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Hintergründe Störfälle

Atomunfälle, weltweit

Auszug aus der Chronik der weltweiten Anti Atom Bewegung von Dieter Kaufmann, Mitglied im Arbeitskreis gegen Atomanlagen Frankfurt am Main. Stand 21.04.2011
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12.12.1952 Kanada/Provinz Ontario/Chalk River: Die erste größere Reaktorkatastrophe der Welt. Rund 4,5 Millionen Liter Wasser, die etwa 10.000 Curie an radioaktiven Spaltprodukten enthalten, treten aus. In einem AKW im kanadischen Chalk River bei Ottawa kommt es zu einer schweren Explosion. Durch Fehleinschätzungen und falsche Messdaten kommt es zur teilweisen Kernschmelze in den Chalk River Laboratories. Eine Knallgasexplosion hebt eine vier Tonnen schwere Kuppel über den Reaktor hoch, große Mengen an Spaltprodukten gelangen in die Atmosphäre. Verseuchtes Wasser aus dem Reaktorsumpf wird später in eine Sickergrube gepumpt, es droht kurzfristig die Kontaminierung des nicht weit gelegenen Flusses Ottawa. Der Reaktorkern wird vergraben. (Der Montag, der die Welt veränderte von Claus Biegert 1996, Netzeitung, 09.08.2006. Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011, Seite 4)

29.09.1957 UdSSR/Ural/Majak/Kyschtym/Tscheljabinsk: Eine von vielen geheimen Städten, die für das Atomwaffenprogramm arbeiten. Schwerer Atomunfall in der Plutoniumfabrik; ein Behälter mit 80 Tonnen hochradioaktiven Abfällen -flüssige Rückstände der Plutoniumbombenproduktion – explodiert, auf einer Fläche von 23.000 Quadratkilometern auf der rund 272.000 Menschen leben, ging vorwiegend Strontium 90 nieder im Ausmaße des Supergaus in Tschernobyl von 1986. So begannen durch die radioaktive Hitze die flüssigen Abfälle zu trocknen und es sammelten sich Acetate sowie hochexplosive Nitratsalze – ähnlich denjenigen, die auch in Sprengstoffen verwendet werden – an der inneren Wandung des Tanks. Vermutlich durch einen Funken, den ein Kontrollgerät im Tank erzeugte, wurden dann im September 1957 die Salze zur Explosion gebracht. Die Detonation war so gewaltig, dass Trümmerstücke noch in über zwei Kilometer Entfernung gefunden wurden. Experten vergleichen sie mit der Kraft von 70 bis 100 Tonnen TNT. Dabei wurden große Mengen an radioaktivem Material, zumeist Strontium-90 und Caesium-137 – ganz ähnlich wie in Tschernobyl – in die Umwelt freigesetzt. Eintausend Menschen sterben. 120 Quadratkilometer sind bis heute gesperrt, die Umgebung ist mit 3.700 Becquerel pro Quadratmeter belastet. Der bis heute zweitgrößte Atomunfall wurde bis zum Ende der Sowjetunion geheim gehalten. (Der Tschernobyl Schock, 1996, FR 24.06.1997 und 01.10.1999, Wissenschaft und Technik vom 26.02.2006. Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011, Seite 4)

10.10.1957 England/Windscale: Ein schwerer Brand im luftgekühlten Gas-Graphitblock- Reaktor Pile No. 1 entsteht zuerst unbemerkt vom Leitstand. Der Versuch den Kern mit Luft herunterzukühlen beschleunigt den Brand noch. Radioaktivität gelangt ungehindert durch die Abluftkamine nach außen. Als letzter Versuch wird der Atomreaktor mit Wasser geflutet. Der beim Löschen entstehendem Dampf setzten weitere Mengen an Radioaktivität frei. (Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011, Seite 4) Der Brand konnte erst nach drei Tagen gelöscht werden. Es ziehen radioaktive Wolken über Europa. 500 Quadratkilometer wurden vor Ort verseucht. Dieser Unfall wurde 30 Jahre von den demokratischen Regierungen in London geheimgehalten. Die Öffentlichkeit erfuhr erst Ende 1987 von dem gesamten Ausmaß der atomaren Katastrophe. Nach offiziellen Angaben gab 35 Tote und mehr als 200 Fälle von Schilddrüsenkrebs. Es kann aber davon ausgegangen werden, das die tatsächlichen Zahlen weitaus höher liegen. Die Verseuchung durch die Radioaktivität in Europa war größer als der Unfall von Tschernobyl. Später wurde Windscale in den heutigen Namen Sellafield geändert. Bis zu 1000 Tote soll es bei dem Atomunfall gegeben haben. (Der Montag, der die Welt veränderte von Claus Biegert 1996 und FR, Ende 1987, Merkur online, 15.06.2007)

26.06.1959 USA/Kalifornien: Im Santa Susana Field Laboratory kommt es in einem Schnellen Brüter zu einer teilweisen Kernschmelze. Grund: verstopfte Kühlleitungen. Obwohl die Spaltprodukte weitgehend abgefiltert werden können, gelangen radioaktive Gase in die Umwelt. Der atomare Unfall wird von den US-Behörden lange geheim gehalten. (Das Parlament, Nr. 12, 21.03.12011, Seite 4)

22.01.1969 Schweiz/Lucens: Beim Versagen des Kühlsystems eines unterirdischen Versuchsreaktors in Lucens kommt es zu einer partiellen Kernschmelze. Das Kühlmittel Kohlendioxid und das als Moderator eingesetzte schwere Wasser treten aus, größere Menge Strahlung gelangen in die Felskaverne. Die stark kontaminierten Trümmer können erst Jahre später aus dem Stollen geräumt werden. (Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011, Seite  4)

28.03.1979 USA/Harrisburg: Schwerer Unfall im AKW „Three Mile Island“, der Reaktor ist außer Kontrolle geraten und für mehrere Wochen droht sowohl ein Schmelzen der Brennstäbe als auch eine Explosion des Atomkraftwerkes. Die Folgen sind bis heute nicht abzusehen. Rund 140.000 Menschen flüchteten damals aus der Region um Harrisburg. Es kommt zum Ausfall der Atomreaktorkühlung und zu einer teilweisen Schmelze des Atomkerns. Der Leitstand ist nicht zu jedem Zeitpunkt über die Vorgänge im Atomreaktor und Kühlsystemen im Bilde, Messsonden und Ventile versagen. Radioaktiver Dampf tritt aus, zum Teil gelangt kontaminiertes Gas nach dem Unfall durch kontrolliertes ablassen in die Atmosphäre. (Anti AKW Kalender 1981. Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011)

26.04.1986 UdSSR/Tschernobyl: Um 0.23 Uhr Ortszeit explodiert der vierte Reaktorblock des Atomkraftwerkes von Tschernobyl. (umweltschwung osteuropa 1997)

28.04.1986 UdSSR/Tschernobyl: Es kommen die ersten Nachrichten über den Ticker, dass in Skandinavien hohe radioaktive Strahlungen gemessen wurden. Die nicht aus dem örtlichen AKW stammen konnten. Die TASS gab um 19 Uhr Ortszeit Moskau bekannt gegeben, dass sich im AKW Tschernobyl (Reaktortyp RBMK-Reaktor Bolschoi Moschtnasti Kipjaschtschij) ein Unglück am 26.4.1986 ereignet hat. Supergau in Tschernobyl? Wo liegt der AKW Standort? Nie gehört! Durch das Zusammenspiel von Konstruktionsmängeln und Fehleinschätzungen im Kontrollraum bei einem Experiment kommt es zur Kernschmelze. Der 1.000 Tonnen schwere Reaktordeckel wird in die Luft geschleudert. Das radioaktive Material wird sehr hoch in Atmosphäre transportiert, verteilt sich über ganz Europa und wird durch den Regen in den Boden eingetragen. Es kommt zum bisher größte Supergau in der Geschichte der Menschheit, der nie zu Ende sein wird. Auch nach 25 Jahren ist Tschernobyl gefährlich. (Eigener Bericht. Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011)

11.03.2011 Japan/Ostküste/Fukushima: Ein schweres Erdbeben löst einen Tsunami aus. Alle Atomanlagen an der Ostküste sind betroffen und schalten sich ab. Wie viele Menschen umkamen ist zunächst unklar. Massive Schäden an der Infrastruktur. Es begann im japanischen AKW Fukushima eine Reaktorkatastrophe dramatischen Ausmaßes. Hunderttausende reagierten in den folgenden Tagen und Wochen mit Entsetzen und Trauer – und mit der entschlossenen Forderung nach der endgültigen Stilllegung der AKW in Deutschland und anderswo. (ausgestrahlt) Es kam zu einer Serie von Unfällen am AKW Standort Fukushima mit sechs AKW Blöcken. Explosionen beschädigen die Reaktorgebäude. Im Reaktorgebäude brechen Brände aus. Die japanische Regierung ruft den nuklearen Notstand aus und evakuiert die Bevölkerung im Umkreis von 30 Kilometer. Die Kettenreaktion wird versucht aufzuhalten. Der Vorgang ist noch nicht abgeschlossen. Die japanische Regierung stufte den Vorgang später auf 7 hoch, wie in Tschernobyl auch. Der Vorgang ist noch nicht abgeschlossen. Die japanische Regierung hofft es Ende 2011 in den Griff zu bekommen. (Das Parlament, Nr. 12, 21.03.2011, Seite 4. Eigener Bericht)

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Hintergründe Störfälle Unterschriftskampagnen gegen Atomenergie

jap. Petition gegen Grenzwerterhöhung für Kinder

Petition

Stichtag für die Petition ist Samstag, 30. April, und zwar 16 Uhr MESZ! Am Montag, 2. Mai, treffen sich in Japan VertreterInnen der Zivilgesellschaft mit der Regierung und übergeben die gesammelten Unterschriften. Die Petition kann online unterzeichnet werden.

Petition (hier die englische Version)

[Dringliche Erklärung und Forderungen]
Wir fordern dringlich die Rücknahme der unmenschlichen Entscheidung der japanischen Regierung, Kinder einer Strahlenbelastung von bis zu 20 mSv/a auszusetzen.
Am 19. April 2011 teilte das Ministerium für Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technology (MEXT) dem Bildungsausschuss und weiteren Institutionen der Präfektur Fukushima mit, dass die Strahlenschutznorm
für Schulen in der Präfektur Fukushima auf 20 Millisievert pro Jahr (mSv/a) festgesetzt wurde. Dieser Grenzwert ist für Schulgelände und -gebäude gültig. Die Regierung wies darauf hin, dass 20 mSv/a einer Strahlenbelastung von 3,8 Mikrosievert pro Stunde (3,8 µSv/h) im Freien entspricht.
3,8 µSv entspricht in etwa dem sechsfachen Wert für „Strahlenüberwachte Gebiete“, der bei 0,6 µSv/h oder mehr liegt. Das Arbeitssicherheitsgesetz verbietet unter 18-Jährigen, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. Kinder solchen Strahlendosen auszusetzen ist eine höchst unmenschliche Entscheidung, die wir mit Nachdruck verurteilen. 20 mSv/a ist vergleichbar mit der [juristisch] anerkannten Dosis, ab der Beschäftigte in Atomkraftwerken Leukämie entwickeln. Der Wert entspricht auch der maximalen Dosis, die in Deutschland für Mitarbeiter von Atomkraftwerken als Grenzwert festgelegt ist. Der Grenzwert von 20 mSv/a berücksichtigt weder, dass Kinder strahlensensibler sind als Erwachsene, noch die Belastung durch inkorporierte Strahlung.
Bei Strahlenmessungen, die an Grund- und Mittelschulen in der Präfektur Fukushima durchgeführt wurden, weisen momentan mehr als 75% der Schulen Strahlenwerte von „Strahlenüberwachten Gebieten“ auf (0,6 µSv/h oder mehr). Außerdem fallen etwa 20% der Schulen in die Kategorie „Gebiete mit Strahlenüberwachten Personen“ (2,3 µSv/h oder mehr) und befinden sich in einer äußerst gefährlichen Situation.
Der Wert, den die japanische Regierung jetzt festgelegt hat, zwingt den Kindern diese äußerst gefährliche Situation auf und kann Maßnahmen zur Verringerung der Strahlenbelastung behindern, die die Schulen auf eigene
Initiative ergreifen.
MEXT teilt mit, dass 20 mSv/a der Empfehlung der Internationalen Strahlenschutzkommission (International Commission on Radiological Protection, ICRP) in deren Publikation 109 [„Application of the Commission’s Recommendations for the Protection of People in Emergency Exposure Situations“] entsprechen sowie den Referenzwerten [Störfallplanwerten] im Bereich von 1 bis 20 mSv/a, die die ICRP in ihrer Mitteilung vom 21. März 2011 [„Fukushima Nuclear Power Plant Accident“] empfiehlt. Das bedeutet, dass MEXT sich am obersten Grenzwert orientiert hat.
Bis zum 21. April hat die japanische Regierung keine relevanten Informationen freigegeben, wie es zur Entscheidung über diese Grenzwerte kam. Überdies hat die Regierung auch nicht erklärt, warum weder die höhere Strahlensensibilität von Kindern noch inkorporierte Strahlung berücksichtigt wurden. Der Verlauf der Besprechung zwischen MEXT und der Nuklearen Sicherheitskommission (Nuclear Safety Commission, NSC) wurden
nicht offen gelegt und die Lage bleibt reichlich undurchsichtig.
Wir fordern von der japanischen Regierung folgendes:
– Rücknahme der Norm „20 mSv/a“ für Kinder.
– Offenlegung der Namen der Experten, die 20 mSv/a für Kinder für sicher
halten.

Anmerkung:
Bei der Verhandlung, die die Regierung am 21. April hielt, wurde offensichtlich, dass die Nukleare Sicherheitskommission (NSC) den Grenzwert von 20 mSv/a für Kinder ohne vorherige formale Konsultation
als „zulässig“ einstufte. Außerdem teilte die Kommission am 22. April dem Büro der japanischen Parlamentsabgeordneten Mizuho Fukushima mit, dass für die Beratungen der fünf Mitglieder der Nuklearen Sicherheitskommission, die in der Norm „20 mSv/a“ mündeten, kein Protokoll erstellt wurde.

Literaturhinweis:
SPIEGEL vom 21.4.2011, „Japan legt hohe Strahlengrenzwerte für Kinder
fest“ (https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,758410,00.html),
dort Zitate von Experten und Vergleich mit Grenzwerten für deutsche
AKW-Mitarbeiter.
Edmund Lengfelder vom Otto Hug Strahleninstitut: „Man nimmt damit ganz
bewusst zusätzliche Krebsfälle in Kauf. Durch den Grenzwert ist die
Regierung juristisch aus dem Schneider – moralisch aber nicht.“

Diese Petition wird organisiert von:
Green Action, Greenpeace Japan, Citizens‘ Nuclear Information Center, Citizens Against Fukushima Aging Nuclear Power Plants (Fukuro-no-Kai), Osaka Citizens Against the Mihama, Oi, and Takahama Nuclear Power Plants
(Mihama-no-Kai), Friends of the Earth Japan
Weitere Informationen bei:
Green Action
Suite 103, 22-75 Tanaka Sekiden-cho
Sakyo-ku, Kyoto 606-8203 Japan
Tel: +81-75-701-7223
info@greenaction-japan.org

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Hintergründe Störfälle

Nach Fukushima – 10 Kriterien für ein Ausstiegsszenario

Gastbeitrag von Dipl. Phys. Detlef zum Winkel und Thomas Kieseritzki, Rechtsanwalt, 10.4.2011

Angesichts der Katastrophe in Japan wird von einer Zäsur gesprochen, nach welcher der Betrieb von Atomanlagen nicht mehr so weiter gehen könne wie bisher. Der Sicherheitscheck, den die Bundesregierung durchführen lassen will und der auch auf europäischer Ebene, ebenso wie in den USA, angekündigt wurde, findet allerdings ohne die Kritiker der Atomenergie statt. So teilte EU-Kommissar Öttinger der Presse mit, er habe mit 120 Personen getagt, aus Unternehmen der Energieversorgung und des Kraftwerksbaus, und Einigkeit über eine Überprüfung erzielt. Diejenigen, die prüfen, und diejenigen, die geprüft werden sollen, sind also wieder einmal die Gleichen. Die Anderen allerdings, die den atomindustriellen Komplex bekämpfen, können ihre Unabhängigkeit geltend machen. Ihr Urteil und ihre Vorschläge sind umso wichtiger. Diese folgenden Thesen versuchen eine Vorlage zu machen, die der Verständigung unter denen dienen soll, die mit Ausstieg wirklich meinen, was der Begriff besagt.

Aus dem ersten Multi-GAU der Geschichte der Atomenergie werden 10 Schlussfolgerungen gezogen. Sie sind, mit Bedacht, so konkret gehalten wie möglich, weil die Lehren aus dem Unglück äußerst direkt sind. Wir wollen auch versuchen, europäischer als bisher zu denken. Obgleich der Bezug auf Europa meist mit leicht durchschaubarer Absicht eingebracht wird, ist es natürlich legitim zu fragen, was beispielsweise ein deutscher Atomausstieg bringt, wenn in Frankreich weiter 58 Atomreaktoren betrieben werden und in Tschechien Altmeiler, die vielleicht gerade noch einen Nutzen als Filmkulissen haben. Es sollen also Kriterien gefunden werden, die auch in Frankreich und anderswo mehrheitsfähig werden können und den Grundstein für ein Bündnis mit den französischen Atomkraftgegnern legen, die in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung erfahren haben.

Welche Faktoren und Umstände haben zu dem japanischen Atomdisaster in besonderer Weise beigetragen, was hat sich für die Bevölkerung als besonders verhängnisvoll erwiesen? Auch für nicht naturwissenschaftlich ausgebildete Menschen ist einsichtig, dass es um den Ort, den Typ, die Anzahl der Reaktoren, um Kühltürme, die Gebäudekonstruktion, das Alter der Anlagen, um den verwendeten Brennstoff, um dessen Zwischenlagerung, den Betrieb und um die Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit geht.

Im Einzelnen:

1. Ort. Atomanlagen dürfen nicht in Gegenden betrieben werden, die von schweren Naturerschütterungen, Erdbeben, Überschwemmungen, Vulkanausbrüchen oder Stürmen bedroht sind. Hier sind geologische Gutachten erforderlich, aber auch ohne diese ist klar, dass Portugal, Mittelitalien, der Balkan, Griechenland und weite Teile der Türkei (die hier genannt werden muss, auch wenn sie nicht zur EU gehört) als Standorte ausscheiden. Ebenso Sizilien und Island wegen der Gefahr von Vulkanausbrüchen. Wichtig ist zu begreifen, dass es hierbei nicht nur um AKWs geht, sondern um Atomanlagen aller Art, also auch um Lagerstätten für Atommüll. Salzbergwerke mit der erwiesenen Gefahr, dass sie mit Wasser zulaufen, scheiden als Deponien aus. Dies meint die endgültige Verabschiedung von den Plänen für Gorleben oder besser gesagt: gegen Gorleben.

2. Typ. Fukushima markiert das Ende einer Reaktorlinie. Der Siedewasserreaktor bietet nicht jene inhärente Sicherheit, die man von Atomkraftwerken verlangen muss, die auch von ihren Betreibern oftmals versprochen worden ist, die sich aber jetzt als Schimäre erwiesen hat. Sein einfach ausgelegtes Kühlsystem gibt im Schadensfall enorme Strahlenmengen an die Umwelt ab. Die Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente liegen außerhalb eines Containements. Die Möglichkeiten einer Schadensbegrenzung im Falle eines GAU sind gering. Ebenso wie nach Tschernobyl graphitmoderierte Reaktoren (die es nicht nur in der Sowjetunion gegeben hat) weitestgehend außer Betrieb genommen worden sind, so sind jetzt alle Siedewasserreaktoren stillzulegen. Das sind in Deutschland 6 Reaktoren: Brunsbüttel, Krümmel, Isar 1, Philippsburg 1, Gundremmingen B und C. Frankreich hat keine Siedewasserreaktoren.

3. Anzahl der Reaktoren. Vier oder wie im Fall von Fukushima sogar sechs Reaktoren in einem AKW können im Notfall nicht mehr beherrscht werden. Für solche Anlagen gibt es in der Praxis kein Krisenmanagement. Fehler der Betreiber sind vorprogrammiert, und sie sind natürlich auch gemacht worden. Ein GAU in einem Reaktor ist wahrlich schlimm genug. Ein weiterer Multi-GAU muss ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass nicht mehr als zwei Reaktoren pro Kraftwerk vorhanden sein dürfen. Zwei Reaktoren darf es nur noch dann geben, wenn sie baugleich sind. In Frankreich laufen mehrere AKWs mit 4 bis 6 Reaktoren. Ca. 20 französische Reaktoren müssen nach diesem Kriterium stillgelegt werden.

4. Kühltürme. In Fukushima ist eine bauliche Besonderheit auf den Bildern von der Anlage leicht zu erkennen, aber in den Berichten und Reportagen wird sie nicht erwähnt. Dort fehlen Kühltürme. Interessanterweise ist dies häufig an küstennahen Standorten der Fall. Wäre das AKW mit Kühltürmen ausgestattet gewesen, so hätte nicht – zwei Wochen zu spät – Süßwasser per Schiff aus den USA herangeschafft werden müssen. Die Chance, eine Kernschmelze im Ansatz zu verhindern, wäre höher gewesen. Bei AKWs mit Druckwasserreaktoren müssen mehrere Kühltürme vorhanden sein, die immer ein großes Wasserreservoir enthalten müssen. Mit ihrer Hilfe ist ein zusätzliches, rein mechanisches Notkühlsystem zu implementieren, das den Reaktorkern auch beim kompletten Ausfall jeglicher Stromversorgung noch tagelang kühlen kann. Diese Anforderung wird nicht erfüllt von den Druckwasserreaktoren Brokdorf (kein Kühlturm) sowie Neckarwestheim 1 und 2 (zu kleine Kühltürme).

5. Gebäude. Auch an das sog. äußere Containement, also an die Konstruktion des Reaktorgebäudes, sind definierte Mindestanforderungen zu stellen. Hier geht es nicht nur darum, gegen äußere Gewalteinwirkungen Vorsorge zu treffen, z.B. gegen einen Flugzeugabsturz. Es geht auch darum, dass das Reaktorgebäude mit entsprechenden Wandstärken und einem Kuppeldach versehen ist, damit es im Falle eines GAU seine Rückhaltefunktion erfüllt und als weitere Barriere gegen die Freisetzung von Radioaktivität dient. Anders als in Fukushima muss das Reaktorgebäude Knallgasexplosionen standhalten. Gleich hohe Maßstäbe sind an die Unterbringung der verbrauchten Brennelemente anzulegen.

6. Alter. Atomkraftwerke kann man mit noch so vielen Nachrüstungen nicht beliebig lang betreiben. Nicht nur wegen der Schlampereien von Tepco, sondern auch wegen des schlichten Alters der Anlage, der Gebäude, der Containements, der Rohre und Ventile, der Baustoffe, der Steuerungen, der Konstruktion, der Sicherheitssysteme musste das Werk dem Erdbeben und dem Tsunami zum Opfer fallen. Der Reaktor 1 in Fukushima ist 40 Jahre alt. Die Reaktoren 2, 3 und 4 sind nur 3 Jahre jünger. Das ist zuviel. Atomreaktoren wurden ursprünglich für eine Lebensdauer von ca. 25 Jahren konzipiert. Es zeigt sich jetzt, welches Gefahrenpotential die Altreaktoren und Auslaufmodelle bergen. Statt einer Verlängerung ist eine Laufzeitverkürzung geboten. Daher müssen außer den schon genannten AKWs in Deutschland die Atomkraftwerke Unterweser und Biblis (A und B) stillgelegt werden.

7. Brennstoff. Als grausamer Fehler erweist sich, dass in Reaktor 3 von Fukushima MOX-Elemente eingesetzt wurden, die neben Uran auch Plutonium als Spaltstoff enthalten. Dies ist in den meisten deutschen AKWs ebenso der Fall und muss sofort unterbunden werden. Man möge auch einen Moment innehalten und überlegen, was passiert wäre, wenn in Fukushima Hochtemperaturreaktoren oder Schnelle Brüter gestanden hätten. Dann erkennt man, warum es für Brutreaktoren und für die Plutoniumwirtschaft keine Kompromisse und keinen Verhandlungsspielraum geben darf. Es kann auch nicht mehr geduldet werden, dass die Nuklearunternehmen versuchen, diese hochriskanten Technologien ins Ausland zu exportieren.

8. Zwischenlager. Die Anwesenheit verbrauchter Brennelemente in sog. Abklingbecken hat die Situation in Fukushima verschlimmert und die Folgen vervielfacht. Sie enthalten ein höheres Strahlenpotenzial, als es in den Reaktorkernen vorhanden ist. Auch der Reaktor 4 des AKW Fukushima, der zum Zeitpunkt des Erdbebens gar nicht aktiv war, geriet zum gefährlichen Krisenherd. Abklingbecken müssen außerhalb der Reaktoren in eigenen Gebäuden untergebracht werden, an welche nicht die gleichen, aber gleich hohe Sicherheitsanforderungen zu richten sind. Ähnliche Aufmerksamkeit und Anforderungen müssen den Zwischenlagern von Castor-Behältern an den Atomkraftwerken gelten; letztere könnten allerdings in den Gebäuden von stillgelegten Reaktoren untergebracht werden. Das meint, dass wir die Stillegung alter Reaktoren auch deswegen brauchen, um das Problem der Zwischenlagerung anders zu lösen – und zwar unverzüglich. Es meint auch, dass die Arbeitsplätze in stillgelegten Reaktoren ziemlich sicher sind, wobei zu bezweifeln ist, ob dies wirklich ein Vorteil für die Beschäftigten ist.

9. Betrieb. Nach dem 11. März wurden schier unglaubliche Versäumnisse und Fehler des Betreibers Tokyo Electric Power Company bekannt. Es ist evident, dass dieses Unternehmen den gesetzlichen Anforderungen, welche an die Betreiber von Atomanlagen gestellt werden, sei es in Japan oder in Europa, nicht genügt. Nur noch Befürchtungen, das Krisenmanagement und die Katastrophenschutzmaßnahmen noch weiter zu erschweren, halten die japanische Regierung von der sofortigen Verstaatlichung Tepcos ab.

Die deutsche Erfahrung besagt, dass grundsätzlich alles, was jetzt über Tepco berichtet wird, bereits von Vattenfall bekannt ist. Das trifft ebenso auf die anderen Betreiber von Atomkraftwerken zu, auch in Frankreich. Wartungen werden mangelhaft durchgeführt; Zertifikate sind nicht zuverlässig, Auskünfte immer verharmlosend und immer unvollständig; Qualitätssicherung wird vernachlässigt, durch Outsourcing finden wichtige Arbeiten nur noch auf dem Papier statt. Subunternehmen, Leiharbeiter und unqualifizierte Hilfskräfte erledigen die gefährlichsten Arbeiten. Diese Anlagen werden nicht nach Maßstäben besonderer Sicherheit und Zuverlässigkeit betrieben, sondern nach den Regeln des Profits.

Es ist an der Zeit, Energieversorgung wieder als öffentliche Aufgabe zu erkennen. Die Energieversorger sind der Gesellschaft gegenüber in die Pflicht zu nehmen, nicht ihren Aktionären gegenüber. Die Besitz- und damit die Machtfrage muss gegen den Atomstaat und für das Gemeinwohl entschieden werden. Ungewollt hat die alte Landesregierung von Baden-Württemberg kurz vor ihrer Abwahl etwas Richtiges getan, indem sie einen der vier großen Energiekonzerne, EnBW, zurückgekauft hat, d.h. dass sie eine Anteilsmehrheit erworben hat. Ähnlich ist mit E.on und RWE zu verfahren. Vattenfall ist die Genehmigung zum Betrieb von Nuklearanlagen zu entziehen.

10. Rechtsstaatlichkeit. Ein einziger Fall ist in Deutschland zu verzeichnen, wo einem Unternehmen der Betrieb einer Atomanlage untersagt wurde. Das betraf 1988 (zeitweise) die Hanauer Brennelementeproduktion von NUKEM und (dauerhaft) deren Tochter Transnuklear. Ursache waren falsche Angaben über den Transport und die Lagerung von Fässern mit radioaktivem Inhalt. Vorausgegangen war ein dubioser Bestechungsskandal, in welchem sich Transnuklear Aufträge von Atomkraftwerken mit Provisionen erkauft hatte. Die Firma mit dem zweifelhaften Ruf existiert heute noch, sie ist im weltweiten Uran-Handel aktiv, und ansonsten vermarktet NUKEM, neben zwei anderen westlichen Unternehmen, Uran aus dem Atomwaffenprogramm der ehemaligen Sowjetunion. Diese erstaunliche Karriere ist ein Aufruf an die nukleare Gemeinde, es mit den gesetzlichen Vorschriften nicht so ernst zu nehmen. Kein Wunder, dass sie sich entsprechend gebärden. Der RWE-Chef Jürgen Großmann zieht mit einer Kampagne gegen das dreimonatige Moratorium der Bundesregierung zu Felde und droht erpresserisch mit Stromausfällen. Dass ein Atomgesetz tatsächlich einmal gegen ihre Interessen angewendet werden kann, liegt völlig außerhalb der Vorstellungswelt dieser Leute.

Hier gibt es einen Nachholbedarf. Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften, Unterlassungen, Fehlinformationen und die Verweigerung von Verantwortung dürfen nicht mehr großzügig toleriert, sondern müssen angemessen, unter Berücksichtigung der möglichen Folgen solchen Handelns, bestraft werden, damit sich überhaupt ein Unrechtsbewusstsein einstellt. Von späteren Entschuldigungen hat niemand etwas.

Zusammengefasst dürfen die acht Reaktoren, die von der Bundesregierung zunächst für 3 Monate abgeschaltet wurden, nicht wieder ans Netz gehen. Vier weitere Reaktoren, Gundremmingen B und C, Neckarwestheim 2 und Brokdorf, sind sofort abzuschalten und stillzulegen. Die Erkundung des Gorlebener Salzstocks ist zu beenden, der Plan Gorleben ist aufzugeben. Vattenfall scheidet als AKW-Betreiber aus. E.on und RWE sind einer wirksamen öffentlichen Kontrolle zu unterstellen. Im Management der großen Energiekonzerne müssen umfangreiche Umbesetzungen stattfinden. Dann sehen wir weiter.

Thomas Kieseritzky und Detlef zum Winkel sind AKW-Gegner seit 35 Jahren.Detlef zum Winkel publiziert im Monatsmagazin konkret. Thomas Kieseritzky war früher Mitglied der Frankfurter Grünen.

(*** Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht die Meinung der Redaktion wieder***)

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Hintergründe Störfälle

Update 13.04.2011, 01:00 (und zurückliegende Tage ….)

INES Stufe 7: Endlich werden die Realitäten eingestanden, Fukushima ist in seiner Gesamtwirkung mindestens Tschernobyl vergleichbar, wenn nicht gar schlimmer. Zwar gab es in Tschernobyl eine Explosion des Reaktorkernes, DIE fehlt (noch?) in Fukushima. Das Leck im Reaktordruckbehälter des Reaktors 2 setzte allerdings bisher bereits etwa 1/10 der Radioaktivität von Tschernobyl frei und ist immer noch offen. Über Lecks in den beiden anderen Reaktoren weiß man nichts, aber eben auch nicht, dass es KEINE gibt! Der Schaden im Abklingbecken 4 ist nach wie vor unkalkulierbar auch hier gab es eine Kernschmelze. Dass noch weitaus mehr Freisetzung an Radioaktivität folgen könnte, ist vorläufig nicht auszuschließen. Und die Radioaktivität wird nicht weitflächig verteilt, sondern lokal! Die Folgen werden sein, ein riesiges Gebiet wird dauerhaft unbewohnbar, die Belastung in den weiter weg liegenden Gebieten wird ebenfalls noch zu gesundheitsschädlichen Folgen führen: Tausende von Toten und Erkrankten wie nach Tschernobyl! Japans Wirtschaft wird sich auf etliche Jahre nicht erholen und falls doch noch Tokio von großen Mengen Radioaktivität getroffen wird, wird die Weltwirtschaft endgültig in die Knie gehen …

Japan ruft höchste Gefahrenstufe aus

(Tagesschau) Japan bewertet die Atomkatastrophe von Fukushima nun als ebenso gravierend wie das Reaktorunglück von Tschernobyl im Jahr 1986. Die Katastrophe werde auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse („Ines„) auf die höchste Stufe 7 („Schwerste Freisetzung: Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld“) statt bislang 5 eingeordnet, teilte die japanische Atomaufsicht (NISA) in Tokio mit. Gefahrenstufe 7 bedeutet, dass es Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld gibt. Die Strahlung stamme überwiegend aus Reaktor 2, wo es am 15. März zu einer Explosion gekommen war.

Wir haben die Einstufung auf 7 angehoben, weil die Auswirkungen der Strahlung umfassend sind, in der Luft, im Gemüse, in Leitungs- und Meerwasser„, sagte NISA-Sprecher Minoru Oogado. Die Menge der Radioaktivität, die aus dem AKW ausgetreten sei, entspreche etwa zehn Prozent der Menge, die in Tschernobyl freigesetzt worden sei. Es handele sich um eine vorläufige Einordnung, betonte die Atomaufsicht. Die endgültige Bewertung müsse die Internationale Atomenergiebehörde vornehmen. Die NISA verwies darauf, dass es – anders als in Tschernobyl – in Fukushima bislang keine Explosionen im Reaktorkern gegeben habe. (Focus) Das radioaktive Leck könnte jedoch die in Tschernobyl freigesetzte Menge noch übertreffen, berichtete Kyodo unter Berufung auf den Betreiber Tepco.

 

Fukushima schlimmer als Tschernobyl?

(blog Tagesschau von Axel Weiß 8. April 2011 16:02 Uhr, gekürzt)

Über die gesundheitlichen Folgen der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl etwa besteht heute, 25 Jahre später, kein allgemeiner Konsens. Daraus folgt: Natürlich könnten die Folgen von Fukushima die von Tschernobyl übertreffen. Ob sie das wirklich tun, ist damit freilich nicht gesagt. Denn was die Folgen sind ist ja strittig. Bis zu 800.000 Aufräumarbeiter wurden angeblich damals eingesetzt, um den explodierten Reaktor in der Ukraine und seine Umgebung zu säubern. Wie viele krank wurden – keiner weiß das unstrittig. Sicher ist: es gab in der Ukraine, Weißrussland und Russland seither deutlich mehr Schilddrüsenkrebs und Leukämie. Unbestritten starben rund 50 Menschen durch die Strahlenkrankheit. Sie hatten in kurzer Zeit sehr hohe Dosen Radioaktivität erhalten. Die Gesamtzahl der Strahlentoten liegt über 4.000, auch das ist aber nur eine umstrittene Minimalzahl für die am stärksten belasteten Regionen um den Unglücksreaktor. Umweltschutzorganisationen nennen insgesamt weitaus höhere Zahlen, teilweise ist von hunderttausenden Toten vor Ort und europaweit die Rede. Krebs kann viele Ursachen haben. Jede zusätzliche Strahlenbelastung kann vielleicht der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt und eine individuelle Erkrankung auslöst.
Fukushima könnte Tschernobyl „toppen“ – gegen diese These spricht, dass die Hauptstrahlenbelastung durch Tschernobyl in den ersten zehn Tagen vor allem durch radioaktive Teilchen mit sehr kurzer Zerfallszeit erfolgte wie Jod 131. Die vergleichbaren Werte liegen in Japan offiziell ungefähr um den Faktor Zehn niedriger. Der Brand im russischen Grafitreaktor schleuderte große Mengen Partikel sehr hoch, so dass sie der Wind großflächig verbreiten konnte. Ein solcher Brand fehlt in Fukushima.
Aber dafür befindet sich mit Tokio ein dicht besiedelter Großraum in gefährlicher Nähe zu den AKW. 250 Kilometer ist nicht viel, einen ersten Vorgeschmack haben die Bewohner bereits kürzlich erhalten, als radioaktives Jod im Trinkwasser der Großstadt nachgewiesen werden könnte. Und noch ein Unterschied zu Tschernobyl: es sind gleichzeitig mehrere Reaktoren betroffen sowie mehrere Abklingbecken mit alten Brennstäben, deren Kühlung auch immer wieder Probleme bereitet.

 

Abläufe in Reaktor 2

(wikipedia, abgerufen am 13.4.0:30 Uhr) … Am 15. März ab 0:00 Uhr wurde Druck aus dem Reaktor abgelassen. Um 6:20 Uhr ereignete sich eine Explosion. Gleichzeitig fiel der Druck in der Kondensationskammer (= Kühlung um den Reaktorkern) ab, was darauf hindeutete, dass diese beschädigt wurde und sich möglicherweise auch die Explosion dort abspielte. Anders als bei den Explosionen in den Blöcken 1, 3 und 4 blieben die Außenwände des Reaktorgebäudes 2 weitgehend intakt. Ab 08:25 wurde aus Block 2 aufsteigender weißer Dampf und/oder Rauch beobachtet, der aus mindestens einem Loch in der Gebäudehülle entwich und auch an den nachfolgenden Tagen noch zu beobachten war

Am 16. März schätzte Tepco, dass ein Drittel der Brennstäbe von Block 2 defekt sei; die Brennstäbe lägen teilweise frei. Trotz Einspeisen von Wasser gelang es nicht, den Wasserstand im Reaktor zu erhöhen. Dies deutete auf Lecks im Reaktordruckgefäß hin.

Am 20. März gegen 15:00 Uhr wurde mit dem Einfüllen von Meerwasser in das Abklingbecken von Block 2 begonnen. Um 15:46 Uhr wurde die externe Stromversorgung des Blocks wiederhergestellt. Zwischen dem 21. März um 18:22 Uhr und dem 22. März um 7:11 Uhr trat erneut weißer Dampf oder Rauch aus dem Reaktorblock aus. Ab dem 22. März wurde – jeweils im Abstand von mehreren Tagen – Meerwasser in das Abklingbecken von Block 2 eingefüllt. Seit dem 26. März wird wieder Süßwasser statt Meerwasser in den Reaktordruckbehälter eingespritzt.

Am 26. März maß Tepco im Untergeschoss des Turbinengebäudes von Block 2 (laut JAIF) eine sehr hohe Strahlung von mehr als 1000 mSv/h an der Oberfläche des Wassers, das sich dort angesammelt hatte. Am folgenden Tag wurden ähnliche Strahlungswerte auch im Wasser eines Tunnels außerhalb des Turbinengebäudes von Block 2 entdeckt, durch den Rohre verlaufen. Daraufhin teilte die japanische Regierung am 28. März mit, dass sie von einer vorübergehenden Teil-Kernschmelze in Reaktor 2 ausgehe.

Am 2. April entdeckte Tepco in einem betonierten Kabelschacht nahe dem Wassereinlass von Block 2 einen 20 Zentimeter langen Riss, aus dem radioaktiv hochkontaminiertes Wasser in den Pazifik floss. … Am 6. April konnte Tepco das Leck dann mit einem Abdichtmittel auf Wasserglas-Basis verschließen.

Nach Angaben der NISA war der Großteil des kontaminierten Wassers in den zwei Tagen nach Beschädigung der Kondensationskammer am 15. März freigesetzt worden, aber geringere Mengen von Wasser flossen auch im April noch aus dem Reaktor und gelangten über verschiedene Kanäle und Schächte ins Meer.

 

China warnt Japan vor Verseuchung des Meeres

(ZDF Heute) Die Situation im zerstörten AKW Fukushima macht China zunehmend Sorgen. Grund: abfließendes radioaktives Wasser in den Pazifik. Jetzt fordert Peking von Japan Schutz für den Ozean. Zuvor hatte Japan für Fukushima die höchste Gefahrenstufe ausgerufen.

Japan müsse China und andere Nachbarn zeitnah und angemessen über neue Entwicklungen informieren, forderte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao in einem Telefonat mit seinem japanischen Kollegen Naoto Kan, wie Staatsmedien berichteten. „Wir fordern die japanische Regierung auf, die Besorgnisse über die Auswirkungen auf die maritime Umwelt und benachbarte Länder ernst zu nehmen.“ Chinas Gesundheitsministerium forderte die Behörden in 14 Küstenregionen auf, das Meerwasser beständig auf Radioaktivität zu untersuchen. Aus Angst vor Verstrahlung boykottieren viele Chinesen bereits den Verzehr von Fisch, der vor der Küste von Dalian in Nordostchina unweit der koreanischen Halbinsel und Japan gefangen wird.

 

WHO spielt Gesundheitsgefährdung durch Fukushima herunter

(Greenpeace, gekürzt) In den letzten Wochen wurde über tausendfache Grenzwertüberschreitungen für radioaktive Stoffe durch die havarierten Reaktoren in Fukushima berichtetet. Doch das für den Westpazifik zuständige Büro der UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO) spielt die Gesundheitsrisiken herunter. In der Zusammenfassung zu ihrem letzten Situationsbericht vom 6. April teilte die WHO beispielsweise mit, die im Seewasser am 3. April gezogenen Proben lägen unter den zulässigen Grenzwerten für Jod-131, während Medien am selben Tag berichteten, dass im Meer eine Strahlendosis gemessen worden sei, die den Grenzwert um das 4.000-fache übertrifft.

Die Luftbelastung außerhalb der Evakuierungszone um Fukushima bezeichnete die WHO am 4. wie am 6. April als stabil. Sie liege zwar über den Werten vor der Nuklearkatastrophe – es sei jedoch nicht von Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung auszugehen. Dies widerspricht den Messungen von Greenpeace. 30 Kilometer von der Atomruine entfernt stellte das Greenpeace-Team Strahlung bis zu 47 Mikrosievert pro Stunde fest. Bei solchen Werten ist die erlaubte maximale Jahresdosis in weniger als 24 Stunden erreicht.

Hintergrund für das kontinuierliche Herunterspielen der Gefährdungen durch die aus Fukushima entweichende Strahlung ist eine Vereinbarung der WHO mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) aus dem Jahre 1959. In dieser Vereinbarung gewährt die WHO der IAEO die Kontrolle über alle Gesundheitsstudien zu Folgen radioaktiver Strahlung und billigt damit, dass sie in ihrer Arbeit eingeschränkt wird.

Die WHO war bereits in ihrer Bewertung der Tschernobyl-Katastrophe kritisiert worden. Auch bei Fukushima spielt die WHO das Ausmaß des Unglücks, der freigesetzten Strahlung und der damit zusammenhängenden Gesundheitsgefährdung herunter.

(Autorin: Simone Miller)

 

(Greenpeace) Radioaktives Cäsium auf Spielplätzen, in Gärten, im Supermarktgemüse – das Leben im weiteren Umkreis um die Atomruine Fukushima Daiichi wird immer gefährlicher. Noch 60 Kilometer entfernt hat das Greenpeace-Messteam deutlich erhöhte Werte in Bodenproben festgestellt. Die Bevölkerung braucht dringend mehr Schutz.

Die Messergebnisse von Greenpeace finden sich auf zwei Karten hier (ACHTUNG: 2 (!!) Karten!)

 

Aktueller Stand AKW-Planungen nach Fukushima

(wikipedia „Weitere Staaten“) Einige Staaten wie Indien, Pakistan, Russland, die Schweiz und Spanien kündigten eine Prüfung ihrer laufenden Kernkraftwerke an. Venezuelas Präsident Hugo Chávez und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärten, sie wollten Pläne für das jeweils erste Kernkraftwerk in ihren Ländern stoppen. China fror die Genehmigungen für alle neuen Kernkraftwerke ein. US-Präsident Barack Obama veranlasste eine Sicherheitsprüfung aller US-Atomkraftwerke.

Frankreich, Indonesien, die Niederlande, die Türkei und Vietnam wollen an ihren Plänen für neue Kernkraftwerke festhalten.

 

weltweite Diskussion um Ausstieg

Bei Google gibt es einen interessanten Überblick über die weltweite Diskussion zur Atomfrage, hier einige Auszüge:
Atomkraftwerk Koeberg

Business as usual in Südafrikas Atompolitik Das südafrikanische Kabinett hat Mitte März 2011 einen nationalen Energie- und Elektrizitätsplan verabschiedet, der einen massiven Ausbau der Atomenergie vorsieht. Umweltgruppen machen dagegen mobil

Pakistan kann einen GAU nicht bewältigen Pakistans Behörden behaupten, ein vergleichbares Unglück wie in Fukushima könne sich in Pakistan nicht ereignen. Doch das Atomkraftwerk nahe der 15-Millionen-Stadt Karatschi ist bereits seit 1972 am Netz. Über den Betrieb des alten Meilers ist wenig bekannt. >>>Mehr auf boell.de

Keine Atom-Debatte in Russland Anders als in Deutschland hat der japanische Atom-Unfall in Russland keine Debatte über das Atomprogramm ausgelöst. Eher wundert man sich über die „Atompanik“ der westlichen Länder. Jens Siegert, Moskau

In den USA und seiner Hauptstadt Washington DC wird der Atomunfall im japanischen Unfall sehr distanziert diskutiert. Konsequenzen für die eigene Energiepolitik ziehen die wenigsten, die Uhren ticken anders. Mehr auf Klima-der-Gerechtigkeit.

 

AKW San Onofre und Diablo Canyon, USA

Das kalifornische AKW San Onofre liegt „auf halbem Weg zwischen der südkalifornischen Millionenstadt San Diego und der Megametropole Los Angeles. Mehr als sieben Millionen Menschen leben im Umkreis von nur 80 Kilometern, weit mehr als im selben Radius um Fukushima. Drei aktive Bruchlinien befinden sich in unmittelbarer Nähe, darunter der berüchtigte San-Andreas-Graben. Mehr …

 

AKW Indian Point in New York State, USA

Angesichts der Atomkatastrophe in Japan drängt der Gouverneur des Bundesstaates New York darauf, das Atomkraftwerk Indian Point abzuschalten. Kein Wunder, der Uraltmeiler liegt keine 60 Kilometer von Manhattan entfernt und gilt als erdbebengefährdet. Mehr…

 

AKW Calvert Cliffs, Maryland, USA

Selbst in den USA kommt es trotz Milliarden-Subventionen nicht zu einem Atom-Revival kommt. Der neu geplante Reaktor in Calvert Cliffs im Bundesstaat Maryland steht vor dem Aus. Dem Investor Constellation war die Vertragsabschlussgebühr für die Inanspruchnahme der staatlichen Bürgschaft über 7,6 Mrd. US-Dollar zu teuer. Mehr auf Klima-der-Gerechtigkeit.

Quellen:

https://www.focus.de/panorama/welt/tsunami-in-japan/atomstoerfall-japan-ruft-hoechste-gefahrenstufe-fuer-fukushima-aus_aid_617506.html

https://www.tagesschau.de/ausland/japan822.html

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/who_spielt_gesundheitsgefaehrdung_durch_fukushima_herunter/

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/60_kilometer_von_fukushima_daiichi_caesium_in_bodenproben/

https://maps.google.de/maps/ms?ie=UTF8&hl=de&vps=2&jsv=329b&oe=UTF8&msa=0&msid=208230034271644213879.0004a02d66c3eebad00f0

https://blog.tagesschau.de/2011/04/08/konnten-die-folgen-von-fukushima-die-von-tschernobyl-noch-ubertreffen/

https://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/10/0,3672,8232266,00.html

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Was in Fukushima vermutlich geschah …

Die wesentliche Chronologie der Ereignisse im Einzelnen (nachträgliche Änderungen rot gekennzeichnet!)
(Quelle: Wikipedia, abgerufen am Abend des 30.03.2011 sowie weitere, s. Fußnoten)
(Klammer kursiv = Ergänzungen des Verfassers, Text in Times Roman: Ergänzungen anderer Quellen)

11. März (Tag 1, Samstag)

  • 14:46 Uhr Ortszeit (06:46 Uhr MEZ): Japan wird im Nordosten vom schwersten Erdbeben seiner Geschichte erschüttert. Nach wenigen Minuten trifft eine erste Flutwelle auf die dortige Küste.[1]
  • ca. 15:40/16:00 Uhr (08:00 Uhr MEZ, ohne genaue Zeitangabe, gesamter Küstenbereich): Eine weitere bis zu 23 Meter hohe Flutwelle (Tsunami) trifft auf die Nordostküsten Japans. Die Höhe hängt mit der lokalen Küstenstruktur und dem Vorhandensein von Flussmündungen zusammen. (Die Welle in Fukushima ist laut Spon 14 m hoch)

 

12. März (Tag 2, Samstag)

  • 14:00 Uhr: Die Atomsicherheitsbehörde teilt mit, dass in Fukushima I möglicherweise eine Kernschmelze begonnen habe.
  • 15:36 Uhr: Im Atomkraftwerk Fukushima I kommt es zu einer Wasserstoffexplosion. Das Dach und die Wände des Reaktorgebäudes 1 werden zerstört, Rauch steigt auf. Vier Arbeiter werden dabei verletzt. Einer Stellungnahme der Regierung zufolge wurde der Sicherheitsbehälter (= Reaktordruckbehälter) nicht beschädigt, die Strahlungswerte am Werkstor sollen 70-fach über den Normalwerten gelegen haben.

 

13. März (Tag 3, Sonntag)

  • Erhöhte Radioaktivität
    Am 13.03. um 11.13 Uhr Ortszeit habe nach Angaben der Presseagentur Kyodo die Behörde ein Leck in Block 1 vermutet. Anlass dazu gäben Ortsdosisleistungsmessungen mit Werten über 1,2 mSv/h. Nach Informationen von CNN habe der Regierungssprecher Edano (um 12.06 Uhr Ortszeit, 13.03.) gesagt, dass sich möglicherweise eine Kernschmelze ereignet haben könnte.
  • 16:00 Uhr: Die japanische Regierung spricht von der Möglichkeit einer bevorstehenden weiteren Explosion in Fukushima I. Im Reaktorblock 3 gebe es möglicherweise ebenfalls eine partielle Kernschmelze.
  • Plutoniumfreisetzung droht
    Der havarierte Reaktor 3 in Fukushima wird mit sog. MOX-Brennstäben gefahren[1]. Diese Recycling-Brennstäbe bestehen aus mehreren Uran- und Plutoniumoxiden.

 

14. März (Tag 4)

  • 11:45 Uhr: Im Kernkraftwerk Fukushima I ereignet sich im Reaktor 3 eine Wasserstoff-Explosion. Elf Menschen werden verletzt. Nach Angaben des Betreibers TEPCO bleibt die Stahlhülle des Reaktors (= Containment) intakt.
  • Eine teilweise Kernschmelze hat möglicherweise im Reaktor 2 des japanischen Kernkraftwerkes Fukushima I stattgefunden. Dies teilte die Betreiberfirma Tepco mit. Ein erster Versuch, den Reaktor mit Meerwasser zu kühlen, ist fehlgeschlagen. [2]
  • 21:55 Uhr: Im Kernkraftwerk Fukushima I droht nach der Erklärung von Regierungssprecher Yukio Edano eine Kernschmelze in drei Reaktoren. Im Areal um das AKW wird eine erhöhte Radioaktivität festgestellt.
    (man beachte den Widerspruch!)

 

15. März (Tag 5)

  • 06:15 Uhr: In Fukushima I kommt es im Reaktor 2 zu einer Explosion – die dritte in dem AKW. Dieses Mal wird von einem Druckabfall, berichtet, was auf eine Beschädigung der Reaktorhülle (gemeint ist: des Reaktordruckbehälters) selbst hindeute, sagt TEPCO.
  • 08:54 Uhr: Im Block 4 (vermutlich im Abklingbecken) bricht ein Feuer aus und es gibt eine Wasserstoffexplosion.
  • 12:16 Uhr: Nach Regierungsangaben wurde bei der dritten Explosion erstmals eine innere Schutzhülle (Containment Reaktor 2) beschädigt.
    Nach den Explosionen gab es mit bis zu 12 mSv/h die bislang höchste Radioaktivität-Freisetzung bisher.[3]

 

16. März (Tag 6)

  • 05:45 Uhr: die japanischen Behörden melden, dass ein Feuer im Block 4 entdeckt worden sei.
  • Greenpeace meldet um 00.55 Uhr: „Die Brennstäbe in zwei Reaktoren des AKW Fukushima sind nach Angaben des Betreibers Tepco bereits erheblich beschädigt. In Reaktor 1 seien bereits rund 70 Prozent der Brennstäbe beschädigt, meldete die Nachrichtenagentur Kyodo am Mittwoch. In Reaktor 2 seien es etwa 33 Prozent.[4]

 

20. März (Tag 10)

  • Verantwortliche des Atomkomplexes Fukushima haben bekannt gegeben, dass in zwei von sechs Abklingbecken für verbrauchte Brennelemente in dem Kernkraftwerk die Lage wieder unter Kontrolle sei. Die Temperatur in den Becken sei in einen normalen Bereich abgekühlt. In den anderen Blöcken wird an der Kühlung der Reaktoren und Abklingbecken weiter mit Hochdruck gearbeitet.[5] (Übersetzt:  In allen sechs Reaktoren war die Lage in den Abklingbecken außer Kontrolle und in vier von sechs ist sie es immer noch!)

21. März (Tag 11)

  • Aus dem Reaktor 3 des AKW Fukushima steigt gräulicher Rauch aus. Die Arbeiter wurden abgezogen und mussten Schutzräume aufsuchen. Zuvor war über Block 3 grauer Rauch aufgestiegen, der mittlerweile aber wieder verschwunden ist. Kaum hat sich die Rauchwolke aus Block 3 verzogen, steigt nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo nun über dem havarierten Reaktor Nummer 2 Rauch auf. Dieser ist seit Sonntag wieder an das Stromnetz angeschlossen.[6]

 

23. März (Tag 13)

  • In Trinkwasser in fünf Orten der Präfektur Fukushima ist für Babys ein zu hoher Wert an radioaktivem Jod festgestellt worden. Auch in Gemüse waren schon sehr hohe Werte festgestellt worden. Sorge bereitet Fachleuten auch die starke radioaktive Belastung, die im Meerwasser vor der Küste Japans gemessen wurde. Regierungssprecher Yukio Edano sagte dazu, es sei noch zu früh, um die Auswirkungen der Verstrahlung auf Fische im Meer und auf Pflanzen zu beurteilen.[7]

 

23. März (Tag 13)

  • 17 Arbeiter haben laut Kyodo eine Strahlenbelastung von mehr als 100 MSv erlitten. Rund zwei MSv beträgt der Wert, den ein Mensch in Deutschland jährlich an natürlicher Hintergrundstrahlung abbekommt.[8]

 

25. März (Tag 15)

  • Eine Verstrahlung von Arbeitern mit 10.000-fach erhöhter Radioaktivität im AKW Fukushima deutet nach Einschätzung der japanischen Behörden auf eine erhebliche Schädigung des Reaktorblocks 3 hin. Experten der Reaktorsicherheitsbehörde (NISA) vermuten entweder eine partielle Kernschmelze mit einer Beschädigung des Reaktorbehälters oder eine Überhitzung des Abklingbeckens für abgebrannte Kernbrennstäbe.[9]

 

26. März (Tag 16)

  • Insgesamt ist in vier der sechs Reaktorblöcke des AKW Fukushima 1 radioaktiv belastetes Wasser festgestellt worden. Der Wasserpegel bei Reaktor 1 und 3 würde im Untergeschoss der Turbinenräume bis zu 40 Zentimeter beziehungsweise bei 1,5 Meter liegen, meldet die dpa. In den Reaktorblöcken 2 und 4 stehe das Wasser bis zu einem Meter beziehungsweise bis zu 80 Zentimeter hoch. Der Grund, warum das Wasser stark radioaktiv belastet ist, ist offiziell unklar.

 

27. März (Tag 17)

  • Tepco meldet, im Reaktor 2 des schwerbeschädigten japanischen Atomkraftwerks sei die Radioaktivität drastisch angestiegen. Die Strahlung im Wasser des Turbinenhauses sei auf einen Wert von zehn Millionen Mal über normal (bez. auf Meerwasser) gestiegen. Kabinettssekretär Yukio Edano sagte, das extrem radioaktiv verseuchte Wasser stamme „nahezu sicher“ aus einem Reaktorkern.[10]
  • Die Radioaktivität in Reaktor 2 erreichte am Sonntag einen Wert, der tödlich sein kann. Die von der Betreibergesellschaft Tepco im Reaktor gemessenen mehr als 1.000 MSv pro Stunde können nach Einschätzung der US-Umweltbehörde schwere Blutungen auslösen. Das Kraftwerk wurde am Sonntag umgehend evakuiert. Die Mitarbeiter, die die Messungen vornahmen, seien aus Reaktorblock zwei geflohen, bevor eine zweite Messung abgeschlossen war, hieß es.
    Kabinettssekretär Yukio Edano sagte im japanischen Fernsehen, das extrem radioaktiv verseuchte Wasser stamme „nahezu sicher“ aus einem Reaktorkern. Die genaue Ursache sei nicht bekannt. Befürchtet wurde ein Riss oder Bruch in einer der Schutzhüllen um einen Reaktorkern.[11] (Das wird lt. anderer Quellen, u.a. FAZ, vom Regierungssprecher Edano, „nahezu sicher“ bestätigt)

 

28. März (Tag 18)

  • Das, was viele bereits befürchtet haben, ist jetzt eingetreten: Im Reaktor 2 hat nach Einschätzung der japanischen Regierung vorübergehend eine Kernschmelze eingesetzt.
    Das sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Montag. Die im dortigen Turbinengebäude im Wasser entdeckte hochgradige Radioaktivität sei auf die teilweise Kernschmelze zurückzuführen, sagte der Sprecher. Dort waren mehr als 1.000 MSv/h gemessen worden.[12]
  • Zum ersten Mal wurde am Montag auch außerhalb des Gebäudes von Reaktor 2 stark radioaktives Wasser entdeckt. In mehreren Kontrollschächten eines unterirdischen Kanals, der aus dem Turbinengebäude des Reaktors hinausführt, habe sich verstrahltes Wasser angesammelt, teilte ein Tepco-Sprecher mit. Die Radioaktivität betrage 1.000 MSv/h.[13]

 

30. März (Tag 20)

  • Anhand der niedrigen Druckwerte in Block 2 und 3 schlussfolgert die NISA auf einer Pressekonferenz, dass die Reaktordruckbehälter defekt sein könnten. Es wird jedoch ausgeschlossen, dass größere Schäden am Reaktordruckbehälter aufgetreten sind.[14]

 

Lage der Reaktoren:

Reaktor 1: Kein Kühlmittel im Reaktordruckbehälter. Schmelze oder Explosion des Reaktordruckbehälters jederzeit möglich. Vermutlich Schäden am Reaktorcontainment.

Reaktor 2: Das Gleiche, Kernschmelze, Reaktordruckbehälter stark beschädigt, vermutlich bereits seit dem 15.3., Schäden am Reaktorcontainment. Leck des Reaktordruckbehälters.

Reaktor 3: Vermutlich Schäden am Reaktorcontainment. Gefahr einer erhöhten Freisetzung von Plutonium durch den Einsatz von MOX-Brennelementen. Leck des Reaktordruckbehälters.

Reaktor 4: War außer Betrieb, daher keine Brennstäbe mehr im Reaktorcontainment. Alle Brennelemente liegen im Abklingbecken. Dort ist offenbar zumindest teilweise eine Kenschmelze eingetreten.

Da es in allen vier Reaktoren schwere Explosionen gegeben hat und offenbar alle vier bereits hochgradig verstrahlt sind, ist nicht zu erwarten, dass sich durch den Stromanschluss die Lage irgendwie bessert. Pumpen etc. dürfte weitgehend zerstört sein. Reparaturarbeiten vor Ort aufgrund der extrem hohen Strahlung wären unmöglich.

Reaktor 5 und 6: Beide waren ebenfalls außer Betrieb, die Abklingbecken scheinen noch intakt zu sein, die Kühlung allerdings ist auch hier fraglich. Da es keine Explosionen gab, könnte diese wieder ein Gang gesetzt werden durch Wiederanschluss an das Stromnetz. Das allerdings hängt davon ab, ob die Kühlpumpen noch intakt sind und mit Strom betrieben werden können.

Bewertung: Zumindest in den Rektorcontainments 1 bis 3 und im Abklingbecken vier laufen seit längerem Kernschmelzen. Entweder werden diese die Bodenbehälter bzw. Containments zerschmelzen (vermutete Temperatur der „Atomsuppe“ ca. 2.000°C, Schmelzpunkt der Stahlbehälter ca. 1.500 °C!) und dadurch wird dann extrem viel Radioaktivität freigesetzt oder es kommt in den Reaktorcontainments 1 bis 3 zu Wasserstoff/Knallgas-Explosionen mit derselben Folge. Eine Explosion des Reaktorcontainments 3 wurde vermutlich nur durch Anbohren und Freisetzen des Knallgasmischung (und Radioaktivität) verhindert[15].

Die Freisetzung von Radioaktivität aus dem Abklingbecken in Reaktor 4 läuft seit der Explosion (Becken, KEIN Containment!).

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Chronologie_der_Katastrophe_in_Japan_von_2011

https://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearunf%C3%A4lle_von_Fukushima-Daiichi

 

weitere Quellen (zitiert nach Wikipedia):
[1] JAIF (jap. Atom-Forum, Wirtschaftslobbyverband): “ Sequence of Developments at Nuclear Power Stations Affected by the Earthquake“ (engl.; auf deutsch etwa: Ablauf in den AKW´s nach dem Erdbeben. ) Reaktor Status Übersicht der Berichte

[4] The 2011 off the Pacific coast of Tohoku Earthquake Cumulative Number of Aftershocks (Magnitude>=5.0). JMA, 22. März 2011, abgerufen am 22. März 2011 (englisch).

[6] NISA Nuclear and Industila Savety Agency (Japan)

 


[1] u.a. https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,750668,00.html

[2] Tagesschau 14.03.2011 13:29 Uhr

[3] https://fukushima.grs.de/sites/default/files/Messwerte%20ODL%20Fukushima%20Daiichi_aufbereitet_RELEASE_110331-1700.pdf

[4] https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/erdbeben_in_japan_regierung_ruft_atomaren_notstand_aus/

[5] (Focus) 20.03.2011, 15:01 Uhr:

[6] (Focus) 21.03.2011, verschiedene Meldungen

[7] (Spon) 23.03.2011, ca. 18:30 Uhr

[8] (dpa, zitiert nach GP)

[9] (Tagesschau) 25.03.2011:

[10] (Tagesschau) 27.03.2001, abgerufen um 15:00 Uhr

[11] (Spon), 27.03.2011, abgerufen um 15:00 Uhr:

[12] (MoPo) 28.03.2011

[13] (Spon) 28.03.2011

[14] https://www.bmu.bund.de/atomenergie_sicherheit/doc/47088.php

[15] (ARD, Tagesschau, 20.03.2011 05:39 Uhr)

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„Atom-Katastrophe in Tokio wäre nicht managebar“

Experte: Megacitys besonders verletzlich für Risikokaskaden 

Japans Unglücks-AKW: Tokio ist atomarer Bedrohung schutzlos ausgeliefert (Foto: Wikimedia Commons)

 

 

(von Johannes Pernsteiner) Würde sich die nukleare Katastrophe, die sich derzeit in der Region Fukushima anbahnt, im nur 240 Kilometer südlich gelegenen Tokio ereignen, wäre ihr die größte Stadt der Welt schutzlos ausgeliefert. „Planspiele einer Evakuierung Tokios bei einer radioaktiven Wolke werden vielfach nicht unternommen, da dies die Grenzen einer managebaren Katastrophe überschreitet“, erklärt der Risikoforscher Jörn Birkmann vom Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit an der Universität der Vereinten Nationen in Bonn https://www.ehs.unu.edu.

 

Evakuierung von 35 Mio. Menschen

Für ein Erdbeben oder eine Tsunamiwelle kann sich eine Megastadt durch Warnsysteme, Baustandards oder Notfall-Verhaltenstraining vorbereiten, was Japans Städte weit gründlicher getan haben als andere Megacitys in Erdbebengebieten wie etwa Istanbul oder San Francisco. Anders sieht es jedoch im Fall einer radioaktiven Wolke aus. „Vorher festlegbare Risiko- und Evakuierungszonen wie beim Tsunami gibt es hier nicht. Denn die von radioaktiven Wolken betroffenen Gebiete sind nur kurzfristig erkennbar, wie aktuell die Schwierigkeiten bei der Ausweisung von Evakuierungszonen um das Kraftwerk Fukushima zeigen“, so Birkmann.

Es gibt keine detaillierten Notfallpläne, wie der Ballungsraum Tokios mit 35 Mio. Menschen auf eine größere nukleare Katastrophe reagieren könnte. Evakuierungsgebäude mit Luft- und Wassernotversorgung seien bei diesen Dimensionen undenkbar, ebenso jedoch auch eine Evakuierung. „Selbst wenn die Mehrheit der Einwohner die Stadt selbstständig mit Zug oder Auto verlassen würde, fehlt es an Notunterkünften und auch an temporären Alternativwohnungen für die Zeit danach. Zudem leben in Tokio sieben Mio. Menschen über 65 Jahre. Benötigt auch nur die Hälfte davon Hilfe, wären das noch immer 3,5 Mio.“, erklärt der Experte für Verwundbarkeitsanalysen, Risikomanagement und adaptive Planung.

 

Auch Europa schutzlos

Deutlich wurde das Problem bereits 1995 beim Erdbeben von Kobe. „Es gab zu wenig Notunterkünfte und viele mussten teils im Freien bei Minusgraden übernachten. Auch jetzt gibt es große Probleme, Notunterkünfte mit grundlegender Infrastruktur wie Wasser, Heizung, Kommunikation in allen betroffenen Gebieten zur Verfügung zu stellen“, so Birkmann. Evakuierungsmaßnahmen werden stets nur für deutlich weniger Menschen und kleinere Gebiete geplant und simuliert. „Bei einem extremen Hochwasser in Köln etwa spricht man nur von maximal 50.000 Personen, die an einen sicheren Ort gebracht werden müssen.“

Eine Atomkatastrophe im Stadtgebiet von Tokio würde somit alle Grenzen des managebaren Risikos sprengen. Allerdings wären laut Birkmann auch europäische Millionenstädte im Ernstfall kaum besser dran. „Natürlich gibt es Szenarien für Bombenattentate, Hochwasser oder kleinere radioaktive Verseuchungen. Eine durchgeplante Evakuierung großer Ballungsräume ist dabei aber kaum planbar.“ Um ihr System unter enormem Stress aufrecht zu erhalten, sollten Städte überprüfen, welche ihrer Funktionen die überlebenswichtig seien, wozu der Experte die Versorgung mit Energie, Wasser und Nahrung zählt. „Moderne Mega-Citys in Industriestaaten sind erschreckend abhängig von der Verfügbarkeit von Strom.“

 

Lehre aus Japan: Risikokaskaden einplanen

Die Lehre aus der Situation in Japan ist für Birkmann, dass es nicht reicht, sich auf nur einen Gefahrentyp vorzubereiten. Risiken treten häufig in Kaskaden auf, was besonders für Industrieländer und Megacitys zum Problem werden könne. „Japan erlebte ein massives Seebeben und einen Tsunami, der für eine ganze Region Notunterkünfte und Katastrophenhilfe erforderte, dazu versagten kritische Infrastrukturen wie die Stromversorgung, die in einem AKW massive neue Risiken auslöste. Die atomare Bedrohung, die nun alles andere in den Hintergrund gedrängt hat, zeigt die mangelnde Vorbereitung auf Risikokaskaden.“

Diese Erkenntnisse sollten in den Katastrophenschutz eingehen, fordert der Experte. „Einsatzkräfte wie etwa Feuerwehren sind bei kleinen, lokalisierbaren und zeitlich begrenzten Problemen schlagkräftig. Bei radioaktiven Unfällen mit Langzeitwirkung und räumlich nicht bekannter Ausbreitung versagen jedoch klassisch geprobte Mechanismen.“ Die Aufteilung von Verantwortlichkeiten und Pflichten zwischen privaten Betreibern, Haushalten und dem Staat brauchen bessere Klärung, etwa in der Information oder im Notfallmanagement. „Zudem muss man prüfen, wie sich Privathaushalte auf derart ‚undenkbare‘ Katastrophen vorbereiten können.“

Mag. Johannes Pernsteiner
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Update 08.04.2011, 23:00 (und zurückliegende Tage ….)

Update 08.04.2011, 23:00 (und zurückliegende Tage ….)

Ein weiteres schweres Erdbeben der Stärke 7,1 hat zu weiteren Problemen, u.a. in Onagawa geführt. Die beiden Beben in Neuseeland haben gezeigt, dass auch wesentlich leichtere Nachbeben zu gravierenderen Schäden als die Hauptbeben führen können, da viele Gebäude bereits durch das erste Beben stark geschädigt sind.

Probleme bei weiteren Atomanlagen

(FAZ) Im AKW Higashidori in der Präfektur Aomori und in der Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho wurde die externe Stromversorgung unterbrochen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. Die Notversorgung funktioniere aber an beiden Orten.

 

(GP) gibt zu Fukushima folgenden Überblick:

Stand Fukushima

In BLOCK 1 sind Reaktorkern und Brennstäbe beschädigt und die Kühlsysteme ausgefallen, der Sicherheitsbehälter ist aber intakt. In das Reaktorgebäude … wird Kühlwasser mit Hilfe einer elektrischen Pumpe eingespeist. Auch in das Abklingbecken für verbrauchte Brennstäbe wurde Frischwasser eingespeist. Das Grundwasser bei Block 1 ist nach Tepco-Angaben stark verstrahlt: 10.000-fach erhöhte Werte von Jod-131 seien im Wasser entdeckt worden. Seit Donnerstag wird Stickstoff in das Reaktorgehäuse gefüllt (s.u.)

 

Bei BLOCK 2 vermuten die Experten ein Leck im Sicherheitsbehälter (Containment). Reaktorkern und Brennstäbe sind beschädigt, auch das Reaktorgebäude hat leichte Schäden. Das stark verstrahlte Wasser im benachbarten Turbinengebäude hatte vermutlich direkten Kontakt zu geschmolzenem Kernbrennstoff. Tagelang sickerte die stark verstrahlte Brühe unkontrolliert ins Meer. …

 

Auch in BLOCK 3 … sind Reaktorkern und Brennstäbe beschädigt sowie die Kühlsysteme ausgefallen. … Der Sicherheitsbehälter ist womöglich noch intakt.

Druck von den Nachbarländern

(FTD) Unter dem Eindruck der Proteste von Nachbarstaaten will der Fukushima-Betreiber Tepco das Abpumpen von schwachradioaktivem Wasser in den Pazifik einstellen. Das teilte der Konzern mit. Zuvor hatte sich China besorgt über eine radioaktive Belastung geäußert und genauere Informationen verlangt.

In China wurden in zehn Fällen bei Schiffen, Flugzeugen und Warenlieferungen erhöhte Strahlenwerte gemessen. Auch Südkorea hatte Japan dafür kritisiert, das Ablassen des radioaktiven Wassers seinen Nachbarn nicht angekündigt zu haben.

Tepco hatte vor fünf Tagen damit begonnen, insgesamt 11.500 Tonnen schwachradioaktiven Wassers von einem Auffangbecken ins Meer abzulassen, um Platz für stärker verstrahltes Wasser zu schaffen. Zuvor hatte der Betreiber bereits ein Leck geschlossen, aus dem hochradioaktives Wasser ins Meer geflossen war. Tepco plant nun, Tanks zu bauen, die so viel Wasser aufnehmen können wie sechs Olympia-Schwimmbecken. Zudem soll ein Schwimmtank umgebaut und eingesetzt werden.

 

Lecks im Atomkraftwerk Onagawa

(Tagesschau) Nach dem schweren Erdbeben in Japan sind im abgeschalteten Atomkraftwerk Onagawa mehrere Lecks entdeckt worden. In allen drei Reaktoren sei Wasser auf den Boden geschwappt, teilte der Betreiber Tohoku Electric Power mit. Nach Angaben des Fernsehsenders NHK waren es bis zu 3,8 Liter. Das Wasser stammt zum Teil aus Becken, in denen verbrauchte Brennelemente gelagert werden.
Auch an anderen Stellen der Anlage sei Wasser ausgelaufen, berichtete der Betreiber. Außerdem wurden Teile, die den Druck kontrollieren sollen, im Turbinengebäude von Reaktor 3 beschädigt, berichtete NHK. Rund um den Meiler sei aber keine erhöhte Strahlung gemessen worden.
Nach dem heftigsten Nachbeben seit der Katastrophe am 11. März waren in dem AKW zwei der insgesamt drei äußeren Stromversorgungen ausgefallen. Das Kraftwerk ist seit dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami vor vier Wochen zwar abgeschaltet. Die Brennelemente müssen aber weiter gekühlt werden. Dafür wird Strom gebraucht. Die Kühlung habe kurzzeitig ausgesetzt, funktioniere aber wieder, berichtete der Sender. Eine übriggebliebene externe Energiequelle versorge die Anlage ausreichend.

(FTD) Im Atomkraftwerk Onagawa floss radioaktives Wasser aus den Abklingbecken, blieb aber innerhalb der Sicherheitshülle der Anlage, wie Tokohu Electric mitteilte. Dies sei „nicht ungewöhnlich, obwohl es vorzuziehen ist, dass es nicht passiert“, sagte ein Sprecher der Atomsicherheitsbehörde.

(Focus) Außerdem wurden Teile, die den Druck kontrollieren sollen, im Turbinengebäude von Reaktor 3 beschädigt, berichtete NHK.
Innerhalb des Reaktorgebäudes sei ein leichter Anstieg von radioaktiver Strahlung gemessen worden, sagte ein Sprecher. „Wir versuchen herauszufinden, wo die Lecks sind.“ Außerhalb der Anlage sei jedoch keine erhöhte Radioaktivität gemessen worden. Das AKW Onagawa war nach dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami vor einem Monat heruntergefahren worden. Es liegt rund 100 Kilometer nördlich des Unglückatomkraftwerks Fukushima 1.

Wieder andere Meldungen (s.o.) sprachen von („Zitat der Behörden“) „ … bis zu vier Litern Wasser …“ DAS zeigt mustergültig den Unsinn der Meldung und das erneute Verharmlosen bis um „Geht nicht mehr“. Auf Deutsch übersetzt: Die Situation ist unkontrollierbar und kann jederzeit erneut eskalieren …

 

Das Leck ist dicht

(Tagesschau) Das Leck in Reaktorblock 2 des japanischen Atomkraftwerks Fukushima ist offenbar abgedichtet. „Die Arbeiter haben um 5.38 Uhr (Ortszeit) bestätigt, dass kein Wasser aus dem Graben mehr ausläuft“, erklärte die Betreibergesellschaft Tepco in Tokio. Dank des Einsatzes von Flüssigglas dringe kein Wasser mehr aus der Leitung.

Die Einsatzkräfte vor Ort hatten zunächst versucht, den 20 Zentimeter langen Riss mit Beton zu verschließen. Dieser Versuch scheiterte ebenso wie der Einsatz einer Mischung aus Kunstharz, Zeitungspapier und Sägespäne. Zum Erfolg führte laut Tepco schließlich der Einsatz eines als Flüssigglas bekannten Silicats. Zuvor war tagelang verstrahltes Wasser in den Pazifik geflossen. Im Meerwasser in der Nähe von Fukushima stieg der Gehalt an radioaktivem Jod 131 dadurch auf das mehr als 4.000-fache des gesetzlichen Grenzwerts.

Verschwiegen weiter kontinuierlich, dass Ursache selbstverständlich ein Defekt des Reaktordruckbehälters sein muss. Repariert der Riss am Containment oder Reaktorgebäude … Derweil läuft die Kernschmelze weiter und das Wasser nicht mehr nach draußen, sondern nach unten! Das Meerwasser hat selbst lt. Tepco-Informationen 300 m vor der Küste eine Belastung von bis zu 100.000 Bq/ L, verschämt in „100 Bq/cm3“ angegeben.

Zu den Auswirkungen auf das Meer gibt die Seite der Tagesschau Auskunft

 

Stickstoff soll Wasserstoffexplosionen verhindern

(Tagesschau) Die Arbeiten gingen unterdessen auch auf anderer Ebene weiter: Nach Angaben des Tepco-Sprechers Junichi Matsumoto ist geplant, Stickstoff in mehrere beschädigte Reaktoren einzuleiten. Damit sollten Wasserstoffexplosionen verhindert werden, wie sie sich in den ersten Tagen der Katastrophe ereignet hatten. Eine unmittelbare Explosionsgefahr besteht laut japanischer Atomsicherheitsbehörde aber nicht.

Mit anderen Worten: Es laufen nach wie vor „mehrere“ Kernschmelzen, die Wasserstoff freisetzen …

 

Das bestätigt das BMU:

(BMU) Laut TEPCO besteht die Möglichkeit, dass für die Blöcke 1 bis 3 das Containment beschädigt sein kann. Zudem ist es möglich, dass Wasserstoff aus dem RDB über die Kondensationskammer in die Druckkammer des Containments gelangt. Obwohl angenommen wird, dass im Containment eine Dampfatmosphäre vorherrscht, kann eine Wasserstoffexplosion auftreten, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Luft bzw. Sauerstoff in das Containment gelangt. Dieses ist aber nur vorstellbar, wenn sich im Containment aufgrund von Kondensationsvorgängen Druckverhältnisse einstellen, die ein Einströmen von Luft bzw. Sauerstoff aus der Umgebung über Leckagen des Containments zulassen. Deshalb wurde für die Blöcke 1 bis 3 die Einspeisung von Stickstoff in das Containment bei der Aufsichtsbehörde beantragt, die die Entstehung eines zündfähigen Gemisches aus Wasserstoff und Sauerstoff verhindert. (TEPCO 06.04.2011)

Seit 1971: Versagen des Notkühlsystems beim Reaktortyp Fukushima als Designfehler bekannt

(anti atom piraten) Adam Curtis berichtet in seinem Blog der BBC aus einem Film, den er einmal gemacht hat und der sich mit der Kerntechnik befasst. Der Film ist online abrufbar. Adam Curtis kommt bei seinen Recherchen zur folgenden Erkenntnis:

Bereits 1964 waren US Regierungsmitgliedern mögliche gravierende Sicherheitsmängel von Siedewasserreaktoren bekannt. Siedewasserreaktoren des Typs, wie die, die nun in Fukushima verunfallt sind. Diese Warnungen wurden aber fortlaufend ignoriert. (mehr …)

 

Tepco kündigt Entschädigungen an

(Tagesschau) Tepco kündigte an, die örtlichen Behörden für die radioaktive Verstrahlung und Evakuierungen zu entschädigen. Der Konzern erklärte allerdings, noch sei weder über die Höhe entschieden, noch darüber welche und wie viele Kommunen mit Geldern rechnen könnten. Die Zeitung „Yomiuri“ hatte zuvor berichtet, Tepco werde schon mit Entschädigungszahlungen beginnen, bevor die Schäden durch die Katastrophe überhaupt berechnet sind. Mittel sollten diejenigen erhalten, die wegen des AKW-Unfalls ihre Häuser verlassen mussten oder sonst Schaden erlitten haben.

Der Aktienkurs des Konzerns brach weiter ein. Seit der Reaktorkatastrophe infolge des Bebens und des Tsunamis am 11. März hatte die Aktie bereits mehr 80 Prozent an Wert verloren. Seine Bilanz des Geschäftsjahrs, das bis Ende März lief, verschob der Konzern nun auf unbestimmte Zeit.

Wie allerdings Tepco eine Summe aufbringen will, die das Mehrfache des Firmenwertes VOR der Katastrophe übersteigt, entschädigen will, bleibt unklar …

 

Deutsche Bank und West-LB finanzieren Betreiber des Katastrophen-Reaktors in Japan mit
PM von urgewald & attac

Angesichts der Atomkatastrophe in Japan haben das globalisierungskritische Netzwerk Attac und die Umweltorganisation Urgewald scharf die Rolle von Banken bei der Finanzierung von unsicheren Atomkraftwerken kritisiert. „Wo große Gewinne winken, spielen Informationen über massive Sicherheitsprobleme und Störfälle keine Rolle“, sagte Jutta Sundermann vom Attac-Koordinierungskreis. „Auf der Jagd nach der größtmöglichen Rendite setzen Banken Millionen Menschenleben aufs Spiel.“ So gaben die Deutsche Bank und die WestLB für Tepco, den Betreiber des japanischen Katastrophen-Reaktors, Anleihen in Höhe von zweimal rund 30 Millionen Euro aus; die die ING Bank (Muttergesellschaft der Direktbank ING-Diba) kaufte Tepco-Anleihen für rund 15 Millionen Euro.“ (mehr)

 

Korruption, die vom Himmel fällt

(SZ 03.04.2011, 18:01) Jahrelang hat Japan so getan, als gäbe es keine Alternative zur Atomkraft, dabei besitzt das Land viele natürliche Energiequellen. Doch die werden nicht genutzt – denn die Atomkonzerne schmieren Beamte mit hochbezahlten Beraterjobs. (mehr)

 

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Hintergründe Störfälle

Update 29. / 30.03.2011

Das Chaos nimmt weiter zu, die Versuche, die Katastrophe in Griff zu bekommen werden immer hilfloser … „Abdecken mit Folie“[1] oder „Besprühen mit Kunstharz“ oder „Verbringungen des radioaktiven Wassers per Tankschiffen auf hohe See“[2] werden offenbar ernsthaft diskutiert, als könne dies auch nur irgendwas an grundlegender Besserung oder Verhinderung der finalen Katastrophe bewirken. Eine Ausweitung der Evakuierung auf 40 km[3] ist da schon seriöser, aber da sperrt sich offenbar immer noch die Regierung. Selbst die jetzige 20 km-Zone wird offenbar nicht ernsthaft durchgesetzt, mit dem Ergebnis, dass die verbliebenen AnwohnerInnen mit ernsthaften Gesundheitsschäden rechnen müssen aufgrund der Strahlenbelastung.

Zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre, sind die Meldungen der JAIF (und die Übersetzung durch GRS) über den Zustand der Reaktoren:

 

Block  1  2  3 
Druck / Temperatur im Reaktordruck-behälter   schrittweise steigend / leicht gesunken nach Anstieg über 400°C am 24.03.   unbekannt / stabil   unbekannt  

Die GRS meldet um 09:00 Uhr (MESZ), abgerufen um 24:00 Uhr

Zustand Sicherheitsbehälter
unbeschädigt
Schaden und Leck vermutet
unbeschädigt
 

In der JAIF-Tabelle geht es um 21:00 Uhr (Ortszeit) ehrlicher zu (estimation = Schätzung, Vermutung):

 

Containment Vessel Integrity   Not Damaged (estimation)  Damage and Leakage Suspected  Not damaged (estimation) 

Immerhin wird die Beschädigung des Reaktordruckbehälters mittlerweile zugegeben …

Auf Deutsch: „Wir wissen zwar nicht, was im Reaktordruckbehälter 2 abgeht, aber stabil ist es …“ (es fehlt wohl das „hoffentlich“?)

Das Wirrwarr über die um das 10-millionenfache oder „nur“ 100.000-fache gestiegene Radioaktivität am Wochenende klärt sich etwas. Hintergrund waren offenkundig unterschiedliche Bezugswerte, einmal das normale Leitungswasser (hoher Wert), zum andern das ohnehin auch schon im Normalbetrieb belastete Kühlwasser.[4] Was so ganz nebenbei die Information liefert, dass das Kühlwasser im Fukushima „normalerweise“ mit einer 100-fachen Radioaktivität belastet wird …

Die mehrfach heiß diskutierten einer „geordneten Entsorgung“ des radioaktiv stark belasteten Kühlwassers (vom Besprühen der Abklingbecken und Reaktoren) wird ad absurdum geführt mit einer Meldung im Kleingedruckten in der SZ vom 28.3.20111 (Verseuchtes Wasser im Kraftwerk, Angst in der Luft): „Seit rund zehn Tagen pumpen die Techniker Tausende Tonnen in die zum Teil aufgerissenen Reaktorgebäude, offenbar ohne sich darum zu Kümmern, wohin das viele Wasser letztlich fließt.

 

Reaktordruckbehälter in Block 2 und 3 defekt

(BMU) 30.03.2011: Anhand der niedrigen Druckwerte in Block 2 und 3 schlussfolgert die NISA auf einer Pressekonferenz, dass die Reaktordruckbehälter defekt sein könnten. Es wird jedoch ausgeschlossen, dass größere Schäden am Reaktordruckbehälter aufgetreten sind.[5]

 

Tepco baut AKWs in der Türkei

(Tagesthemen, 30.03.2011, 22:46) Bei Mersin, in einem hochgradig erdbeben-gefährdeten Gebiet soll ein russisches AKW gebaut werden. Insgesamt sollen hier vier Rektoren gebaut werden. An der ebenfalls erdbeben-gefährdete Schwarzmeerküste sollen ebenfalls mehrere Reaktoren gebaut werden, hier soll ausgerechnet Tepco die Anlagen erstellen.

IAEA rät zu weiteren Evakuierungen

(Tagesschau) 30.03.2011: Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) rät Japan zur weiteren Evakuierung eines Ortes in der Nähe des zerstörten Atomkraftwerks Fukushima. In dem 7000-Einwohner-Ort Iitate hätten Teams der Atombehörde die höchsten Strahlungswerte gemessen, sagte der IAEA-Experte für nukleare Sicherheit, Denis Flory. „Eine erste Beurteilung deutet darauf hin, dass eine der IAEA-Kriterien für die Evakuierung überschritten wurde.“ Man habe Japan geraten, sich die Situation dort genau anzusehen, sagte Flory. Iitate liegt etwa 40 Kilometer nordwestlich von den Unglücksreaktoren entfernt.

(Spon) 30.03.2011:  Unterdessen hat die Umweltorganisation Greenpeace ebenfalls Messungen vor Ort durchgeführt: In dem 7000-Einwohner-Ort Iitate, 40 Kilometer nordwestlich des Kraftwerks, gab es demnach eine Strahlenbelastung von bis zu zehn Mikrosievert in der Stunde. Um Tsushima seien sogar 100 Mikrosievert pro Stunde gemessen worden. Das teilte die Organisation am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Tokio mit. Zum Vergleich: 2,1 Millisievert – also 2100 Mikrosievert – im ganzen Jahr ist jeder Mensch in Deutschland durchschnittlich ausgesetzt.

Wind dreht auf Tokio

(FTD) 30.03.2011: Der Wind drehte am Mittwoch in Richtung Tokio. Mit ihm könnten radioaktive Partikel den Ballungsraum mit 35 Millionen Bewohnern für einige Stunden erreichen.

Rauch über dem AKW Fukushima II (Daini)

(MoPo) Am eigentlich stabilen Kernkraftwerk Fukushima II ist am Mittwoch etwa eine Stunde lang Rauch aufgestiegen. Das meldete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf die Betreiberfirma Tepco. Der Rauch kam laut Tepco von einer Stromverteiler-Einheit in einem Turbinenraum im ersten Stock. Er sei dann wieder verschwunden. Genaue Angaben zur Ursache des Rauchs gab es zunächst nicht.

Tepco gerät außer Kontrolle

(FTD) Dem Betreiber des außer Kontrolle geratenen Atomkraftwerks in Japan droht das außerordentlich schwierige Krisenmanagement vollends zu entgleiten. Tokyo Electric Power (Tepco) bekommt die technischen Probleme der verheerenden Katastrophe nicht in den Griff. Management und Finanzkraft des Konzerns sind bereits jetzt vollkommen überstrapaziert: Die vor wenigen Tagen gewährten Notkredite in Milliardenhöhe reichen nicht aus, teilte Tepco am Mittwoch mit. Zudem musste die Konzernführung umorganisiert werden, da Präsident Masataka Shimizu krankheitsbedingt ausfällt. …
Das Management ist zunehmend handlungsunfähig. Die umgerechnet gut 17 Mrd. Euro Notkredit, die japanischen Banken gerade gewährt haben, reichten nicht aus, um den Firmenbetrieb und alle sonstigen Kosten finanzieren zu können, räumte Tepco am Mittwoch ein. Wie groß der weitere Finanzbedarf sein wird, bleibt unklar. Der mit einem Umsatz von 38,3 Mrd. Euro sechstgrößte Energieversorger der Welt war bereits vor dem Atom-GAU hoch verschuldet. …
Das Ausmaß der Schäden ist immens: Vier der sechs Reaktoren in Fukushima werden endgültig stillgelegt und verschrottet. Um die ausgefallene Energiekapazität künftig wettzumachen muss Tepco nach Analystenschätzung monatlich mehr als 1 Mio. Dollar aufwenden. Über die verbleibenden Reaktoren soll nach Gesprächen mit Regierung und Anwohnern entschieden werden. Zudem drohen hohe Kosten für Reparaturen, Entschädigungen, Kraftwerksneubauten und mögliche Klagen. Im Umkreis des Atomkraftwerks Fukushima mussten bislang 70.000 Menschen evakuiert werden.

 

Plutonium im Boden um Atomkraftwerk Fukushima

(Spon) 29.03.2011: Tokio – Mehr als zwei Wochen nach der ersten Explosion im Atomkraftwerk Fukushima I hat der Betreiber die Situation immer noch nicht unter Kontrolle. Aus dem beschädigten japanischen Atomkraftwerk tritt offenbar weiterhin hochgiftiges Plutonium aus. Das Schwermetall sickere ins Erdreich ein, hieß es am Dienstag aus Behördenkreisen. Nach Angaben der Betreibergesellschaft Tepco wurde an mehreren Stellen außerhalb des Meilers Plutonium entdeckt.
Es gebe Hinweise darauf, dass die Radioaktivität von beschädigten Brennstäben stamme, sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Dienstag. „Die Situation ist sehr ernst“, so Edano. „Wir tun unser Möglichstes, um den Schaden zu begrenzen.“
Es sei bedauerlich, dass es nicht gelungen sei, einen Austritt radioaktiver Substanzen aus dem Kraftwerk zu verhindern, sagte Hidehiko Nishiyama, ein Sprecher der Atomsicherheitsbehörde. Am Montag war erstmals gemeldet worden, dass im Boden um das Kraftwerk hochgiftiges Plutonium entdeckt worden sei. Die Dosierung war nach Angaben von Tepco für Menschen nicht gefährlich.

 

Info Plutonium
Plutonium (Pu) ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 94 (Nuklide 238, 239, 240, 241, 242, 244) und gehört zu den Schwermetallen wie Blei oder Quecksilber. Daher ist es für den menschlichen Körper auch ähnlich giftig wie diese Schwermetalle. Plutonium ist zusätzlich radioaktiv, das heißt die verschiedenen Nuklide (238, 240 und so weiter) zerfallen unter Aussendung von Strahlung. Die Halbwertszeit der Plutoniumnuklide ist relativ groß, zum Beispiel bei Plutonium-239 dauert es 24.110 Jahre bis die Hälfte der vorhandenen Atomkerne zerfallen ist. Beim radioaktiven Zerfall werden hauptsächlich Alphateilchen und mit wesentlich geringerer Intensität Gammastrahlung freigesetzt.
(mehr … / Quelle: https://www.bfs.de/ion/wirkungen/plutonium.html )

 

Regierung erwägt Verstaatlichung von Tepco

(Spon) Täglich meldet Tepco neue Hiobsbotschaften aus dem Kraftwerk an der Nordostküste des Landes. Nun erwägt die Regierung offenbar eine Verstaatlichung der Betreibergesellschaft. Das sei eine Option, sagte der Minister für die nationale Politik, Koichiro Gemba, laut der Nachrichtenagentur Kyodo am Dienstag. Auch die japanische Tageszeitung „Yomiuri“ berichtete unter Berufung auf Regierungskreise von derartigen Überlegungen. Die Regierung könnte die Mehrheit übernehmen und in das Management des Stromkonzerns eingreifen.

 

EU erhöht Grenzwerte für radioaktive Belastung von Lebensmitteln
+++ Umweltinstitut fordert Einfuhrverbot[6]

EU gestattet Einfuhr radioaktiv belasteter Lebensmittel aus Japan. Um das sicherzustellen, hat die EU Kommission die Katastrophengrenzwerte für Lebensmittel in Kraft gesetzt. Das heißt, dass Nahrungsmittel jetzt deutlich höher radioaktiv belastet sein dürfen als im Normalfall. Die Grenzwerte für Cäsium wurden zum Teil verdoppelt, für Lebensmittel wie Fischöl und Gewürze sogar verzwanzigfacht.

Ursprünglich waren diese Grenzwerte nach der Tschernobyl-Katastrophe eingeführt worden, um die Ernährung der Bevölkerung trotz eines Super-GAUs sicher zu stellen. Von einem Ernährungsnotstand kann bei einem Lebensmittelimportanteil aus Japan von unter 0,05 Prozent jedoch kaum eine Rede sein. Das Umweltinstitut München fordert die Bundesregierung deshalb auf, diese Grenzwerterhöhung unverzüglich zu revidieren und stattdessen ein sofortiges Einfuhrverbot von Lebensmitteln aus Japan zu erlassen!

Grenzwerte für nuklearen Unfall in Kraft gesetzt

In der EU gilt für die Cäsium-Gesamtaktivität in Milch, Milchprodukten und Säuglingsnahrung ein Grenzwert von 370 Bq/kg. Alle anderen Lebensmittel dürfen einen Wert von 600 Bq/kg nicht überschreiten. Diese nach Tschernobyl deutlich erhöhten „Normalwerte“ (z.B. lag Milch zuvor bei 50 Bq/L)  können allerdings laut Europarat im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation durch höhere Radioaktivitätsgrenzwerte für Nahrungsmittel und Futtermittel ersetzt werden (siehe Verordnung Euratom[7]). Diese Regelung sollte die Ernährung der Bevölkerung im Falle eines Supergaus sicherstellen.

Tabelle: Höchstwerte für Nahrungsmittel im Falle eines nuklearen Unfalls (in Bq/kg)

Nahrungs-
mittel für Säuglinge
Milch-
produkte
Andere Nahrungs-
mittel
Nahrungs-
mittel geringerer Bedeutung
Flüssig-
nahrungs-
mittel
Strontiumisotope
(bes. sr-90)
75 125 750 7500 125
Jodisotopge
(bes. J-131)
150 500 2000 20.000 500
Alphateilchen emittierende Plutoniumisoptope
u. Transplutonium-elemente

(bes. Pu-239, Am-241)
1 20 80 800 20
Alle übrigen Nuklide mit Halbwertzeit > 10 Tagen (bes. Cs-134, Cs-137 ohne C-14, H-3) 400 1000 1250 12.500 1000

 

Höhere Grenzwerte für Lebensmittel aus Japan

In ihrer Verordnung vom 25. März 2011[8](siehe Seite 2) legte die EU-Kommission nun fest, dass Nahrungsmittel auch aus radioaktiv belasteten Präfekturen Japans eingeführt werden dürfen. Diese Lebens- und Futtermittel müssen dabei nicht die üblichen Grenzwerte einhalten, sondern nur noch die Höchstwerte, die für den nuklearen Notstand festgelegt wurden.

Dieses Vorgehen ist absurd. Denn von einem Ernährungsnotstand kann bei einem Lebensmittelimportanteil von 0,05 Prozent aus Japan wohl kaum die Rede sein. Die EU-Kommission nimmt also völlig unnötig eine gesundheitsgefährdende radioaktive Belastung ihrer Bevölkerung in Kauf. Statt die Verbraucher zu schützen, werden diese bewusst gefährdet. Darüber hinaus muss lediglich die Einhaltung der Grenzwerte für Jod 131, Cäsium 134 und Cäsium 137 bescheinigt werden. Strontium und Plutonium werden in der aktuellen Verordnung nicht erwähnt.

Das Umweltinstitut München und andere unabhängige Experten empfehlen seit Langem strengere Grenzwerte: 30 bis 50 Bq/kg bei Nahrung für Erwachsene und 10 bis 20 Bq/kg für Kinder, Stillende und Schwangere. Babynahrung sollte 5 Bq/kg nicht überschreiten. Die aufgenommene Strahlung sollte soweit möglich minimiert werden. Pressemitteilung des Umweltinstitut München und Foodwatch.

Quellen:

https://www.tagesschau.de/ausland/fukushima362.html

https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Plutonium-im-Boden-Radioaktivitaet-in-Seoul-und-den-USA-id14487116.html

https://www.mopo.de/news/panorama/japan/katastrophen-akw-soll-mit-planen-abgedeckt-werden/-/8235776/8284086/-/index.html

https://www.ftd.de/politik/international/:fukushima-tepco-geraet-ausser-kontrolle/60033031.html

https://www.grs.de/sites/default/files/Status%20KKW%20Fukushima%20Daiichi%20Uhr%20am%2030-03-2011_0900.pdf

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/atomarer_notstand_in_japan_teil_2/

https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,753592,00.html

https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,753933,00.html

Süddeutsche Zeitung vom 30.3. (Rätselhaftes Plutonium),

Süddeutsche Zeitung vom 28.3.20111 (Verseuchtes Wasser im Kraftwerk, Angst in der Luft)


[3] ebenda

[4] Süddeutsche Zeitung vom 30.3. (Rätselhaftes Plutonium)

[7] VO zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation
https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31987R3954:DE:HTML

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Hintergründe Störfälle

Update 28.03.2011, 15:30 Uhr

Regierung bestätigt: Kernschmelze in Reaktor 2

Die GRS meldet am 28.3. zu den Reaktordruckbehältern:

Zustand Sicherheitsbehälter unbeschädigt Schaden und Leck vermutet nicht beschädigt

Diese Einschätzung ist zumindest bzgl. auf Reaktor 3 nicht nachvollziehbar. Den gesamten Bericht finden Sie hier. Dabei im „Kleingedruckten“ u.a. die Meldung: „Nach Angaben von TEPCO wurde am 21.03.2011 Kobalt, Jod und Cäsium im Auslaufkanal der Blöcke 1 bis 4 detektiert“ die wiederum belegt, dass in allen vier Reaktoren (vermutlich in den Reaktordruckbehältern 1 bis 3 und im Abklingbecken 4) Brennstäbe offen liegen und Lecks vorhanden sind. Der unwissende Laie würde von „Kernschmelzen“ sprechen …

Für Block 2 wird gemeldet: „Eine Explosion im Block 2 ist am 15.03.2011 um 06:20 Uhr aufgetreten. Nach IAEA wurden auf dem Anlagengelände bis zu 400 mSv/h gemessen. JAIF berichtet von 30 mSv/h zwischen Block 2 und 3, 400 mSv/h neben Block 3 und 100 mSv/h neben Block 4. Nach Pressemeldungen geht man aufgrund eines Druckabfalls im Sicherheitsbehälter von einer Beschädigung der Kondensationskammer aus.“ Die hohen Radioaktivitätswerte lassen vermuten, dass bereits damals eine Kernschmelze lief und der Reaktordruckbehälter beschädigt wurde.

 

Kernschmelze bestätigt, die 2.

(MoPo) 28.03.2011: Dass, was viele bereits befürchtet haben, ist jetzt eingetreten: Im Reaktor 2 hat nach Einschätzung der japanischen Regierung vorübergehend eine Kernschmelze eingesetzt.
Das sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Montag. Die im dortigen Turbinengebäude im Wasser entdeckte hochgradige Radioaktivität sei auf die teilweise Kernschmelze zurückzuführen, sagte der Sprecher. Dort waren mehr als 1.000 Millisievert pro Stunde gemessen worden.

 

Radioaktives Wasser in allen 4 Reaktoren

(Spon) 28.03.2011: Zum ersten Mal wurde am Montag auch außerhalb des Gebäudes von Reaktor 2 stark radioaktives Wasser entdeckt. In mehreren Kontrollschächten eines unterirdischen Kanals, der aus dem Turbinengebäude des Reaktors hinausführt, habe sich verstrahltes Wasser angesammelt, teilte ein Tepco-Sprecher mit. Die Radioaktivität betrage 1000 Millisievert pro Stunde.
Die Kontrollschächte, in dem Kabel und Abwasserleitungen verlaufen, befinden sich demnach rund 60 Meter vom Meer entfernt. Möglicherweise sei auf diese Weise verseuchtes Wasser in den Ozean gelangt. Bereits am Sonntag war ähnlich stark radioaktiv verseuchtes Wasser im Untergeschoss des Turbinengebäudes entdeckt worden, insgesamt stand in vier Reaktoren radioaktives Wasser.

 

Doch „Weg-Werf-Helfer“?

(GP) 28. März 2011, 15:03 Uhr: Das Wall Street Journal hat E-Mails eines Angestellten im AKW Fukushima Daini vom 23. März veröffentlicht. Aus ihnen geht hervor, dass im AKW überwiegend Menschen aus der Umgebung arbeiten. Sie sind Opfer des Erdbebens und des Tsunamis, haben ihr Zuhause und Angehörige verloren und arbeiten seit Beginn der Katastrophe pausenlos, um die Reaktoren unter Kontrolle zu halten

Neues Strahlungsmaximum

(FTD) 28.03.2011, 14:46 Uhr: Die japanischen Behörden warnen vor einem Einsickern von Radioaktivität in den Erdboden. Arbeiter hätten radioaktives Wasser in den tiefen Gräben vor drei Blöcken entdeckt. Die Strahlung in der Luft vor Block 2 übersteige 1.000 Millisievert pro Stunde – mehr als das Vierfache dessen, was die Regierung für die Einsatzkräfte für sicher hält, teilte Tepco mit. Die Gräben dienen als Wege für Arbeiter, die dort Entwässerungsrohre oder Elektrokabel verlegen. Die fünf Arbeiter, die im Einsatz waren, wurden laut Tepco nicht verletzt.

 

Hohe Radioaktivität im Meer

(FTD, Tagesschau) 28.03.2011, 14:13 Uhr: Neue Messwerte legen nach Behördenangaben nahe, dass in Fukushima ausgetretenes hoch radioaktives Jod 131 viel weiter nach Norden ins Meer gelangt ist als zunächst angenommen. Die Kontamination erstreckt sich demnach etwa 1,6 Kilometer weiter nach Norden als zuvor. An der Küste vor den AKW-Blöcken 5 und 6 seien Werte von Jod 131 gemessen worden, die 1.150 mal höher als normal liegen, sagte Hidehiko Nishiyama von der NISA. Nach Angaben der Atomsicherheitsbehörde stammt das radioaktive Wasser vermutlich aus der Sicherheitshülle des Reaktors 2.

 

… und im Wasser

(GP) 28. März 2011, 13.05 Uhr: An der Atomruine in Fukushima tritt erneut stark erhöhte Radioaktivität auf. In einem Wassergraben am Reaktorblock 2 wurden Strahlenwerte von mehr als 1000 Millisievert pro Stunde gemessen. Das japanische Gesundheitsministerium hat Wasseraufbereitungsanlagen im ganzen Land angewiesen, kein Regenwasser mehr zu verwenden und Becken mit Plastikplanen abzudecken. Auch aus Flüssen darf kein Trinkwasser mehr entnommen werden. (n-tv)

 

Eine gute Darstellung zum Aufbau von Brennstäben findet sich hier

 

Quellen:

https://www.mopo.de/news/panorama/japan/regierung-bestaetigt–kernschmelze-in-reaktor-2/-/8235776/8274344/-/index.html

https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,753592,00.html

https://www.ftd.de/politik/international/:live-ticker-zur-katastrophe-in-japan-regierung-warnt-vor-radioaktiver-erde/60031641.html#gmap-0-Fukushima%20Daiichi%20%28Reaktor%201%29

https://www.tagesschau.de/ausland/fukushima332.html

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/atomarer_notstand_in_japan_teil_2/

https://www.grs.de/sites/default/files/Radiation-Data_20110328-1000-Daiichi.pdf

https://www.grs.de/aktuelles/radioaktive-stoffe-im-brennstab-und-gef%C3%A4hrdungspotenzial-von-strahlung

https://www.grs.de/informationen-zur-lage-den-japanischen-kernkraftwerken-fukushima-onagawa-und-tokai

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Hintergründe Störfälle

Update 27.03.2011, 15:00 Uhr

Fukushima …. des Chaos’ nächste Stufe

Die Berichterstattung offizieller japanischer Stellen (Regierung sowie Tepco als Betreiber) erreichen leider immer wieder neue negative Höhepunkte … Daher hier eine persönliche Wertung der nachfolgenden Meldungen:

 

  1. Zweiter Reaktordruckbehälter offen
    Auch in Block 2 scheint jetzt die Kernschmelze den Reaktordruckbehälter (Skizze s. hier) massiv beschädigt zu haben. Im Vergleich zu Reaktor 3 ist die Öffnung entweder deutlich (um Zehnerpotenzen) größer (also etwa „durchgeschmolzener Boden“ zu „Riss“) oder es gab in Reaktor 2 eine Explosion des Reaktordruckbehälters. Da auch immer wieder von „Explosionen“ die Rede ist, kann letzteres nicht ausgeschlossen werden.
  2. Radioaktivitätswerte explodieren
    Die Radioaktivität liegt spätestens seit heute in der Größenordnung Tschernobyls, mit dem Unterschied, dass hier mindestens zwei Reaktoren betroffen sind. Die lokalen Folgen für die Umgebung (30 bis 80 km) um das AKW werden Tschernobyl vergleichbar sein!
  3. Meldungswirrwarr und Dementis zeigen Ausmaß der Katastrophe
    Die vollkommen wirren Meldungen und Widersprüche (s. Tagesschau, 15:00 Uhr) haben nur eine Erklärung: Die Situation läuft vollkommen aus dem Ruder und die Regierung/Betreiber versuchen solange es geht zu verheimlichen, um eine endgültige Panik mit katastrophalen Folgen heraus zu zögern (wobei ich mir keine Wertung erlaube, ob dies nicht sogar der vernünftigere Weg ist …)
  4. Jetzt geht auch JAIF zum Mauern über
    Nachdem bisher die JAIF einen recht zuverlässigen Statusbericht über die Zustände der Anlagen geliefert hatte, ist dies offenbar auch beendet … So gibt es heute (27.3.) in allen drei havarierten Redaktoren lauf JAIF (Japan Atomic Industrial Forum) KEINERLEI Angaben zu den Reaktordruckbehältern!!! Gleichzeitig schreibt die GRS die Tabelle von JAIF fort. „Witzigerweise“ bezieht sich die GRS dabei auf die JAIF! So meldet die GRS bereits am 25.3. (letzter Stand der Veröffentlichungen) einen vermuteten Schaden am Reaktordruckbehälter 3!
  5. Unsinn über „Brennstab-Kühlung“
    Mehrfach kamen in den letzten Tagen Meldungen wie die unten von Focus, vermutlich alle 1 : 1 von japanischen Agenturen übernommen:
    „ …
    aber das sich ablagernde Salz stellt eine Gefahr für die Pumpen und die Brennstäbe (dar)“. Dies unterstellt, eine Kühlung der Brennstäbe bzw. genauer der Brennelemente in den havarierten Reaktordruckbehältern wäre möglich bzw. würde sogar geschehen. Das ist ABSOLUTER UNSINN!!! Wie unter 4 gezeigt, gibt es nicht einmal einen Informationsstand zum Zustand der Reaktordruckbehälter! Die Pumpen, deren Wiederinbetriebnahmen mehr als „kurz bevorstehend“ gefeiert wurde, laufen laut aktuellen Meldungen immer noch nicht. Was bestenfalls läuft ist eine Kühlung der Reaktordruckbehälter von außen. DIESE jetzt auf Süßwasser umzustellen, macht Sinn, um die Pumpen zu schonen, hat aber mit den „Brennelementen“ und DEREN Kühlung nichts zu tun! 

    Mit der Zerstörung durch das Beben und den Tsunami wurde auch die Kühlung der Brennstäbe unterbrochen. Erfahrungsgemäß fängt spätestens nach mehreren Tagen durch die weitergehende Hitzeentwicklung die sog. „Kernschmelze“ an: Dabei platzen zunächst die Zirkonium-Schutzhüllen auf. Die Temperatur steigt bis auf über 2.000 °C an, bei dieser schmilzt dann auch das Uranoxid bzw. Uran. Falls Uran verwendet wurde (Zusammensetzung der Brennstäbe ist eine Mischung aus Uran und Uranoxid), fängt Uran in Kontakt mit Wasser oder Wasserdampf zu brennen an, Wasserstoff entsteht. Auch Stahl oder Zirkonium reagieren bei diesen hohen Temperaturen mit Wasser.

    Fazit: Die Brennstäbe sind seit Tagen im Schmelzvorgang und zerstört, eine Kühlung der Brennstäbe ist schon lange nicht mehr möglich, gekühlt werden kann nur noch der Reaktordruckbehälter von außen.

Verwirrung über erhöhte Strahlenwerte

(Tagesschau) 27.03.2001, abgerufen um 15:00 Uhr: Die Nachrichtenlage am Atomkraftwerk Fukushima I ist weiter unübersichtlich: „Die Betreiber des schwer beschädigten japanischen Atomkraftwerks Fukushima haben ihre eigenen Angaben über millionenfach erhöhte Strahlenwerte zurückgezogen“, meldet die Nachrichtenagentur dapd. Die Messung sei falsch gewesen, wird ein Sprecher der Betreiberfirma Tepco zitiert. „Diese Zahl ist nicht glaubhaft“, habe Sprecher Takashi Kuratia geäußert: „Das tut uns sehr leid.“

Auch die japanischen Nachrichtenagenturen Kyodo und Jiji meldeten Verwirrung bei den Berichten über die Strahlenbelastung am Unglücks-AKW: Im entdeckten Wasser im Reaktorhaus 2 seien zudem möglicherweise andere radioaktive Substanzen als das bisher gemeldete Jod-134 enthalten.

Berichte über millionenfach erhöhte Strahlungswerte

(Tagesschau) 27.03.2001, abgerufen um 15:00 Uhr: Zuvor hatte Tepco gemeldet, im Reaktor 2 des schwerbeschädigten japanischen Atomkraftwerks sei die Radioaktivität drastisch angestiegen. Die Strahlung im Wasser des Turbinenhauses sei auf einen Wert von zehn Millionen Mal über normal gestiegen. Kabinettssekretär Yukio Edano sagte, das extrem radioaktiv verseuchte Wasser stamme „nahezu sicher“ aus einem Reaktorkern. (Anm. der Red.: Später wird einen Erhöhung auf „nur“ das 100.000-fache des üblichen Wertes gemeldet …)

Die in Reaktor 2 mit Reparaturarbeiten beschäftigten Arbeiter hätten in Sicherheit gebracht werden müssen, erklärte Tepco weiter. Sie waren damit beschäftigt, die Flüssigkeit aus den Kellern der Turbinengebäude der Reaktoren 1 und 2 zu entfernen. Das radioaktive Wasser hatte bereits in Reaktor 3 mehrere Arbeiter verstrahlt.

Die Turbinengebäude schließen direkt an die Reaktorblöcke an. In ihnen stehen die großen Stromgeneratoren, deren Rotorblätter von dem am Reaktor aufgeheizten Dampf in Schwung gesetzt werden. Das strahlende Wasser sollte vorerst in den großen Kondensationsbecken gesammelt werden, in denen normalerweise der Dampf abgekühlt wird.

 

Verstrahltes Wasser bis zu einen Meter tief

(Focus) 27.03.2011, abgerufen um 15:00 Uhr: Das Drama um das havarierte japanische Kernkraftwerk bei Fukushima hat einen weiteren Höhepunkt erreicht. Die austretende Strahlung in einem Reaktor wird als potenziell tödlich eingestuft. Die Rettungsarbeiten mussten deshalb abgebrochen werden. (Anmerkung: in anderen Quellen werden Strahlungsdosen im Sv-Bereich angegeben, diese sind praktisch sofort tödlich (s.a. hier)

Rapide gestiegene Radioaktivität im havarierten japanischen Atomkraftwerk bei Fukushima hat am Sonntag die fluchtartige Evakuierung erzwungen. Mit dem Abzug der Techniker wurden auch die Arbeiten unterbrochen, die Kühlung der Anlage wieder in Gang zu bringen.

 

Im Turbinengebäude des Reaktors 1 stehe das radioaktiv verseuchte Wasser 40 Zentimeter hoch und am Reaktorblock 2 betrage die Tiefe einen Meter, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. In Block 3 seien sogar 1,5 Meter gemessen worden. Das Wasser stammt offenbar aus dem Reaktorkern oder den Abklingbecken für abgebrannte Brennelemente.

Sobald das radioaktive Wasser abgepumpt ist, soll die Verkabelung der Reaktorgebäude fortgesetzt werden. Dann soll Strom in alle Kontrollräume geleitet werden. Im Idealfall funktionieren die Messgeräte und am Ende auch das reguläre Kühlsystem wieder.

Im Reaktorblock 2 wurde die Kühlung auf Süßwasser umgestellt. Bisher war mit Meerwasser gekühlt worden, aber das sich ablagernde Salz stellt eine Gefahr für die Pumpen und die Brennstäbe dar.

IAEA-Chef: „Noch weit vom Ende des Unfalls entfernt“

(Tagesschau) 27.03.2001, abgerufen um 15:00 Uhr: Unterdessen zeigte sich der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Yukiya Amano, besorgt über die Lage in Japan. Der „New York Times“ sagte er, die Situation könne noch für Wochen, vielleicht sogar Monate andauern. Japan sei „noch weit vom Ende des Unfalls“ entfernt.

Es sei immer noch unklar, ob die Reaktorkerne und die abgearbeiteten Brennstäbe mit Wasser bedeckt seien und ausreichend gekühlt werden könnten. Es müsse noch mehr getan werden, um die Krise zu beenden, fügte er hinzu.

In vier Reaktoren steht verstrahltes Wasser

(Spon), 27.03.2011, abgerufen um 15:00 Uhr: Die Radioaktivität in Reaktor 2 erreichte am Sonntag einen Wert, der tödlich sein kann. Die von der Betreibergesellschaft Tepco im Reaktor gemessenen mehr als 1.000 Millisievert pro Stunde können nach Einschätzung der US-Umweltbehörde schwere Blutungen auslösen. Das Kraftwerk wurde am Sonntag umgehend evakuiert. Die Mitarbeiter, die die Messungen vornahmen, seien aus Reaktorblock zwei geflohen, bevor eine zweite Messung abgeschlossen war, hieß es.

Kabinettssekretär Yukio Edano sagte im japanischen Fernsehen, das extrem radioaktiv verseuchte Wasser stamme „nahezu sicher“ aus einem Reaktorkern. Die genaue Ursache sei nicht bekannt. Befürchtet wurde ein Riss oder Bruch in einer der Schutzhüllen um einen Reaktorkern.

 

Furcht vor Verstrahlung nimmt zu

(Spon), 27.03.2011, abgerufen um 15:00 Uhr: Die Furcht vor radioaktiver Verstrahlung unter den Menschen im Umkreis von Fukushima führt inzwischen zu extremen Vorsichtsmaßnahmen: Notunterkünfte nehmen nur Flüchtlinge aus der evakuierten Zone um das AKW auf, die sich einer Strahlenuntersuchung unterzogen haben. Viele internationale Reedereien meiden mit ihren Frachtern den Hafen von Tokio, weil auch das Meer immer stärker radioaktiv verseucht wird.

Regierungssprecher: „radioaktiv verseuchte Wasser aus Reaktorkern“

(FAZ) 27.03.2011, abgerufen um 15:00 Uhr: Regierungssprecher Edano sagte, das extrem stamme „nahezu sicher“ aus einem Reaktorkern.

Die Nachrichten aus Fukushima werden immer alarmierender. Die Radioaktivität in Reaktorblock 2 des japanischen Atomkraftwerks ist zehn Millionen Mal höher als normal. Die Strahlung wurde am Sonntag im verseuchten Wasser gemessen, welches meterhoch im Turbinen-Gebäude des Reaktorblocks steht. Die Radioaktivität in der Luft hat nach Angaben der Betreiberfirma Tepco 1000 Millisievert in der Stunde erreicht. Das Vierfache des von der Regierung erst kürzlich heraufgesetzten Grenzwerts für die Belastung von Atomkraftwerksmitarbeitern – in einem Jahr. Das bedeutet, dass ein Kraftwerksmitarbeiter im Reaktor schon in einer Viertelstunde die zulässige Jahresdosis erreicht hat.

Regierungssprecher Yukio Edano sagte im japanischen Fernsehen, das extrem radioaktiv verseuchte Wasser stamme „nahezu sicher“ aus einem Reaktorkern. Sollte tatsächlich der Kern betroffen sein, könnte die Radioaktivität in der Umgebung von Fukushima deutlich ansteigen. Die wahrscheinlichste Folge wäre eine Kontamination des Grundwassers. Die Messwerte waren zuvor von einem Sprecher der Betreiberfirma Tepco, Takashi Kurita, mitgeteilt worden.

Zuletzt:

Weil immer wieder nachgefragt wird …

Aufgrund aller vorliegenden Meldungen ist derzeit nicht zu befürchten, dass große Radioaktivitätsmengen die Jetstreams erreichen und somit in großem Maße (wie etwa nach Tschernobyl) nach Mitteleuropa gelangen können. DAZU fehlen die hohen Brandtemperaturen, die es im Reaktor in Tschernobyl gab. Geringe Mengen werden mit den „normalen“ Winden in den nächsten Tagen auch Mitteleuropa erreichen und hier zu einer Erhöhung der Messwerte, aber weit unter einer kritischen Grenze, führen. Die Erhöhung dürfte bis auf Weiteres im Bereich der natürlichen Schwankungen (Höhenstrahlung, Mineralien) und der Belastungen von Tschernobyl und den oberirdischen Atomversuchen der 60er liegen. DAS ist also vorläufig kein Grund zu Sorge. Die regionale Betroffenheit in Japan und im Ostasiatischen Raum sieht dagegen VÖLLIG anders aus!

 

Quellen:

www.iwr.de

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/zusammenfassung_strahlung_an_fukushima_reaktor_2_millionenfach_erhoeht/

https://www.focus.de/panorama/welt/tsunami-in-japan/atom-katastrophe-strahlung-erreicht-toedliche-dosis_aid_612612.html

https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,753407,00.html

https://www.grs.de/sites/default/files/Status_KKW_Fukushima_Daiichi_am%2025-03-2011_0800.pdf bzw.

https://www.jaif.or.jp/english/news_images/pdf/ENGNEWS01_1301226468P.pdf

https://www.tagesschau.de/ausland/fukushima332.html

https://www.faz.net/s/RubB08CD9E6B08746679EDCF370F87A4512/Doc~ED98136EF628A4BC5995DF6D4513BE4B3~ATpl~Ecommon~Sspezial.html