(Zur Erläuterung: Vor einem Jahr in Halle gab es den beiliegenden Antrag zur Uranmunition (BDK-Antrag-Uranmunition_finaldoc) von mir und anderen, dieser fiel durch das Ranking und wurde an die Fraktion zur „Bearbeitung“ (m.W. NICHT zur Abgabe einer Stellungnahme) verwiesen. Heute – ein Jahr später – kam die ebenfalls beiliegend Antwort (AK 4 zu V-30). Darauf bezieht sich meine Replik.)
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Lieber Michael
besten Dank für die Übersendung der Bearbeitung meines BDK-Antrages von vor einem Jahr. Allerdings finde ich die Stellungnahme durch den AK 4 als nicht befriedigend und den Anforderungen nicht gerecht werdend. So werden wesentliche Fragen nicht beantwortet und in einem wesentlichen Punkt wird – unbelegt! – ein Widerspruch konstruiert und dieser damit abgehakt.
Im Einzelnen:
- Zunächst freut es mich, dass festgestellt wird, dass „Der Antrag … im Ziel die Position zu Uranwaffen, die auch von der Fraktion und Partei
angestrebt wird: Ächtung des Einsatzes von Uranmunition (vertritt ) und „Der Antrag V-30 … diese Zusammenhänge korrekt wieder(gibt ).“ - Dass die „Fakten („entsetzliche Spätfolgen, katastrophale gesundheitliche Auswirkungen“), die bei diesem Thema strittig sind und bis jetzt verhindert haben, dass es hier international zu einer klaren Position kommt.“ ist eine nicht verständliche Behauptung, die auch in der Folge nicht belegt wird. Der AK 4 steht damit u.a. in Widerspruch zu IPPNW (https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/IPPNW_ICBUW_Report_DU_Munition_2012.pdf). Vermutlich ist gemeint, dass „Die bisherigen medizinischen Studien … den massiven Anstieg von Krebserkrankungen und Fehlbildungen bei Kindern dokumentiert (haben), ebenso den Anstieg von Krebserkrankungen bei Erwachsenen. Aber einige dieser Studien sind für wissenschaftliche Zwecke noch nicht aussagekräftig genug, weil Krebs und Fehlbildungsregister erst im Aufbau begriffen sind. [IPPNW, ebenda] Das führt aber die Argumentation des AK 4 ins Absurde. Wenn Aussagen hochgradig zu vermuten, aber nicht zu belegen sind, weil die erforderlichen „Register erst im Aufbau begriffen sind“ wäre die naheliegende Reaktion einer grünen Bundestagsfraktion doch, alles zu tun, um diese Lücken zu schließen (und damit den Auftrag des Antrages nachkommen, und nicht – wie geschehen – in zu den Akten zu legen, mit der Begründung, dass die FEHLENDEN Fakten „bis jetzt verhindert haben, dass es hier international zu einer klaren Position kommt.„
- Bei der Argumentation „Der direkte Nachweis Einsatz Uranmunition = Krebserkrankung ist wissenschaftlich und medizinisch kaum zu führen. Daher der Streit um Auslegung über Auffälligkeiten, Häufungen und zeitliche Zusammenhänge.“ wird es gänzlich grenzwertig. Jeder, der sich wissenschaftlich auch nur etwas mit der Thematik „Krebserkrankungen und Ursachen“ beschäftigt, weiß, dass ein direkter Zusammenhang zwischen „Auslöser“ und Krebsentstehung in fast allen Fällen grundsätzlich NICHT nachzuweisen ist. Was möglich ist, ist die statistische Zuordnung nach dem Prinzip: Gehäufte Kontakte mit Auslöser XY = Steigende Krebshäufigkeit. DIESE Nachweise wiederum wird vermutlich auch vom AK 4 nicht bestritten und sind u.a. durch die zitierte Facharbeit des IPPNW mehrfach eindeutig belegt.
- Wenn, wie vom AK 4 angeführt, „die Bundesregierung … keinen Handlungsbedarf (sieht ), ebenfalls mit Verweis auf die nicht 100%ige eindeutige Beweislage„, ist es die ursprünglichste Aufgabe einer Partei, die Bundesregierung zur Handlung zu drängen und nicht dies hinzunehmen oder gar wie hier als Argument gegen Initiativen aus der Partei anzuführen
- Weiter schreibt der AK 4: „Bisher nicht diskutiert haben wir, wie groß der Umfang der Aufräumarbeiten und Entschädigungen sein soll. Hier ist der Antrag zum Teil sehr konkret (siehe Richtwerte Zeile 26/27).“ Eben! DAHER der Antrag! Aber was folgert der AK 4 daraus? NICHTS! Es wird sachlich richtig (aber überhaupt nicht gefragt oder gar bestritten) festgestellt, dass „Deutschland selbst … keine Uranmunition (verwendet)“. Auch der nächste Satz „… die Aufforderung, diese nicht mehr einzusetzen, richtet sich daher immer an NATO-Partner (hier vor allen Dingen USA und UK)“ unterstützt eine Forderung des Antrages [Zitat aus V30] „Wir fordern die Bundesregierung nachdrücklich dazu auf, politisch darauf hinzuwirken, dass DU-Waffen international verbindlich verboten werden.„
- Letztlich schließt die Stellungnahme mit der Feststellung „Ob daher Deutschland allein die Art und Weise der Beseitigung der Reste und Entschädigung der Opfer gestalten kann, ist fraglich.“ Unstrittig, aber WO BITTE STEHT das im Antrag? Nirgends!
- Der Schlusssatz setzt der Stellungnahme aber dann die Krone auf: „Den Kosovo-Krieg als Argument anzuführen, hier besondere Verantwortung zu haben, ist eher ein Seitenhieb.“ Dazu stelle ich fest, dass sich der Antrag an die Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN richtete und dass eben diese Partei auf dem Parteitag in Bielefeld 1999 diesem Nicht-UN-Mandatierten Krieg, einen Bruch des Völkerrechts, zugestimmt hat. Damit hat m.E. (als Mitglied dieser Partei damals wie heute gesehen), eben genau diese Partei eine besonders große Verantwortung für die Folgen. Diesen berechtigten Hinweis als „Seitenhieb“ zu brandmarken, anstatt ihn als besondere Verantwortung ernst zu nehmen, zeigt eine bedenkliche Auffassung des/der Schreiber*in dieser Zeilen.
Offen geblieben sind die berechtigten Fragen des Antrages, deren Beantwortung – auch ohne BDK-Mandat – zumindest vom AK 4 hätte ansatzweise oder delegiert versucht werden können [Zitat aus V30]:
Klärung der Verantwortlichkeiten und Beginn der Beseitigung und Entschädigung der Umwelt- und Gesundheitsfolgen des Einsatzes von Uranmunition (bzg. auf Kosovo als ersten Schwerpunkt) wie die
• Aufklärung des jeweiligen Einsatzes von Uranmunition: wann, wieviel und wo?
• Rekonstruktion des Frontverlaufes und der Einsatzorte im Krieg und wissenschaftliche Kartierung der Uranverseuchung in Boden, Gebäuden, Wasser, Pflanzen, Lebensmitteln
• Ermittlung der Belastung der betroffenen Bevölkerung.
• Wissenschaftliche Analyse der Gesundheitsfolgen des Einsatzes
Daraus folgend ist die Frage der Entschädigung der Opfer für Gesundheitsprobleme und für die Umweltzerstörung zu klären. Wir fordern eine Soforthilfe zur Vermeidung der Aufnahme kontaminierter Nahrung und der Schaffung von gesperrten Zonen für die am stärksten betroffenen Gebiete. Dabei sind deutsche Grenzwerte für Trinkwasser (10 µg/l) anzuwenden. (Nahrung: Ziel sollte < 0,6 µg U/(kg Körpergewicht) am Tag (Richtwert der WHO) sein.)
…
Auch fordern wir Aufklärung des möglichen Einsatzes in aktuellen kriegerischen Konflikten:
• Wurden den Kurden zur Verteidigung von Kobane Uranmunition zur Zerstörung gepanzerter Fahrzeuge der IS geliefert? Ist Kobane jetzt befreit, aber Uran-verseucht?
• Haben die US-Amerikaner vor, ggf. Uranmunition an die Ukraine zu liefern? Wurde in der Kornkammer Europas bereits Uranmunition eingesetzt?
• Sind im Rahmen der NATO-Übungen und der Stationierung von amerikanischem Kriegsgerät in den letzten Wochen Waffen mit uranhaltiger Munition in den baltischen Staaten, Polen, Tschechien und anderen Staaten stationiert worden? Wie ist die Haltung der Bundesregierung dazu?
Die Fragen, der wesentliche Teil des Antrags wird mit keiner Silbe erwähnt, geschweige denn dazu Stellung bezogen. Hierzu erwarte ich eine zeitnahe Nachbesserung.
Wenn ich die Dauer der Bearbeitung dabei berücksichtige, kann ich mich über das Ergebnis nur wundern … Auch finde ich es bemerkenswert, dass die Stellungnahme so spät erfolgt, dass zur nächsten BDK – jetzt in Münster – kein neuer Antrag mehr eingereicht werden kann, sicher nur ein bedauerlicher Zufall auf der Zeitschiene …
mit grünen Grüßen
Karl-W.
——– Weitergeleitete Nachricht ——–
Betreff: | V-30 Weltweite Ächtung des Einsatzes von Uranmunition – Aufklärung, Beseitigung und Entschädigung der Umwelt- und Gesundheitsfolgen des Einsatzes von Uranmunition |
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Datum: | Tue, 18 Oct 2016 14:40:28 +0200 |
Von: | Buero Kellner <buero.kellner@gruene.de> |
An: | kwkoch@gmx.de |
Lieber Karl-Wilhelm, die Bundestagsfraktion hat zu Deinem Antrag V-30 „Weltweite Ächtung des Einsatzes von Uranmunition – Aufklärung, Beseitigung und Entschädigung der Umwelt- und Gesundheitsfolgen des Einsatzes von Uranmunition“ von der 39. BDK in Halle an der Saale Stellung bezogen. Ich schicke sie Dir hier gerne zu, Du findest die Stellungnahme im Anhang. Herzliche Grüße, Michael