremden und Verärgerung.

In eine solche Kommission gehören nicht Volksvertreter, sondern unabhängige Experten, und zwar auch sozialwissenschaftlich und philosophisch geschulte, gemeinsam mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Aufgabe der Regierungen ist, die von diesen erarbeiteten Konzepte zur Endlagersuche zu bewerten und die der gewählten Volksvertreter, diese Konzepte so oder in veränderter Form per Gesetz zu beschließen.

Das  geht aber nicht, wenn man jetzt schon mit dem vorliegenden Entwurf den Verfahrensablauf der Endlagersuche bis ins Detail beschließt. Es kann dann allenfalls noch kosmetische Korrekturen geben. Unser Vorschlag also und in Kurzform:

Beschränken Sie sich auf ein Rahmengesetz, welches die Einleitung eines wirklich ergebnisoffenen Suchgesetzes unter Darlegung der hier einzuleitenden Phasen skizziert. Und setzen sie jetzt zwei Kommissionen ein,

  • Die erste aus unabhängigen Wissenschaftlern, welche die Sicherheitskriterien für ein nukleares Endlager erarbeiten
  • Die zweite aus, auch sozialwissenschaftlichen, ExpertInnen und der Zivilgesellschaft, welche das Verfahren der Endlagersuche im Detail konzipiert.

Erst auf der Basis der Ergebnisse der beiden Kommissionen sollten Bundestag und Bundesrat ein detailliertes Gesetz zur Endlagersuche beschließen.

Dr. Hartwig Berger

Grüne Liga und Ökowerk Berlin e.V.

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