08.05.2012
Die Vierparteien-Geheimgespräche zur Atommüll-Entsorgung gehen in die falsche Richtung. Denn sie schaffen nicht die Voraussetzungen für einen gesellschaftlichen Konsens. Und sie verhandeln immer noch: Die Gespräche zwischen CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen um das sogenannte „Endlagersuchgesetz“ dauern weiter an. Zuletzt am 24. April trafen sich SpitzenpolitikerInnen der Parteien aus Bund und Ländern in Berlin. Was sie dabei konkret verhandelten, blieb im Verborgenen: Die Beteiligten haben „Stillschweigen“ verabredet. Mit Transparenz und Beteiligung der Bevölkerung ist es also bisher nicht weit her bei diesem mit großem Getöse angekündigten angeblichen „Neustart“ der Suche nach einer Lagermöglichkeit für den tagtäglich wachsenden Atommüll-Berg. Ganz im Gegenteil: Selten wurde ein Gesetz konspirativer vorbereitet. Statt die Betroffenen der Atommüllpolitik von Anfang an mit einzubeziehen, gelten sie wohl weiter als diejenigen, deren Widerstand am Ende gebrochen werden muss. Da scheint es geboten, mit Informationen eher sparsam zu sein.
Auf dem Weg zum Formelkompromiss
Für die VerhandlungsführerInnen geht es um viel mehr als nur um einen schlechten Deal in Sachen strahlende Abfälle. Der Landtagswahlkampf in NRW mit der Spitzenkandidatur von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) spielte zwischenzeitlich eine größere Rolle als die Frage, nach welchen Kriterien ein dauerhaftes Atommüll-Lager gesucht werden soll. Und als nächstes wird, im Januar 2013, in Niedersachsen gewählt. Trotzdem scheint es, als wollten alle beteiligten Parteien sich unbedingt einigen – auf einen wie auch immer gearteten Formelkompromiss, den sie dann als Erfolg verkaufen können. Doch eine Einigung ist kein Wert an sich, auch wenn die Medien manchmal so tun. Wer sich auf das Falsche einigt, erreicht sein Ziel nicht. Das ist, wie wenn man eine Autobahnbrücke über ein zwei Kilometer breites Tal plant: Wenn der eine die Brücke 1,5 Kilometer lang bauen will und der zweite nur einen Kilometer und man einigt sich auf 1,3 Kilometer, taugt – trotz großer Einigkeit! – die ganze Brücke nichts.
Ein Endlager in Gorleben bleibt weiter möglich
Auch was sich da als schwarz-gelb-rot-grünes Verhandlungsergebnis in Sachen Atommüll abzeichnet, wird den Konflikt sicher nicht lösen: Falsch sind bereits die Prämissen der neuen Suche: kein Stopp der Atommüllproduktion, kein endgültiges Aus für Gorleben, keine Aufarbeitung der Fehler der Vergangenheit – Stichwort Asse – und keine echte Mitbestimmung der betroffenen Bevölkerung. Ohne all das aber ist der Atommüll-Konflikt nicht lösbar. Vielmehr wird der Vierparteien-Anlauf wie alle vorherigen auch über kurz oder lang wieder gegen die Wand fahren. So gesehen bedeutet die Schlagzeile „Parteien-Gespräche vor der Einigung“ in Wahrheit „Parteien-Gespräche vor dem gemeinsamen Scheitern“. „Einig“ nämlich sind sich die VerhandlungsführerInnen bereits darin, dass ein Endlager in Gorleben weiter möglich sein soll. Und darin, die Klagemöglichkeiten von AnwohnerInnen aller potenziellen Atommüll-Lager deutlich einzuschränken. Unklar ist lediglich noch, ob und wann die Arbeiten im Salzstock Gorleben unterbrochen werden und was mit den Zwischenergebnissen der „Vorläufigen Sicherheitsanalyse“ passieren wird, die den Endlager-Standort Gorleben eigentlich juristisch absichern sollte. Unklar ist darüber hinaus, ob es überhaupt noch an einem weiteren Standort eine Erkundung unter Tage geben soll, ob und wenn ja welche Kriterien bereits im Gesetz festgeschrieben werden und welche Behörden bei der Suche welche Rolle spielen sollen. Zwei Tage nach der bisher letzten Verhandlungsrunde tagte übrigens mal wieder der Bundestags-Untersuchungsausschuss zu Gorleben. Als Zeuge war Dr. Paul Krull geladen, der 1995 für die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Auftrag der damaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel eine Studie zur „Untersuchung und Bewertung von Salzformationen“ in Sachen Atommüll-Lagerung erarbeitet hatte. Von 41 untersuchten Salzstöcken entsprachen drei den Eignungs-Vorgaben. Gorleben wurde damals gleich gar nicht mit untersucht, hätte aber, so Krull auf Nachfrage im Ausschuss, in jedem Falle schlechter abgeschnitten. Merkel kommentierte die Studie damals vor der Presse mit dem Satz: „Gorleben bleibt erste Wahl.“