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Akualisierungen des Buches Endlagersuchgesetz Entsorgung Terrorgefahr

Zwischenlager Brunsbüttel rechtswidrig – die Folgen?

Atomzwischenlager in Brunsbüttel ohne gültige Betriebsgenehmigung

Klage von Anlieger war erfolgreich

Mit dem Urteil des OVG des Landes Schleswig-Holstein, gegen das keine Revision zugelassen ist (gegen diese Nicht-Zulassung kann allerdings geklagt werden, daher ist das Urteil noch nicht rechtskräftig) wurde mit einem Federstrich das Kartenhaus der deutschen Quasi-Entsorgung entsorgt! Da die anderen deutschen Zwischenlager genauso schlecht oder noch schlechter geschützt sind, muss damit gerechnet werden, dass aufgrund weiterer Klagen sämtlichen noch laufenden deutschen AKWs die Genehmigung für ihre Zwischenlager (Entsorgungsnachweis!) und damit letztlich die Betriebsgenehmigung entzogen wird (s.a. HIER). Für das Endlagersuchgesetz, das in seinem Kompromiss auch die Unterbringungen weiterer Castoren aus Sellafield in Brunsbüttel vorgesehen hatte, dürfte die Emtscheidung zumindest ein weiterer Rückschlag, wenn nicht das AUS sein … (s.u.: Aus für Endlagersuchgesetz?) Nach zweitägiger mündlicher Verhandlung hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts mit Urteil vom 19.6.2013 die atomrechtliche Genehmigung für das Standortzwischenlager des Kernkraftwerks Brunsbüttel wegen mehrerer Ermittlungs- und Bewertungsdefizite der Genehmigungsbehörde aufgehoben.

Die Genehmigung war vom Bundesamt für Strahlenschutz im November 2003 erteilt und für sofort vollziehbar erklärt worden. Sie erlaubt die Aufbewahrung von bestrahlten Brennelementen ausschließlich aus dem Kernkraftwerk Brunsbüttel in maximal 80 Castor-Behältern des Typs V/52 zum Zwecke der Zwischenlagerung bis zur Einlagerung in ein Endlager für einen Zeitraum von bis zu 40 Jahren ab der Einlagerung des ersten Behälters.

Die im Februar 2004 gegen die Genehmigung erhobene Klage eines Anwohners hatte der 4. Senat des OVG mit Urteil vom 31. Januar 2007 (4 KS 2/04) zunächst abgewiesen; dieses Urteil war aber vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 10. April 2008 (7 C 39.07) aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das OVG zurückverwiesen worden. Der Kläger hat gegen die Genehmigung des Zwischenlagers im Wesentlichen eingewandt, dass die Risiken terroristischer Angriffe u.a. durch gezielten Absturz eines Verkehrsflugzeuges sowie den Einsatz panzerbrechender Waffen gegen das Lager nicht hinreichend bercksichtigt worden seien.

Die Presseerklärung des Gerichtes finden Sie HIER.

Die Presseerklärung von Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig zur Aufhebung der Genehmigung des Zwischenlagers Brunsbüttel finden Sie HIER:
Hochinteressant dabei der Absatz: „Das Urteil kann sich zudem auf die aktuelle Diskussion über das Endlagersuchgesetz und die damit zusammenhängende Frage der Zwischenlagerung von Castoren aus der Wiederaufbereitung auswirken. Die Einlagerung solcher Castoren ist ohnehin auf der Basis der vom OVG beurteilten Genehmigung nicht zulässig. (Anm. des Verf.: Jetzt auf einmal?) Für eine Lagerung wäre ein eigenständiges Genehmigungsverfahren beim Bundesamt für Strahlenschutz erforderlich.

Höchstinteressant die ausführliche Stellungnahme zu möglichen Terroranschlägen auf die im Standort-Zwischenlager Brunsbüttel aufbewahrten Behälter
des Typs CASTOR V/52 im Rahmen des Klageverfahrens vor dem OVG Schleswig AZ.: 4 KS 03/8 von Oda Becker, Hannover, Juni 2013 (vollständig HIER). Sie beschäftigt sich mit möglicherweise gezielt herbeigeführten Flugzeugabstürzen, mit terroristischen Angriffe mit Panzerabwehrlenkwaffen sowie mit weiteren möglichen terroristischen Angriffsszenarien.

Stellungnahme des BfS:

https://www.bfs.de/de/transport/zwischenlager/weitere_informationen/urteil_brunsbuettel.html

Zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig über eine Klage gegen das Zwischenlager Brunsbüttel erklärt das Bundesamt für Strahlenschutz:
In seinem Urteil, zu dem bisher nur eine Pressemitteilung des Gerichts vorliegt, kritisiert das Gericht vor allem, dass im Verfahren „ein wesentlicher Teil der Unterlagen der Genehmigungsbehörde unter Berufung auf Geheimhaltung nicht vorgelegt worden“ war. Die Geheimhaltung sei vom Bundesverwaltungsgericht im sogenannten in-camera-Verfahren allerdings größtenteils bestätigt worden.
In der mündlichen Verhandlung ging es um die Fragen, ob die möglichen Auswirkungen eines gezielten Flugzeugabsturzes und eines möglichen Beschusses mit panzerbrechenden Waffen im Genehmigungsverfahren ausreichend geprüft wurden. Aufgrund von Geheimhaltungsverpflichtungen konnte das BfS dem Gericht nicht in der gewünschten Detailtiefe darlegen, dass die Genehmigung für das Zwischenlager Brunsbüttel den nach dem Atomgesetz erforderlichen Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet. Welche Informationen vor Gericht vorgetragen werden können, hat das BfS mit dem Bundesumweltministerium mit Blick auf bestehende Geheimhaltungspflichten abgestimmt.
Das BfS hat bei der Genehmigung des Zwischenlagers Brunsbüttel das zum Genehmigungszeitpunkt geltende Regelwerk angewandt. Es ist bei der Prüfung des gezielten Flugzeugabsturzes nach dem 11. September 2001 gegen den Widerstand der Stromversorger sogar darüber hinaus gegangen. Bei allen Zwischenlagern wurde der gezielte Flugzeugabsturz bereits in den Genehmigungsverfahren berücksichtigt und mit überprüft.
Die Bewertungsmaßstäbe und die zu betrachtenden Szenarien sind im untergesetzlichen Regelwerk festgelegt, das vom Bundesumweltministerium als zuständiger Regulierungsbehörde herausgegeben wird und in das unter anderem die Analysen der Sicherheitsbehörden einfließen. Das BfS wendet dieses Regelwerk an, legt es jedoch nicht selbst fest.
Das Gericht hat in seinem Urteil zwar kritisiert, das BfS habe es versäumt, bereits 2003 die Folgen eines Absturzes mit dem Airbus 380 auf ein Zwischenlager vor der Genehmigungserteilung zu ermitteln. Es betont jedoch, es habe es „offengelassen, ob dieses Ermittlungsdefizit durch eine nachträgliche Untersuchung der Behörde aus dem Jahr 2010 gegenstandslos geworden sei“. Das BfS hatte die Untersuchung für den Airbus 380, der zum Zeitpunkt der Genehmigung des Zwischenlagers noch nicht auf dem Markt war, 2010 nachgeholt.
Das BfS wird die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Erst auf dieser Basis kann über das weitere Vorgehen, insbesondere das Einlegen einer Nichtzulassungsbeschwerde oder die Erweiterung bestehender Untersuchungen, entschieden werden. Die Genehmigung hat weiter Bestand, da das Urteil noch nichts rechtskäftig ist.

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Aus für Endlagersuchgesetz?

Das geplante nationale Atomgesetz, mit dem die Endlagerung des Atommülls geklärt werden soll, steht vor einer neuen Hürde. Gestern hatte das Oberverwaltungsgericht Schleswig die Genehmigung für das atomare Zwischenlager Brunsbüttel in Schleswig-Holstein aufgehoben. Es gab damit der Klage eines Anwohners gegen die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erteilte Genehmigung statt. Weiter: HIER und HIER und HIER

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https://www.bfs.de/de/transport/zwischenlager/dezentrale_zwischenlager/dezentrale_zl_bauweise.html

Hintergrund – Bauweise der Zwischenlager

ZL- Bauweise

STEAG-Konzept

Die Standort-Zwischenlager wurden als Lagerhallen aus Stahlbeton (am Standort Neckarwestheim in Form von Lagertunneln) errichtet. Bei den Standort-Zwischenlagern in Norddeutschland an den Standorten

•Brokdorf,

•Brunsbüttel,

•Grohnde,

•Krümmel,

•Lingen und

•Unterweser

wurde das STEAG-Konzept (Wandstärke ca. 1,2 m, einschiffiges Gebäude) umgesetzt.

 

Das WTI-Konzept

Die Hallenbauweise für die Standort-Zwischenlager in Süddeutschland an den Standorten

•Biblis,

•Grafenrheinfeld,

•Gundremmingen,

•Isar und

•Philippsburg

orientiert sich an dem WTI-Konzept (Wandstärke ca. 0,85 m, zweischiffiges Gebäude).

 

Besonderheit Neckarwestheim (Tunnel-Konzept)

Aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse am Standort Neckarwestheim, einem ehemaligen Steinbruch, wurde für das Standort-Zwischenlager die unterirdische Bauweise gewählt. Das Standort-Zwischenlager Neckarwestheim besteht aus einem oberirdisch angeordneten Eingangsgebäude, zwei parallelen, in Ost-West-Richtung verlaufenden unterirdischen Tunnelröhren, die an ihrem Ende durch einen Verbindungstunnel verbunden sind, sowie einem Abluftbauwerk und einem Fluchtbauwerk.
Dazu ergänzend: (nicht auf der bfs-Seite)
Zu den Merkwürdigkeiten und Besonderheiten des Tunnellagers in Neckarwestheim gehört auch, dass dort teilweise schlechterer Beton verwendet wurde als in der Genehmigung vorgeschrieben wurde. Staatsanwaltschaft und grünes Umweltministerium in Stuttgart sind allerdings der Meinung, dass die Betriebserlaubnis trotzdem nicht bröckelt … s.
https://www.energiewendeheilbronn.de/blog/2012/01/26/gefahrlich-schlechter-beton-im-atommull-zwischenlager-neckarwestheim/  und
https://www.energiewendeheilbronn.de/blog/2012/03/06/der-mangelhafte-beton-im-castorlager-antwort-des-umweltministeriums/

Erweiterung des baulichen Schutzes der Standort-Zwischenlager

Vor dem Hintergrund neuer Anforderungen an die Anlagensicherung haben die Betreiber der Standort-Zwischenlager in den Jahren 2010/2011 die Erweiterung des baulichen Schutzes der Standort-Zwischenlager gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD) beantragt. Die Nachrüstung dient der Optimierung der Sicherungsmaßnahmen. Damit die Maßnahmen umgesetzt werden können, ist neben einer atomrechtlichen Genehmigung u.a. auch eine baurechtliche Genehmigung erforderlich.

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Brief der S-H-Grünen

An
– Alle Mitglieder
– Kreisgeschäftsstellen
Liebe Freundinnen und Freunde,
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig zur Aufhebung der Genehmigung des Zwischenlagers Brunsbüttel lässt – da derzeit keine Begründung vorliegt – ad hoc keine umfassende Analyse zu. Das Urteil ist auch noch nicht rechtskräftig, da das beklagte Bundesamt für Strahlenchutz (BfS) als nachgeordnete Behörde des Bundesumweltministeriums noch eine Revision erwirken kann. Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht hat keine Erkenntnisse darüber, dass die Sicherheit des Zwischenlagers Brunsbüttel beeinträchtigt ist.
Auch das OVG Schleswig hat in seiner Entscheidung solche Beeinträchtigungen bislang nicht festgestellt, sondern Ermittlungsdefizite gerügt. Die Genehmigung von Zwischenlagern ist Sache des Bundes. Der Bundesumweltminister Peter Altmaier muss dafür sorgen, dass sichere und rechtssichere Genehmigungen für die Zwischenlager vorliegen.
Das Urteil unterstreicht die Forderung von Landtag und Landesregierung, dass nach einer atomrechtlichen Genehmigung höchste Sicherheitsmaßstäbe anzulegen sind. Die Entscheidung des OVG Schleswig hat Auswirkungen auf die laufende Debatte zum Endlagersuchgesetz und der Zwischenlagerung von Castoren aus der Wiederaufbereitung. Die Sicherheit aller Zwischenlager bundesweit ist nun in der öffentlichen Diskussion und wird in Frage gestellt.
Atomaufsichtlich muss das gesamte Entsorgungskonzept des Bundes aufgearbeitet und überprüft werden. Das Urteil verdeutlicht, in welch elende Lage die Atomkraft uns geführt hat: Wir produzieren Atommüll ohne zu wissen, wohin damit. Wir sind in der Pflicht, das bestmögliche Endlager zu finden. Wir sollten so wenig Atommüll wie möglich produzieren und so schnell wie möglich damit aufhören. Das MELUR hat als schleswig-holsteinische Atomaufsicht die wichtigsten Fragen und Antworten zum Urteil und den bis dato absehbaren Folgen zusammengestellt.
Diese FAQs findet ihr unter folgendem Link: https://www.schleswig-holstein.de/Energie/DE/Energiewende/FAQ_Contentklappelemente/FAQ_Zwischenlager/faqZwischenlagersuche_node.html
Grüne Grüße,
Ruth, Robert und Eka
Mareike Rehse Persönliche Referentin des Ministers Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Mercatorstr. 3 24106 Kiel Tel: 0431/988-7202 Email: mareike.rehse@melur.landsh.de

 

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