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Monitor: EU-Stresstest … eine verlogene Debatte

Erwischt! Der EU Stressstest ist eine Mogelpackung. Cattenom und Fessenheim müssen sofort stillgelegt werden. Die Strompreisdiskussion in der BRD ist eine verlogene Debatte.
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https://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2012/1018/atom.php5

Monitor Sendung, Nr 640, 18.10.2012

Fukushima droht überall:
Wie Europas Schrottreaktoren auch Deutschland gefährden

Bericht: Jochen Leufgens, Andreas Maus

Georg Restle: “ Deutschland kannte letzte Woche fast nur ein Thema: Den steigenden Strompreis. Es war eine ziemlich verlogene Debatte, die wir da erlebt haben. Der Ausbau der erneuerbaren Energien treibe den Preis in die Höhe, hieß es. Die FDP forderte sogar eine Verlangsamung beim Ökostrom-Ausbau. Dazu ein paar Zahlen zur Wahrheitsfindung. Die so genannte Umlage für Ökostrom wurde am Montag von 3,6 auf 5,3 Cent pro Kilowattstunde angehoben. Klingt viel. Aber was dabei verschwiegen wird: Würde man die vergleichbaren Subventionen für Kohle, Gas und Atom nicht über die Steuern, sondern ebenfalls über eine Abgabe erheben, würde der Strompreis deutlich höher steigen, um 10,2 Cent. Und dabei sind die Steuermilliarden für die Lagerung von Atommüll noch nicht mal eingerechnet. Von wegen: Billiger Atomstrom.
Apropos Atomstrom. Da gibt es einen deutschen EU-Kommissar, der die brutalst mögliche Sicherheit für europäische Atomkraftwerke versprochen hat – kurz nach Fukushima. Mit einem Stresstest wollte Günter Oettinger einen Gau wie in Japan in Europa unmöglich machen. Ein ziemlich waghalsiges Vorhaben, auch angesichts der zahlreichen Pannenreaktoren an deutschen Grenzen. Letzte Woche meldete Oettinger Vollzug. Ergebnis: Kein Kraftwerk in der EU muss stillgelegt werden. Andreas Maus und Jochen Leufgens haben sich mit einem Mann getroffen, der da entschieden anderer Meinung ist – und der sehr genau weiß, wovon er spricht.“
Der Tag, an dem der Reaktorkern Nummer drei in Fukushima schmolz, war der Tag, der alles veränderte.
Nachrichtensprecherin: „… denn wegen der starken Strahlung dürfen Sie über dem Gebäude nicht kreisen. So verteilt sich das Meerwasser großflächig.“
Nachrichtensprecher: „Die Angst geht um seit Tagen, genährt auch heute wieder durch diese unglaublichen Bilder.“
Der Tag, an dem Menschen starben, Land für immer unbewohnbar wurde. Es war der Tag, an dem selbst langjährige Atomkraftbefürworter zumindest öffentlich zu Skeptikern wurden. EU-Energiekommissar Günther Oettinger kündigte kurz nach Fukushima einen Stress-Test aller AKW in Europa an. Mit damals großen Versprechungen:
Günther Oettinger, CDU, 25. Mai 2011: „Um es klar zu sagen: Ich stehe und stand für Prüfkriterien, die einen Stresstest light bedeuten würden, nicht bereit.“
Einen harten, einen umfassenden Stresstest sollte es geben. Eben keinen Stresstest light. So versprach es Oettinger. Menschliches Versagen, Naturkatastrophen und Technik in Europas AKWs sollten untersucht werden vor dem Hintergrund der Katastrophe von Fukushima. Sogar Abschaltempfehlungen schloss Oettinger nicht aus. Deutschland nahm, noch bevor die Ergebnisse feststanden, acht Reaktoren vom Netz. Acht Anlagen sind noch in Betrieb. 58 sind es insgesamt in Europa, allein sieben davon in unmittelbarer Nähe zu Deutschland. Vor wenigen Tagen. Oettinger präsentiert der Öffentlichkeit das Ergebnis des Stresstests. Erneut mit starken Worten:
Günther Oettinger, 4. Okt. 2012: „Nach den schrecklichen Vorfallen von Fukushima einen umfassenden Stresstest … damit der europäische Sicherheitsstandard auf eine höchste, eine höchstmögliche technische Ebene gehoben wird.“
Von Abschaltungen war nicht mehr die Rede, einige Nachrüstungen sollen die höchste Sicherheit garantieren. Auch hier. Das französische Kernkraftwerk Cattenom an der deutsch-französischen Grenze. Bei den üblichen Westwinden wären bei einem möglichen Gau vor allem West- und Mitteldeutschland von der radioaktiven Wolke betroffen. Wir sind unterwegs mit Dieter Majer nach Cattenom. Er ist kein Anti-Atom-Aktivist. Ist weltweit geachtet in Fragen der Sicherheit von Kernkraftwerken. Bis letztes Jahr war er technischer Leiter der Atomaufsicht im Bundes-Umweltministerium. Beim Stresstest war er unabhängiger Beobachter für das Saarland, Rheinland-Pfalz und Luxemburg. Über das, was er dabei gesehen hat, kann er nicht schweigen, denn sein Ergebnis fällt ganz anders aus als das des Energiekommissars Oettinger.
Dieter Majer, Technischer Leiter der deutschen Atomaufsicht a.D.: „Der Stresstest ist ein Minimalprogramm, das nur einige wenige Prozente der gesamten notwendigen Sicherheitsüberprüfung ausmacht. Nämlich nur Einrichtungen und Maßnahmen, die dann wichtig sind, wenn der Unfall schon passiert ist. Verglichen möglicherweise mit dem Auto bedeutet das, man hat den Airbag untersucht, dessen Funktionsweise untersucht, aber man hat nicht untersucht, ob die Bremsen funktionieren, ob das Licht funktioniert, etc.“
Harter Stresstest? Für Majer steht fest: Cattenom müsste sofort abgeschaltet und einer wirklich gründlichen Überprüfung unterzogen werden. Solch eine Überprüfung war bei ihm nicht möglich, sagt er uns. Zugesagte Unterlagen seien zumindest ihm vorenthalten worden.
Dieter Majer, Technischer Leiter der deutschen Atomaufsicht a.D.: „Die ganz wichtigen Unterlagen, Systembeschreibungen, Schaltpläne, Prüfhandbücher, Berechnungen über Einfalls-Wahrscheinlichkeit von Unfällen, all das wurde eben nicht zur Verfügung gestellt für die Anlage.“
Dies, so erzählt er, sei passiert, als er begonnen habe, sich kritisch zu äußern. Der Betreiber bestreitet dies und sagt auch, dass die Anlage genehmigt sei und ständig überprüft würde. Der EU-Stresstest stellte für Cattenom Defizite fest, etwa unzureichende Auslegungen bei schweren Erdbeben und Überflutungen. Die aber seien ja nachrüstbar. Andere schwere Mängel, die Majer festgestellt hat, finden sich erst gar nicht im Stresstestbericht.
Dieter Majer, Technischer Leiter der deutschen Atomaufsicht a.D.: „Da geht es um Korrosion von wichtigen sicherheitstechnischen Einrichtungen, da geht es um fehlende Brandschutz-Einrichtungen, da geht es um elektrische Einrichtungen, die in ihrer Ausführung nicht dem entsprechen, was man in einem Atomkraftwerk zu erwarten hat. Also ein weiterer Betrieb von Cattenom halte ich für nicht verantwortbar.“
Wie hieß das noch mal bei der Erfolgsbilanz?
Günther Oettinger, 4. Okt. 2012: „Einen umfassenden Stresstest durchzuführen.“
Der Tag, an dem in Fukushima die Erde bebte, ist jetzt über 19 Monate her. Mit den Auswirkungen müssen die Menschen noch Jahrhunderte leben. Auch an Tagen, an denen die Kameras längst weitergezogen sind. Und die Lehren, die man aus der Katastrophe ziehen wollte – sie scheinen vergessen. Entlarvt sich der umfassende Stresstest als Augenwischerei? Noch ein Beispiel: AKW Fessenheim. Noch mal an der deutschen Grenze. Gelegen im Rheingraben, wo starke Erdbeben und damit schwere Überflutungen möglich sind. Im Falle eines Gaus wäre ganz Süddeutschland radioaktiv verseucht. Und über 200 meldepflichtige Zwischenfälle gab es hier bereits. Fessenheim gilt als Pannenreaktor. Der EU-Stresstest sagt zu Fessenheim: Am Netz bleiben. Nur Nachrüsten bitte. Denn dann wäre der Sicherheitsstandard ja:
Günther Oettinger, 4. Okt. 2012: „Auf eine höchste, eine höchstmögliche technische Ebene gehoben.“
Eine heute zu Fessenheim veröffentlichte Studie weckt daran Zweifel. Auf Grundlage der Stresstestdaten ließ das Stuttgarter Landesumweltministerium die Anlage prüfen. Deren Ergebnis: Es gäbe gravierende Mängel, die auch durch Nachrüstung nicht auf ein akzeptables Niveau zu heben seien.

Franz Untersteller, Umweltminister Baden-Württemberg: „In wesentlichen sicherheitstechnischen Fragen steht die Anlage schlechter da, als die beispielsweise im letzten Jahr in Deutschland acht stillgelegten Anlagen. Und das zeigt schon, dass im Grunde genommen die Ergebnisse, so wie sie seitens des Stresstestes selber vorliegen, so aussagekräftig dann wirklich nicht seien.“
Und es geht nicht nur um Fessenheim und Cattenom. Auch viele andere europäische Reaktoren müssten vom Netz, trotz des Stresstestergebnisses sagt Wolfgang Renneberg, immerhin der ehemalige Leiter der deutschen Atomaufsicht. Der Test sei vor allem ein Mittel der Politik, um die Öffentlichkeit zu beruhigen.
Wolfgang Renneberg, Ehemaliger Leiter der deutschen Atomaufsicht: „Aussagen der Sicherheit sind wegen des beschränkten Prüfungsumfangs gar nicht möglich, wenn also politisch gefolgert wird, dieser Stresstest hätte ergeben, die Anlagen seien sicher oder erfüllten einen hohen Sicherheitsstandard, dann ist das eine Aussage, die den Tatsachen nicht entspricht, eine Aussage, die letztlich ein Betrug der Öffentlichkeit darstellt.“
Aber was sagt der Verantwortliche dazu, der den Stresstest als Erfolg verkaufte? EU-Kommissar Günther Oettinger. Die Kritik am Test wächst. Zu Unrecht, findet er. Er habe einen Auftrag der europäischen Staaten ausgeführt, der sei von vorneherein klar begrenzt gewesen.
Reporter: „Warum dann den Eindruck erwecken, wir tun das, wir machen einen umfangreichen Test? Das ist bei den Bürgern angekommen.“
Günther Oettinger, Kommissar für Energie der Europäischen Union: „Der Gegenstand war von vorneherein klar, jetzt bitte keine Geschichtsklitterung. In den Tagen danach haben wir umfangreiche Tests vorgeschlagen, dann kam der Auftrag, der öffentlich bekannt war, wenige Wochen später. Und den haben wir abgearbeitet. Wir bestehen darauf, dass das, was wir geprüft haben, streng war und objektiv war. Nicht weniger und nicht mehr.“
Reporter: „Aber nicht umfassend? Günther Oettinger, Kommissar für Energie der Europäischen Union: „Nicht umfassend, nein.“ Günther Oettinger, 4. Okt. 2012: „Einen umfassenden Stresstest durchzuführen.“
Georg Restle: „Nein Herr Oettinger, es geht nicht um Geschichtsklitterung. Wir nehmen Sie einfach nur beim Wort.“

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Atomausstieg im Baltikum!

neueste Meldung:

Die Linksparteien, die die nächste Regierung in Litauen bilden dürften, unterstützten die AKW-Nein-Kampagne. Auch aus Lettland und Estland gibt es bereits Stimmen, die für die Annullierung der AKW-Pläne plädieren. Vor allem die hohen Kosten von geschätzten fünf bis acht Milliarden Euro zeigten wohl Wirkung.
Die Abrisskosten für Ignalina zahlt die EU, voraussichtlich 2,9 Milliarden Euro.
Für die AtomkraftgegnerInnen im Gebiet Kalliningrad, Polen, Ukraine, und Weissrussland dürfte die Entscheidung gegen die Atomenergie in Litauen für positive Stimmung sorgen, um mit ihrer Anti AKW Arbeit weiter zu bestärken.
Die Stromversorgung in den drei Baltenstaaten hängt immer noch an Russland. Im Gespräch war mal eine 380 KV Leitung nach Polen, aber davon war in der letzten Zeit nichts mehr gehört. (Dieter Kaufmann)

Litauen: Gegen AKW!

Die Litauer wollen keine AKW haben. In dem leider nicht bindenden Referendum stimmten die Litauer am Sonntag gegen den Bau eines neuen Atomkraftwerks unweit der zwei bestehenden aber stillgelegten Atommeiler Ignalina. Laut von der Wahlkommission veröffentlichten Teilergebnissen lehnten 61,57 Prozent der Wähler die Baupläne in Visaginas ab, 34,76 Prozent waren dafür. Dieses Ergebnis hat “beratenden Charakter” – insofern aber große Bedeutung, als auch erstmalig in Litauen die geforderte 50prozentige Stimmbe-teiligung erreicht wurde. Für das Visagines-Projekt war im März trotz der Abstimmungspläne ein Vorvertrag mit Hitachi in einer Höhe von sechs bis acht Milliarden Euro abgeschlossen worden, der nun hinfällig ist – so denn die neue Regierung Wort hält. (contratom)

Hintergrund:

In Ignalina waren zu Sowjetzeiten insgesamt vier AKW vorgesehen. Nach Tschernobyl 1986 waren die beiden fest geplanten AKW nicht mehr durchsetzbar. 1988 fanden Großdemonstrationen in der damaligen sowjetischen Repulik Litauen mit bis zu 150.000 Menschen statt.

Weissrussland will AKW, Polen will die gesamte Atompalette von Uranabbau über unendlich viele AKW bis zur WAA im eigenen Land aufbauen. Eine Ausschreibung für AKW wurde bereits auf den Weg gebracht. Es wird ein Gesamtkonzept einschließlich der Finanzierung sein. Einzelheiten sind noch nicht bekannt.

Im Gebiet Kalingrad wird ein AKW bereits gebaut. Ein zweites AKW wird vermutlich im nächsten Jahr erfolgen. 10 weitere neue AKW sind europäischen Teil von Russland geplant.
Alle wollen den Strom auch nach Westeuropa verkaufen und warten darauf, dass die Energiewende in der BRD scheitert.